Warum ich nicht Charlie bin

Peter Dale Scott, Politikwissenschaftler und ehemaliger Diplomat aus Kanada, erklärt, weshalb er es kategorisch ablehnt, Charlie zu sein.

Von Peter Dale Scott, Übersetzung Lars Schall.

Peter Dale Scott arbeitete beim kanadischen Department of External Affairs (1957-1961) und der kanadischen Botschaft in Warschau, Polen (1959-1961). Danach lehrte er 30 Jahre lang an der University of California in Berkeley als Professor für Englisch, ehe er 1994 emeritierte. Er ist Autor zahlreicher Bücher zum Thema Deep State und Deep Poltics, darunter The Road to 9/11: Wealth, Empire and the Future of America (2007) und American War Machine: Deep Politics, the CIA Global Drug Connection, and the Road to Afghanistan (2010).

Warum ich nicht Charlie bin
von Peter Dale Scott

Als Kanadier glaube ich an die Freiheit der Rede, aber nicht als ein absolutes Recht. Ich glaube an sie als einen sozialen Wert, der mit anderen gesellschaftlichen Werten wie Toleranz und Respekt in Einklang gebracht werden muss.

Jene von uns im Westen wollen von den Muslimen, dass sie uns tolerieren und respektieren. Daher müssen jene von uns im Westen gemeinsam lernen (und anscheinend wird dies eine Menge an Lernen erfordern), sie zu tolerieren und zu respektieren.

Auf einer anderen Ebene bin ich absolut für Gewaltlosigkeit als Mittel des sozialen Wandels. Daher ist es selbstverständlich, dass ich die Morde an Journalisten absolut bedauere und verurteile.

Aber ich werde nicht sagen: „Ich bin Charlie.“ Im Gegenteil, ich bin kategorisch NICHT Charlie. Wiewohl man die Torheit der Karikaturen nicht mit dem Verbrechen der Morde gleichsetzen kann, hat sich der Westen (nicht nur Charlie Hebdo) für vieles zu entschuldigen. Daher bedauere ich zutiefst die geistlose Eile, sich zu verbünden (wie bei „Je suis Charlie“) mit einer Mentalität der Respektlosigkeit, die bereits viele Todesfälle unschuldiger Menschen verursacht hat (in Fällen wie Rushdies Satanischen Versen) und die, wenn sie nicht kontrolliert wird, noch viele mehr verursachen wird.

Ich liebe Frankreich als ein Land tiefgehend, und glücklicherweise habe ich beinah alle seine Departements besucht. Ich weiß aber auch, dass Frankreich schon vor der Revolution kulturell tiefgeteilt war, was zu Exzessen auf beiden Seiten führte. Vichy-Frankreich in den 1940er Jahren war ein solcher Exzess. Aus meiner Sicht ist Charlie Hebdo auch das Phänomen eines Exzesses, in gedankenlosen sozialen Gewohnheiten der Respektlosigkeit, wenn nicht sogar des Hasses verwurzelt.

Daher hoffe ich, dass einige Leute mit mir einstimmen: JE NE SUIS PAS CHARLIE.

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5 Responses to “Warum ich nicht Charlie bin”

  1. Oliver K sagt:

    Tief deprimierend, wie die Morde hier gerechtfertigt werden. „Unschuldige Menschen“ — anscheinend von „Charlie“ ermordet. So wird das natuerlich nicht gesagt, so mutig ist dieser Typ dann doch nicht.

    Es sollte doch jedem Leser dieser Seiten klar sein, dass der „Islam“ in seiner heutigen zutiefst erbaermlichen Form wesentlich von USA und Nato aufgebaut worden sind! Vor sagen wir 50 Jahren hatte man den „Islam“ schon ueberwunden, aber dann haben unsere Freunde alles fortschrittliche im nahen und fernen Osten weggebombt, und die uebelsten Moerderbanden unterstuetzt. So ist dann der „Islam“ von den Toten aufgeweckt worden, als Zombie.

    Genau wie man nach einem Bomben-/Dronenanschlag gerne noch einmal zuschlaegt, wird hier die Vernunft zum zweitenmal ermordet: erst in der Gestalt des „Islam“, dann durch solche Idioten, die nun „Respekt“ fordern!

    Wenn wir Respekt zeigen wollen, dann dadurch, dass wir tiefe Verachtung gegenueber diesem Wahnsinn zeigen.

  2. Ruth Frei sagt:

    Vielen Dank für dieses Statement. Je ne suis pas Charlie non plus – Ich bin auch nicht Charlie – und kann Ihre Argumentation nur unterstützen. Mich wundert ohnehin, wie diese weltumspannende Solidaritätswelle so viel Fahrt aufgenommen hat. Wer hat denn schon demonstriert für die Kinder im Gaza-Streifen, in Donezk und Lugansk, in Afghanistan und Irak, in Libyen und Syrien – und für ihre Eltern, die in Schutt und Asche gebombt wurden? Die weltweite Demo am Sonntag 11.1.2015 war Propaganda, um von den wirklichen Themen abzulenken.
    https://www.youtube.com/watch?v=HSN5e9CLAhY

  3. marta sagt:

    Ich bin auch nicht Charlie.
    Das schon lange.
    Warum sind alle Charlie?
    Ich kann nicht Charlie sein, weil ich mich niemals über Gott, Jesus, Mohamed oder einen anderen von Religionsvölkern angebeteten Gott lustig machen würde,….weil ich Respekt vor dem Glauben habe, den ein jeder hat oder nicht hat.
    Wie kleingeistig und respektlos ist es Gott zu verhöhnen. Jeder hat die Freiheit seine eigenen verhohnepippelden Gedanken zu haben,…aber doch bitte jeder für sich…Meinungsfreiheit,…..und nicht unters Volk streuen.
    Ich distanziere mich trotzdem ganz klar gegen die Gewalttaten an Charlie.

  4. Birgit sagt:

    Ich freue mich auch sehr über das gute Statement.
    Auch ich war noch nie Charlie und lasse mich jetzt auch nicht dazu verleiten es zu sein.
    Ohne Frage lehne ich jeglichen Terror und jede Gewalt ab. Die Würde des Menschen aber ist in Artikel 1 gleichfalls verankert und wurde in dieser Zeitschrift immer wieder verletzt. Karikaturen in dieser Form über Gott, Jesus und Mohammed sind würdelos und treffen jeden friedlichen Gläubigen.

  5. hans sagt:

    das angesprochene Thema (Grenzen der künstlerischen Freiheit) geht bei Charlie H. am Problem vorbei. Dieses ist nämlich der Mißbrauch von religoösen Gruppierungen zur Durchsetzung von übergeordneten politischen Zielen (hier: Aufwiegelung der europäischen Bevölkerung gegen eine „Gefahr“, der mit steigender Militarisierung und Einschränkung drr bürgerlichen Freiheiten begegnet werden „muß“). Das ganze war eine false flag Aktion!

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