Die Woche im Rückspiegel betrachtet

Jede Woche am Sonntag stelle ich eine Auslese der zehn bemerkenswertesten Geschichten und Veröffentlichungen vor, auf die ich bei meinen Streifzügen durch die Tiefen und Weiten des weltumspannenden Informationsnetzes gestoßen bin.

Von Lars Schall

Geneigte Leserin, geneigter Leser,

ich heiße Sie herzlich willkommen zu Die Woche im Rückspiegel betrachtet. Mit diesem Format möchte ich Ihnen immer wieder des Sonntags im Schnelldurchlauf zehn bemerkenswerte Geschichten und Veröffentlichungen präsentieren, über die ich im Laufe der jeweils vorangegangenen sieben Tage via wilder Internet-Klickerei stolperte.

Und damit ohne weiteren Aufhebens zu den…

TOP 10-LINKS DER WOCHE

Auf Platz 10 starten wir durch mit dem Themenfeld “Verschwörungstheorien und Journalismus – Zur Vertrauenskrise der Medien und ihren Ursachen“, geschrieben von Paul Schreyer. Der norddeutsche Journalist befasst sich anfangs mit einem Essay, der in einem norddeutschen Medium von einem Medienwissenschaftler namens Bernhard Pörksen erschien. Letzterer brachte in dem norddeutschen Medium dar:

“Es braucht nur ein paar Klicks, um in einen merkwürdigen, dunklen Fiebertraum abzudriften, eine schweißnasse Angstfantasie, die von einer Medienverschwörung handelt und einer dämonischen Gewalt, die uns alle manipuliert und systematisch belügt.“

Kollege Schreyer meint dazu u.a.:

“Problematisch wird eine Debatte zum Vertrauensverlust der etablierten Medien in jedem Fall dann, wenn Begriffe wie ‘Verschwörungstheorie‘ weitgehend unreflektiert als Instrument der Ausgrenzung abweichender Meinungen benutzt werden. Der Journalismus ist seinem Wesen nach selbstverständlich gerade dem Gegenteil verpflichtet – der Präsentation und dem sorgfältigen, fairen Abwägen gegensätzlicher Ansichten. Zwar kursieren natürlich eine Unmenge absurder Theorien auch zu politischen Themen, doch spannend bleibt eben die Frage, wie man diese sauber als ,Verschwörungstheorie‘ definiert, sprich, nach welchen spezifischen Kriterien man also den (behaupteten) Unsinn vom Akzeptierten trennt. Genau diese Frage nach den Kriterien hat aber bislang noch kein Alpha-Journalist klar beantworten können, geschweige denn, dass dieses Definitionsproblem überhaupt einmal diskutiert würde. Herr Pörksen, bitte übernehmen Sie!“

Weiterer Standpunkte von Schreyer werden Sie hier ansichtig.

Wenn man dann sieht, wie es um “die Dichtigkeit“ der “dichten Beweiskette“ zum MH-17-Abschuss bestellt ist, mit der die Rechercheorganisation CORRECT!V unlängst aufwartete, hat man evtl. eine schlechte “Verschwörungstheorie“ vor Augen, denn:

“Die Behauptung von CORRECT!V, es gäbe irgendeine Beweiskette, trifft nicht zu. Präsentiert wird ein Gemisch aus offensichtlichen Falschaussagen, Halbwahrheiten, schwachen Indizien und angeblichen Zeugenaussagen, die sich nicht gegenrecherchieren lassen. Auf lange bekannte Gegenargumente wird nicht eingegangen.“

Wie, was, wo – all das gibt es für Sie in Sachen MH-17 hier.

Auf Platz 9 bewahrheitet sich einmal mehr, dass lange verschwundene Dinge eines Tages oftmals unerwartet wieder auftauchen. So nun im Weltall geschehen. Eine britische Raumsonde (Beagle 2), die im Dezember 2003 spurlos verschwand, ist auf der Oberfläche des Mars gesichtet worden. Dies geht aus Bildern hervor, die vom Mars Reconnaissance Orbiter (MRO) der NASA gemacht wurden. Allerdings können die Daten, die die Raumsonde sammelte, nicht geborgen werden, sagten Wissenschaftler.

Dennoch urteilte der Generaldirektor der Europäischen Raumfahrtbehörde Jean-Jacques Dordain bei einem Pressetreffen in Paris, dass “das, was vor 11 Jahren als Fehlschlag gesehen wurde, sich in Wahrheit als kein vollkommener Fehlschlag herausstellt.“ Er fügte hinzu: “Wenigstens hat es eine Landung auf dem Mars gegeben.”

In London sagte David Parker, Leiter der UK Space Agency: „Die Geschichte der Weltraumforschung wird sowohl von Erfolg als auch Misserfolg geprägt“, und: “Beagle 2 war ein größerer Erfolg, als wir bisher wussten“, und dies sei “zweifellos ein wichtiger Schritt in Europas fortdauernder Erforschung des Mars.“

Diese Geschichte ploppt hier vor Ihren Augen auf.

Auf Platz 8 taucht ein Klassiker wieder auf, nämlich ein “Kurzer Abriss der Nationalökonomie“, ursprünglich erschienen unter dem Pseudonym Kaspar Hauser in “Die Weltbühne“, Nr. 37, am 15. September 1931. Hinter dem besagten Pseudonym verbarg sich Kurt Tucholsky, und jener schrieb:

“Nationalökonomie ist, wenn die Leute sich wundern, warum sie kein Geld haben. Das hat mehrere Gründe, die feinsten sind die wissenschaftlichen Gründe, doch können solche durch eine Notverordnung aufgehoben werden.

Über die ältere Nationalökonomie kann man ja nur lachen und dürfen wir selbe daher mit Stillschweigen übergehn. Sie regierte von 715 vor Christo bis zum Jahre nach Marx. Seitdem ist die Frage völlig gelöst: die Leute haben zwar immer noch kein Geld, wissen aber wenigstens, warum.

Die Grundlage aller Nationalökonomie ist das sog. ‚Geld‘.

Geld ist weder ein Zahlungsmittel noch ein Tauschmittel, auch ist es keine Fiktion, vor allem aber ist es kein Geld. Für Geld kann man Waren kaufen, weil es Geld ist, und es ist Geld, weil man dafür Waren kaufen kann. Doch ist diese Theorie inzwischen fallen gelassen worden. Woher das Geld kommt, ist unbekannt. Es ist eben da bzw. nicht da – meist nicht da. (…)

Was die Weltwirtschaft angeht, so ist sie verflochten. (…)

Jede Wirtschaft beruht auf dem Kreditsystem, das heißt auf der irrtümlichen Annahme, der andre werde gepumptes Geld zurückzahlen. Tut er das nicht, so erfolgt eine sog. ›Stützungsaktion‹, bei der alle, bis auf den Staat, gut verdienen. Solche Pleite erkennt man daran, dass die Bevölkerung aufgefordert wird, Vertrauen zu haben. Weiter hat sie ja dann auch meist nichts mehr. (…)

Zusammenfassend kann gesagt werden: die Nationalökonomie ist die Metaphysik des Pokerspielers.

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Angaben gedient zu haben, und füge noch hinzu, dass sie so gegeben sind wie alle Waren, Verträge, Zahlungen, Wechselunterschriften und sämtliche andern Handelsverpflichtungen –: also ohne jedes Obligo.“

Diesen kurzen Abriss fand ich dieser Tage hier auftauchen.

Auf Platz 7 widmen wir uns so eingestimmt auf ökonomische Fragen der Entscheidung der Schweizerischen Nationalbank (SNB), die Anbindung des Franken im Verhältnis zum Euro von 1,20 CHF aufzuheben.

Hier gibt es zu dieser Entscheidung ein Interview mit Nationalbankpräsident Thomas Jordan bei der NZZ.

Hier kommentieren die Bestseller-Autoren Marc Friedrich und Matthias Weik den Schachzug.

Hier sagt Gold-Aktivist Peter Boehringer etwas dazu.

Hier ist des Weiteren die Stellungnahme von Ambrose Evans-Pritchard für den Londoner “Telegraph“.

Isabella Kaminska von der “Financial Times“ hat eine zutreffende Beobachtung in petto (der Artikel ist Abo-pflichtig, von daher keine Verlinkung):

Ob gewollt oder nicht, die SNB habe “Eurozonenpapiere rekapitalisiert, just als die Eurozone eine Kapitalisation am nötigsten brauchte.

Der Prozess, durch den das passiert ist, war natürlich die offene Nachfrage nach Euro auf dem Markt. Nicht nur, dass dies den Euro unterstützte, es lief auf ein riesiges Angebot für das heraus, was zu der Zeit extrem giftige Eurozonenpapiere waren, die sonst niemand anzurühren bereit war, dadurch ihren Wert gegenüber Vermögenswerte unterstützend, die nicht in Euro lauten.

Nun, wenn wir annehmen, dass das EZB-QE in Kürze wirklich stattfinden wird, sollten wir nicht überrascht sein, dass dies aus Sicht der SNB ein Signal ist, dass ihre Zeit der Rekapitalisierung der Eurozone ans Ende gelangt ist. Jene Europapiere können jetzt schnell wieder in den Markt übergeben werden, weil die EZB bereitsteht, sie stattdessen zu unterstützen.“

Als die SNB 2011 den Eurokurs festschrieb, hat sie vor allem vermöge der Bund-Käufe den Franken an einen „DM-Euro“ gebunden. Ihre Währungsreserven bestehen zu einem sehr großen Teil aus „deutschen“ Euro-Staatspapieren. Wenn die SNB nun den Kurs freigibt, sagt sie sich auch von der EWU los und beginnt eine Kollusion mit der Bundesbank, die Bestand auch gegen die EZB haben wird, ganz gleich was der EZB-Rat tatsächlich beschließt. Die SNB stützt damit die EZB und den Euro nicht mehr.

Rolf v. Hohenhau von der Taxpayers Association Europe merkt hier an:

“Wenn die SNB schon ab 2011 bei jedem Kauf von Devisen gleichzeitig und anteilig 20 % Gold hätte erwerben müssen (körperlich!), wäre sie niemals auf die verrückte Idee verfallen, grenzenlos Euro einzukaufen.“

Tja, denkt man, so was Ähnliches stand ja auf der Agenda der Schweizer Goldinitiative, die von der SNB Ende letzten Jahres vehement zurückgewiesen wurde – nicht zuletzt der Anbindung zum Euro wegen…

Unterdessen gehen die Schweizer in Euroland erst einmal mit neuer dicker Spendierhose auf Shopping-Tour – siehe hier.

Auf Platz 6 übersetze ich Ihnen den Großteil einer Meldung aus dem Englischen, die ich bei Reuters vorfand:

“Saudi-Arabien und Tadschikistan werden sich 24 anderen Nationen als Gründungsmitglieder der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (Asian Infrastructure Investment Bank, AIIB) anschließen, sagte Chinas Finanzministerium am Dienstag.

Der Beitritt, von dem China sagte, dass er einstimmig von den anderen Gründungsmitgliedern des von China gedeckten multilateralen Kreditgebers genehmigt wurde, erhöht die Zahl der Gründernationen, die beabsichtigen, sich der $ 50-Milliarden-Bank anzuschließen, nach Aussagen der Ministeriums-Webseite auf 26.

AIIB, im Oktober in Shanghai gestartet, aber noch in der Entwicklung begriffen, wird von den Vereinigten Staaten als eine Herausforderung für die westlich dominierte Weltbank und die Asiatische Entwicklungsbank angesehen, möglicherweise den US-strategischen Einfluss in der Region verwässernd, haben Analysten gesagt.“

Meine Übersetzung können Sie hier überprüfen.

Auf Platz 5 gestehe ich, ich habe gesündigt – ich habe Fernsehen geschaut. Genauer, eine Dokumentation zu Edward Snowden, NSA & Co. bei der ARD. Hat mir sogar gefallen.

Eine Enthüllung aus der Dokumentation griff tagsdrauf “Golem“ auf:

“In der NDR-Dokumentation ‘Schlachtfeld Internet‘ hat Edward Snowden ein bisher unbekanntes Programm der NSA beschrieben. Damit sollen DDoS-Angriffe auf die USA automatisch beantwortet werden. Treten dabei Fehler auf, könnte das Snowden zufolge Menschenleben kosten.

Mindestens seit dem Jahr 2013 arbeitet der US-Geheimdienst NSA an einem System, das verteilte Denial-of-Service-Attacken (DDoS) automatisch beantworten kann. Dies geht aus dem Film Schlachtfeld Internet hervor, den Das Erste am 12. Januar 2015 nach einer Dokumentation über die Flucht des Whistleblowers Edward Snowden ausgestrahlt hat. Der zweite Film ist eine Koproduktion des NDR, des US-Senders WGBH und Servus TV. Er basiert unter anderem auf einem aktuellen Interview mit Snowden sowie auf Unterlagen aus seinem Fundus, die dem NDR vorliegen.

In dem Gespräch beschreibt der ehemalige Mitarbeiter der NSA, dass der Dienst seit mehreren Jahren nicht mehr nur für die Überwachung von Telekommunikation zuständig ist, sondern auch für die digitale Kriegsführung. ‘Alles, was die machen, ist angreifen‘, beschreibt Snowden die Aufgabe des ‘United States Cyber Command‘, das vom Direktor der NSA geführt wird. Die Militärbehörde ist dem Whistleblower zufolge damit auch zum ’nationalen Hacking-Dienst‘ der USA geworden.“

Falls Sie das interessiert, sollten Sie hier weiterlesen.

Auf Platz 4 stellt die Otto Brenner Stiftung den Vorwurf auf, dass die Medien bei der Aufdeckung der Hintergründe der NSU-Mordserie versagt hätten. Das sei das Ergebnis einer aktuellen Studie des Autorenteams Fabian Virchow, Tanja Thomas und Elke Grittmann.

“Die Studie kommt laut OBS-Geschäftsführer Legrand zu dem Ergebnis, ,dass nicht nur die staatlichen Behörden 10 Jahre lang in die falsche Richtung ermittelt haben, sondern auch Medien ein Jahrzehnt lang diese Deutungsmuster und Mutmaßungen nicht konsequent hinterfragt und unkritisch übernommen haben‘. … Die Ergebnisse der Studie, so OBS-Geschäftsführer Legrand, lesen sich als Beleg für die These, ,dass bei der Aufdeckung der Hintergründe und wahren Zusammenhänge der NSU-Morde nicht nur staatliche Ermittlungsbehörden versagt haben, sondern auch Teile der Medien ihrer Aufgabe, gesellschaftliche Prozesse professionell zu beobachten und kritische Öffentlichkeit herzustellen, nicht nachgekommen und gerecht worden sind‘.

Die OBS-Studie leistet aber mehr als eine erste Rekonstruktion der Medienberichterstattung über die NSU-Mordserie. Das Autorenteam fragt auch nach den redaktionellen Bedingungen der Berichterstattung und unterbreitet Vorschläge, die Eingang finden sollten in die journalistische Aus- und Weiterbildung. Ziel der Studie ist, „eine fundierte und differenzierte Diskussion über die Rolle der journalistischen Berichterstattung zu ermöglichen“, schreibt die Stiftungsleitung im Vorwort. Außerdem will die OBS mit der Veröffentlichung Journalisten dazu anregen, sich ergebnisoffen einer selbstkritischen Reflexion zu stellen und konkrete Veränderungen in der praktischen Arbeit umzusetzen.“

Mehr zur Studie bzw. jene selbst finden Sie hier.

Auf Platz 3 stoßen wir auf einen Artikel, der von einem “perfekten Sturm” spricht – “Surprising New Findings Point to ’Perfect Storm’ Brewing in Your Financial Future”, geschrieben von Lynn Parramore. Dort heißt es:

“Alan Taylor, ein Professor und Direktor des Zentrums für die Entwicklung der Weltwirtschaft an der Universität von Kalifornien, führte zusammen mit Moritz Schularick eine bahnbrechende Forschung über die Geschichte und Rolle des Kredits durch, teilweise vom Institute for New Economic Thinking finanziert. Er fand heraus, dass die heutigen Industrieländer von Krediten des privaten Sektors mehr denn je abhängen. Seine Arbeit und die seiner Kollegen stellt die Annahme in Frage, die vor 2008 üblich war, dass private Kreditflüsse Primärkräfte für die Stabilität und Berechenbarkeit in Volkswirtschaften sind.

Wenn sich die derzeitigen Trends fortsetzen, warnt Taylor, könnte sich unsere wirtschaftliche Zukunft sehr von unserer jüngeren Vergangenheit unterscheiden, als Finanzkrisen relativ selten waren. Krisen könnten alltäglicher werden, was Auswirkungen auf jede Phase unseres finanziellen Lebens haben wird, von der Wiege bis zur Pensionierung. Müssen wir unsere Sicherheitsgurte für eine holprige Fahrt anschnallen, oder gibt es eine Möglichkeit, den Weg, der vor uns ist, zu glätten? Taylor spricht in dem folgenden Interview über seine Erkenntnisse und Gedanken darüber, wie das Finanzsystem zu sichern ist.“

Sodann folgt hier, wenn Sie mögen, das Interview, das Parramore mit Taylor für das “ Institute for New Economic Thinking“ führte.

Auf Platz 2 registrieren wir: wiewohl vielfach gesagt wird, dass ein Rückgang der Nachfrage den Ölpreisverfall der letzten Monate auslöste, ist die Tatsache die, dass die globale Nachfrage laut Informationen der Internationalen Energie Agentur (IEA) so hoch ist wie nie. Im dritten Quartal 2014 verbrauchte die Welt mehr Öl denn je, nämlich 93.1 Millionen Barrel pro Tag. Das waren 600,000 Barrel pro Tag mehr als im dritten Quartal 2013.

Zu weiteren Details von Angebot und Nachfrage siehe hier.

Dann übersetze ich ein paar Gedanken zum Ölpreisverfall von DK Matai:

„Sie werden über den Ölpreisrückgang, die OPEC, das Schiefer-Fracking, die Ölschwemme, Saudi-Arabien, Iran, Russland, das Energieangebot und die Energienachfrage, über Geo-Strategie und geopolitische Risiken, neben unzähligen Verschwörungstheorien gelesen haben. Sie alle könnten einiges an Wahrheit in sich haben, aber sie sind alle relative Randfragen gegenüber der großen Geschichte, die beachtet und seziert werden sollte: die Explosion des Dollar-Carry-Trades von nahezu 8 + Billionen US-Dollar.

Von diesen 8 + Billionen US-Dollar sind 5.7 Billionen die Dollar-Schulden der Schwellenländermärkte, eine globale Reservewährung, die die Länder weder drucken noch kontrollieren können. Die Dollar-Währungsschulden von Schwellenländern haben sich innerhalb von zehn Jahren verdreifacht – aufgeteilt in $ 3.1 Billionen in Bankdarlehen und $ 2.6 Billionen in Unternehmensanleihen. In den letzten zweihundert Jahren glichen sehr wenige grenzüberschreitende Kreditvergabeexzesse in Größe und Umfang diesem in Dollar lautenden Schuldenkoloss, der von der quantitativen Lockerung der Ersten Welt in nie gekanntem Ausmaß und einer Nullzinspolitik (Zero Interest Rate Policy, ZIRP) angeheizt wurde.

Was ist der Carry-Trade?

Dies ist das Geldausleihen in einer Währung eines Niedrig-Zinssatz-Landes wie den USA, die man gegen eine Währung eines Landes mit höherem Zinssatz eintauscht und in hochverzinsliche Vermögenswerte in diesem Land und anderswo investiert. Die großen Handels-Outfits tun dies mit einem Hebel von 100 oder 300 zu eins. Dies bewirkt große Bewegungen in den Finanzmärkten, möglich gemacht durch die Billionen von Dollar an Zentralbankgeldschöpfung der letzten Jahre.

Verdunstende Dollar-Liquidität?

Das Ausleihen von US-Dollar ist das Äquivalent von einer Shortposition in US-Dollar. Wenn der US-Dollar kräftig anzieht, wie er es in den vergangenen Quartalen und Monaten getan hat, dann werden die Dollar-Schulden auf der ganzen Welt auf relativer Basis immer teurer zu finanzieren. Infolgedessen ist eine US-Dollar-Rallye negativ für Öl, negativ für Rohstoffe, und negativ für die meisten globalen Anlageklassen. Ein Großteil der weltweiten Schulden wurde bei Realzinsen von 1 Prozent oder weniger ob der impliziten Annahme herausgenommen, dass die US-Notenbank die Welt für die kommenden Jahre weiterhin mit Liquidität fluten würde. Dies wurde nun für den Moment gestoppt, wie von Janet Yellen, der Vorsitzenden der US-Notenbank, bekannt gegeben worden ist. Die Fed hat ihre Anleihenkäufe auf Null gesenkt, damit einen Stimulus von $ 85 Milliarden pro Monat entziehend. Sie zieht erstmals seit sieben Jahren eine Zinsanhebung deutlich in Betracht. …

Wie geht es weiter im Jahr 2015 und darüber hinaus?

  1. 2015 und darüber hinaus wird fast alles wahrscheinlich getroffen werden, und nicht nur Öl, indem der US-Dollar weiter zulegen wird. Ein Großteil der weltweiten ‘Erholung‘ der letzten fünf Jahre wurde von günstig geliehenen Dollar angeheizt. Nun, da der US-Dollar aus einem mehrjährigen Bereich ausgebrochen ist, werden wir mehr und mehr ‘Risikoaktiva‘ sehen, darunter auch Projekte oder Investitionen, die von geliehenen Dollar rund um die Welt finanziert wurden, die Schritt für Schritt deutlich an Wert einbüßen werden. Öl ist nur der Anfang dieser Schlappe und muss im Rahmen eines größeren Bildes betrachtet werden.
  1. Länder mit langsamen bis negativen Wirtschaftswachstum, die eng an Rohstoffen ausgerichtet sind – allesamt in US-Dollar eingepreist –, werden ebenfalls Schritt für Schritt eingerissen werden. Schauen Sie sich die jüngsten Beispiele an: Russland, Nigeria und Venezuela auf der einen Seite. und Brasilien, die Türkei und Indonesien auf der anderen.
  1. Die größere Geschichte hier dreht sich nicht um einen launenhaften Ölpreisrückgang allein, es geht um eine massive Blase in mehreren Risikoanlageklassen durch geliehene Dollar, die Schritt für Schritt in einer Kaskade explodieren. Das letzte Mal war es einen Immobilienblasencrash in den Jahren 2007-2009. Dieses Mal ist es eine außer den US-Dollar alle Anlageklassen einbeziehende Blase. Ist nicht Öl bloß der Kanarienvogel in der Kohlenzeche?“

Dergleichen las ich hier.

Moody’s Analytics geht derweilen davon aus, dass sich der Ölpreis kräftig erholen wird. Ende 2015 könne er bei 80 Dollar stehen.

Wie die Herrschaften darauf kommen? Schauen Sie hier.

Und auf Platz 1 bringe ich die Kunde dar, dass Alexander Mercouris jüngst ein paar vorzügliche Analysen geschrieben hat, von denen die über die Herabstufung der Kreditwürdigkeit Russlands durch Fitch und die bizarren Ausschläge der amerikanischen Diplomatie nach Russland hin herausragen. In ihnen schwingt die explizite und implizite Schlußfolgerung mit, dass dem State Department und dem Weißen Haus immer mehr Hebel aus der Hand fallen.

In der Analyse der Herabstufung verwendet der Autor viel Argumentenmühe, um gerade den Dampfwalzen-Spin aus den Phantasien eines Ambrose Evans-Pritchard vom “Telegraph“ herauszunehmen – und Fitch dabei zu überführen, dass die dortigen Leute kaum mehr leisten als den üblichen Analystenpitch.

Lesen Sie dazu hier “Russia Credit Rating Downgrade Is Blatantly Political – Here’s Why”.

Aus dem Versiegen und Versagen der Finanzkriegsmunition ergibt sich das Bizarre und das Oszillierende einer „Diplomatie“, die schon fast post-klassisch, post-imperial zu nennen ist:

“Seltsamerweise scheinen die USA sogar zu erwarten, dass Russland den USA Hilfe bereitstellt, selbst wenn die USA Russland weiterhin ‘bestrafen‘ und unhöflich sind. Nichts veranschaulicht das außergewöhnliche Gefühl des Anspruchs mehr, das hinter so vielen der Probleme steckt, die mit der US-Politik verbunden sind, als dieses seltsame Denken. Es überrascht nicht ob seiner Existenz, dass die USA ratlos und wütend weggehen, wenn Russland nein sagt.

Leider bedeutet dies, dass zumindest die kurzfristigen Beziehungen zwischen den USA und Russland wahrscheinlich eher weiterhin schlimmer, statt besser werden.

In einer Situation, in der die USA sowohl die Hilfe Russlands benötigen als auch glauben, darauf einen Anspruch zu haben, ohne bereit zu sein, Zugeständnisse zu machen, ist die wahrscheinlichste Antwort, wenn sich Russland weigert, Hilfe zur Verfügung zu stellen, dass die USA den Druck auf Russland erhöhen werden, um Russland so zu zwingen, den USA die Hilfe zu geben, die sie haben wollen.

Es gibt leider auch die sehr reale Möglichkeit, dass die USA, zunehmend mit einer russischen Regierung verärgert, die sich zu tun weigert, was sie getan haben wollen, versuchen werden, die Regierung zu einer zu ändern, die den USA besser geeignet scheint.

Das immerhin ist das ständige Verhalten der USA gegenüber Russland und anderen Orten gewesen. Dass ein solcher Ansatz Beziehungen nur verschlimmern kann, ist nichts, das die USA in der Vergangenheit davon abgehalten hat oder das es jetzt tun wird.“

Lesen Sie dazu wiederum hier unter “US Wants End to Standoff, but for Russia to Make All the Concessions. Moscow Stays Cool”.

Wenn Sie etwas Zeit haben und darauf aus sind, einem herausragenden US-Gelehrten zur Ukrainekrise und den Neuen Kalten Krieg zuzuhören, sind Sie hier bei diesem 40 minütigen Podcast mit Stephen F. Cohen richtig.

Zuletzt noch das Musikstück der Woche: MILES DAVIS – It Never Entered My Mind.

In dem Sinne, ganz der Ihre,

Lars Schall.

 

 

 

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