Jede Woche am Sonntag stelle ich eine Auslese der zehn bemerkenswertesten Geschichten und Veröffentlichungen vor, auf die ich bei meinen Streifzügen durch die Tiefen und Weiten des weltumspannenden Informationsnetzes gestoßen bin.
Von Lars Schall
Geneigte Leserin, geneigter Leser,
ich heiße Sie herzlich willkommen zu Die Woche im Rückspiegel betrachtet. Mit diesem Format möchte ich Ihnen immer wieder des Sonntags im Schnelldurchlauf zehn bemerkenswerte Geschichten und Veröffentlichungen präsentieren, über die ich im Laufe der jeweils vorangegangenen sieben Tage via wilder Internet-Klickerei stolperte.
Und damit ohne weiteren Aufhebens zu den…
TOP 10-LINKS DER WOCHE
Auf Platz 10 starten wir mit dem Thema “Medienschelte“, zu dem sich in der FAZ dieser Tage Stefan Niggemeier äußerte – und zwar hier.
Die “Propagandaschau“ sah sich sodann das an, was Stefan Niggemeier verfasste – siehe hier.
Zum selben Artikel gab es auch ein paar Gedanken auf “Duckhome“ – wie Sie hier ersehen können.
Ähnlich geht’s bei Paul Schreyer zu, der sich insbesondere dann aber den Außenpolitikchef der Süddeutschen Zeitung, Stefan Kornelius, vornimmt – was hier nachzulesen wäre.
Susanne Stiefel meint derweilen “Die Welt braucht Wachhunde“, sieht so manche positive Entwicklung im Journalismus aufkeimen, und begreift das Internet “für einen journalistischen Aufbruch“ als “eine Chance“ – wie Sie Ihnen hier erläutert.
Auf Platz 9 gibt es eine Rezension zu: „Die Eroberung Europas durch die USA“, geschrieben von Wolfgang Bittner (und erschienen im VAT Verlag André Thiele). In der Besprechung von Jennifer Munro heißt es:
“Nach mehr als zwei Jahrzehnten friedlicher Nachbarschaft und wirtschaftlicher Kooperation durchzieht Europa wieder ein Eiserner Vorhang, verursacht durch die Krise in der Ukraine, wo inzwischen Bürgerkrieg herrscht. Wie kam es dazu? Wolfgang Bittner zeichnet minutiös die Entwicklung der letzten Monate nach und gibt Aufschluss über die verhängnisvolle Einflussnahme der USA und der EU auf die Destabilisierung des Landes. Er beschreibt, wie die Ukraine, „als Brückenland von großer geostrategischer Bedeutung sowie als Wirtschaftsraum und Tor zu Russlands Ressourcen“ über Jahre hinweg systematisch durch subversive Kräfte zu dem wurde, was sie gegenwärtig ist: Kriegsschauplatz und Zentrum der Auseinandersetzungen zwischen einer ‘westlichen Allianz‘ und Russland. …
Die Entwicklung bis zur Konfrontation der ‘westlichen Allianz‘ mit Russland im ukrainischen Bürgerkrieg wird anhand zahlreicher Belege Schritt für Schritt bis Ende September 2014 dokumentiert. Dabei wird nach und nach verdeutlicht, dass die Aggression, für die Russland und insbesondere Wladimir Putin verantwortlich gemacht wird, vom Westen ausgegangen ist und durch die desaströsen Wirtschaftssanktionen weiter verschärft wird.
Bittner spricht von einem ‘Jahrhundertdesaster‘. Tragisch sei vor allem die erneute Teilung Europas, die zur Orientierung Russlands nach China und zu einem verstärkten Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen mit den übrigen BRICS-Staaten führt, nachdem Wladimir Putin mehrmals vergeblich um eine vertrauensvolle Kooperation mit der Europäischen Union geworben hatte. Die Konfrontation – so Bittner – sei nachweislich von den USA inszeniert worden und könne nicht im Interesse Europas sein, das auf die russischen Ressourcen angewiesen ist, einmal abgesehen von den über Jahrhunderte gewachsenen kulturellen Verbindungen.“
Die gesamte Rezension finden Sie hier bereitgestellt.
Auf Platz 8 rangieren zwei Veröffentlichungen zum Themenkreis “Nachrichtendienste“. Da gäbe es zunächst dieses:
“Der Bundesnachrichtendienst verweigert konsequent, auf Informationsfreiheits-Anfragen zu antworten. Das mag formell korrekt sein – inhaltlich ist es aber oft Unsinn. Die Ausnahme für Nachrichtendienste im IFG gehört abgeschafft.“
Wieso, weshalb, warum wird Ihnen hier nähergebracht.
Und dann gäbe es da noch Nachfragen bei der Bundesregierung, wie es mit der Aufenthaltserlaubnis für Edward Snowden aussieht. Die (beschämenden) Antworten warten hier auf Sie.
Auf Platz 7 habe ich ein Interview für Sie platziert, das Reinhard Jellen mit Stefan Aust “über die Fallstricke moderner Massenkommunikation“ führte:
“Durch neue Kommunikationsmittel ist die totale Überwachung möglich und der Alptraum George Orwells wahr geworden – mit dem bedeutenden Unterschied allerdings, dass die Überwachung nicht staatlich-restriktiv durchgeführt wird. Stattdessen vollzieht sie sich (zumindest auf den ersten Blick) freiwillig und über den Konsum. Telepolis sprach darüber mit Stefan Aust, der zusammen mit Thomas Ammann das Buch Digitale Diktatur geschrieben hat.“
Das Interview „Die Menschen sind Teil eines Systems, das von Denkmaschinen gesteuert wird“ spüren Sie hier auf.
Auf Platz 6 kommen wir zu einem Interview, das ich mir auf “Guns and Butter” anhörte – „The Other Side of Climate Change“ mit Ben Davidson. Ich verfolge die Klimawandeldebatte nur eher am Rande; nicht zuletzt, da solch ein Beitrag wie von Davidson, den ich Ihnen nachdrücklich ans Herz legen will, zu den Ausnahmeerscheinungen in dieser Debatte zählt.
Das Gespräch, das von Bonnie Faulkner produziert wurde, mögen Sie bei Interesse hier aufrufen.
Auf Platz 5 meint Wolfgang Streeck, seit knapp 20 Jahren Direktor am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln: „Möglich, dass der Kapitalismus an seinen Krisen verendet“.
“Die Vorstellung, eine Gesellschaftsform könne nur enden, indem sie durch eine bessere abgelöst werde, stamme noch aus dem fortschrittsgläubigen 19. Jahrhundert. Gegenwärtig seien wir indessen gut beraten, uns klarzumachen,
‘dass eine Gesellschaft, anstatt zugunsten einer besseren abgewickelt zu werden, auch enden kann, indem sie die Fähigkeit verliert, ihren Mitgliedern Erwartungssicherheit in einer berechenbaren, verlässlichen Ordnung zu bieten. Eine Gesellschaft ist keine mehr, wenn Unfälle in ihr zur Regel werden, wenn sie für ihren Fortbestand auf prekäre Improvisationen ihrer Mitglieder angewiesen ist (…).‘
Vieles spreche dafür, ‘dass die kapitalistische Gesellschaft der Gegenwart dabei ist, in diesem Sinne in ein Endstadium einzutreten.‘“
Mehr dazu hier.
Auf Platz 4 mache ich einen Salto rückwärts zum Wochenrückspiegel vom 26. Oktober. Seinerzeit ging es auf Platz 2 um ein neues Buch, “National Security and Double Government”, geschrieben von Michael J. Glennon.
Die beiden Veröffentlichungen vom Boston Globe, auf die ich in dem Zusammenhang aufmerksam machte, fielen auch dem Enthüllungsjournalisten Russ Baker (“Family of Secrets“) auf. Bakers Gedanken dazu harren hier des Abrufs.
Auf Platz 3 sehen Sie, womit ich mich in dieser Woche in Sachen 9/11 beschäftigte. Da gibt es nämlich bei der National Security Agency das sogenannte Defense Special Missile and Aerospace Center (DEFSMAC). Zu dieser Einrichtung können Sie hier beim National Security Archive der George Washington University eine ganze Menge Hintergrundinformation erhalten.
Tja, und der Hintergrund, um den es mir in Sachen 9/11 diese Woche ging, ist dieser – ich zitiere aus meinem im Entstehen begriffenen Buch:
Das National Reconnaissance Office (NRO), verantwortlich für die Spionagesatelliten der USA, führte während der 9/11-Angriffe in seinem Hauptquartier in Virginia eine Übung durch, bei der das Szenario besagte, dass ein Flugzeug ins Gebäude stürzte. Zu diesem Zwecke wurden NRO-Mitarbeiter just in den Momenten, da die Nation angegriffen wurde, aus dem Gebäude evakuiert. Mit der NRO arbeitet wiederum die National Security Agency (NSA) eng zusammen, genauer gesagt die 1964 gegründete NSA-Abteilung Defense Special Missile and Astronautics Center (DEFSMAC), ansässig im NSA-Hauptquartier in Fort Meade, Maryland, die zusammen mit der Defense Intelligence Agency (DIA) betrieben wird. Laut NSA-Experte James Bamford besteht der Zweck des Zentrums darin, „als Hauptalarmglocke der Nation für einen geplanten Angriff auf Amerika zu dienen.“ Ein ehemaliger NSA-Beamter äußerte sich gegenüber Bamford dahingehend, dass die DEFSMAC-Leute „(w)ahrscheinlich ein besseres Gefühl für jede weltweite Bedrohung haben, die für dieses Land von Raketen, Flugzeugen oder offenkundigen militärischen Aktivitäten ausgeht, besser und rechtzeitiger … als jede Gruppe in den Vereinigten Staaten.“ Sobald DEFSMAC Hinweise erhielte, dass ein Angriff unmittelbar bevorstünde, könnten die dortigen Beamten sofort Alarmbotschaften an „nahezu 200 ,Kunden‘ schicken“ – darunter an den Situation Room des Weißen Hauses, an das Nationale Militärkommandozentrum im Pentagon, an den [Defense Intelligence Agency] Alert Center und an Horchposten auf der ganzen Welt.“ Weitere Verbindungen bestehen zum US Strategic Command auf der Offutt Air Force Base in Nebraska und zu NORAD am Cheyenne Mountain in Colorado. In Fällen besonderer Dringlichkeit vermag das DEFSMAC dem US-Präsidenten über das System CRITICOMM innerhalb von 10 Minuten eine spezielle Botschaft (im Geheimdienstsprech: eine sogenannte “CRITIC“-Kommunikation) zukommen zu lassen. Erstaunlich ist nun aber, wie Bamford herausfand, dass „DEFSMAC von den massiven Luftangriffen nach der Tat erfuhr, nicht durch Amerikas milliardenteure Spionagesatelliten oder durch das weltweite Netzwerk moderner Horchposten oder durch seine Armee menschlicher Spione, sondern aus einem staubigen, gewöhnlichen TV-Gerät“.
Hätten Sie’s gewusst?
Auf Platz 2 lesen wir, dass die Vereinigten Staaten (angeführt vom U.S. Attorney’s Office for the Eastern District of New York) die Finanzen des inneren Kreises um Russlands Präsident Vladimir Putin untersuchen wollen. Das stößt in Moskau auf wenig Gegenliebe. Eher schon sieht man das als einen Angriff auf Putin – einen von mehreren im Zeichen der anti-russischen Sanktionen.
Dies las ich hier.
Und auf Platz 1 haben wir zwei Öl-bezogene Geschichten stehen. Die erste, die von Kurt Cobb stammt und auf “Oilprice“ erschien, beginnt mit einem Rückblick: Im März 1999 titelte “The Economist“, dass die Welt in Öl schwimme, und das Blatt sah die Möglichkeit gegeben, dass der Preis pro Barrel auf $5 hätte runtergehen können. Stattdessen aber hatte der Ölpreis “bereits seinen historischen Aufstieg in Richtung $ 147 pro Barrel begonnen. Die Preisspitze 2008 war der Höhepunkt eines 10-jährigen Bullenmarkts, der im Dezember 1998 begonnen hatte.
Nach kurzem Abtauchen auf rund 35 Dollar pro Barrel Ende 2008 im Zuge der Finanzkrise, schickte die neue Öl-Hausse die Welt-Benchmark Brent Crude auf einen Tagesdurchschnitt in den Jahren 2011, 2012 und 2013 von mehr als 100 Dollar pro Barrel.“
Aus der Tatsache, dass der Ölpreis nunmehr so rasch auf $ 85 gesunken sei, werde vielfach, so Cobb, darauf geschlossen, dass derzeit ein Überangebot an Erdöl herrsche. Und so geht er im Folgenden der Fragestellung nach, ob wirklich von einem solchen Überangebot gesprochen werden kann – siehe hier unter der Überschrift “Why The Current ’Oil Glut‘ Could Lead To A Price Spike“.
William Engdahl bringt unterdes ein paar Gründe vor, warum die Schieferöl-Blase in den USA bereit ist zu platzen. Hier ein kleiner Auszug aus einem aktuellen Artikel:
“Eine umfassende neue Analyse, die gerade erst von David Hughes veröffentlich wurde, einem kanadischen Öl-Geowissenschaftler mit dreißigjähriger Erfahrung beim Geological Survey of Canada, (zeigt) unter Verwendung von Daten aus bestehenden US-Schieferölproduktionen … dramatische Ölvolumenrückgänge in US-Schieferölquellen.“ Hughes hatte die Produktion in sieben Schieferölbecken ausgewertet und kam für einen Messzeitraum von drei Jahren auf durchschnittliche Produktionsrückgänge von 60 bis 90 Prozent. Um die Rückgänge wettzumachen, muss tiefer gebohrt werden, was heißt, dass mehr Geld investiert werden muss. Auch gilt es in Rechnung zu setzen, dass die besten Schieferölstätten, die sogenannten “sweet spots”, von den Ölunternehmen schon ins Visier genommen wurden. “Sollte die Zukunft der US-Öl- und -Erdgasindustrie von Ressourcen in den tiefen Schieferbeständen des Landes abhängen, … steht uns eine große Enttäuschung bevor“, so Hughes.
Der einbrechende Ölpreis vermag das Problem, wie Engdahl aufzeigt, noch zu verstärken – wie Sie hier auf “Russia Insider“ nachlesen können.
Zuletzt noch das Musikstück der Woche: Claudia – Deixa OMorro Cantar.
Deixa o morro cantar sua tristeza,
Só o morro entende o que é sofrer demais.
Conheço gente que no „bem bom“ cá da cidade,
Canta o morro e conhece o morro só por jornais.
In dem Sinne, ganz der Ihre,
Lars Schall.