Die heutigen “Eliten“ der US-amerikanischen Außenpolitik denken selten die gefährlichen Folgen ihrer „Harte Kerle“-Handlungen durch, wozu auch der neue Plan zur Stiftung wirtschaftlichen und politischen Chaos‘ in Russland gehört, eine „Strategie“, die gleichsam nach Europa überstrahlt, wie der US-Historiker Jonathan Marshall erklärt.
Von Jonathan Marshall, Übersetzung Lars Schall
Die nachfolgende Übersetzung für LarsSchall.com wurde von Jonathan Marshall ausdrücklich und persönlich genehmigt. Der Artikel erschien am 19. Januar im englischen Original unter der Überschrift “Risky Blowback from Russian Sanctions“ hier auf der US-Website Consortiumnews.
Jonathan Marshall ist ein unabhängiger Gelehrter, der in der San Francisco Bay Area lebt. Er studierte Geschichte an der Stanford University, der University of Sussex und Cornell. Danach war er im Journalismus tätig und hat Hunderte von Artikeln in Zeitschriften und Zeitungen wie New York Times, Wall Street Journal und Washington Post veröffentlicht. Jahrelang war er darüber hinaus Wirtschaftsredakteur beim San Francisco Chronicle. Seine wissenschaftlichen Artikel erschienen im Journal of American History, Journal of Policy History, Crime, Law and Social Change, Journal of Intelligence History, Middle East Report, Bulletin of Concerned Asian Scholars und in anderen Fachzeitschriften.
Marshall ist ferner der Autor von fünf Büchern: The Lebanese Connection: Corruption, Civil War, and the International Drug Traffic (Stanford University Press, 2012); Cocaine Politics: Drugs, Armies, and the CIA in Central America (University of California Press, 1991/98 mit Peter Dale Scott); To Have and Have Not: Southeast Asian Raw Materials and the Origins of the Pacific War (University of California Press, 1995); Drug Wars: Corruption, Counterinsurgency, and Covert Operations in the Third World (Cohan & Cohen, 1991); und The Iran-Contra Connection (South End Press, 1987, mit Peter Dale Scott und Jane Hunter).
Das Rückstoß-Risiko der Russland-Sanktionen
von Jonathan Marshall
Im vergangenen Monat, als Präsident Barack Obama sich vorbereitete, härtere Sanktionsgesetze zu unterzeichnen, die sich gegen Russland richteten, prahlte der Top-Ökonom des Weißen Haus Jason Furman, dass der Wirtschaftskrieg des Westens Russland bereits in die Knie zwinge.
„Wenn ich der Vorsitzende von Präsident (Wladimir) Putins Rat der Wirtschaftsberater wäre, würde ich sehr besorgt sein“, sagte Furman. Erklärend, dass Putin und sein Kreis „in der Wirtschaftspolitik in der Klemme sitzen“, krähte Furman, dass „die Kombination unserer Sanktionen, die Unsicherheit, die sie für sich selbst mit ihren internationalen Aktionen geschaffen haben, und der fallende Ölpreis ihre Wirtschaft an den Rand einer Krise bringt.“
Die bedrohliche Lage der russischen Wirtschaft ist nicht zu leugnen. Einen Monat zuvor hatte Russlands Finanzminister Anton Siluanov vorausgesagt, dass die Sanktionen und niedrigeren Ölpreise die russische Wirtschaft bis zu 140 Milliarden US-Dollar kosten würden, gleichbedeutend mit etwa 7 Prozent des BIP. Im Laufe des Jahres 2014 verlor der Rubel 46 Prozent an Wert, nur um weitere 7 Prozent am ersten Handelstag 2015 zu fallen. Russlands Zentralbank schätzt, dass das Land im letzten Jahr Nettokapitalabflüsse von 134 Milliarden US-Dollar erlitt, die Bühne für eine schmerzhafte Depression bereitend.
„Wir gehen durch eine schwierige Phase, durch schwierige Zeiten im Moment“, räumte Putin gegenüber einer großen Gruppe internationaler Reporter nur Tage später nach Furmans Kommentaren ein.
Doch wie uns Wissenschaftler und Experten seit Jahren gesagt haben, in der heutigen globalisierten Welt bleibt kein großes Problem – wirtschaftlich, politisch oder militärisch – für lange Zeit lokal begrenzt. Russland für seine Annexion der Krim und seine anhaltende Unterstützung für die ukrainischen Rebellen zu bestrafen, wird wahrscheinlich eine Vielzahl unbeabsichtigter und kostspieliger Folgen für die Vereinigten Staaten und Europa erzeugen.
Im Gegensatz zu einigen Zielen von US-Sanktionen wie Kuba oder Nordkorea, ist die russische Wirtschaft groß genug, um ins Gewicht zu fallen. Ihr freier Fall könnte auch die prekären Volkswirtschaften der EU einen Teil des Weges mit sich nach unten ziehen.
Von Bloomberg gefragt, ob die Welt eine finanzielle Ansteckung sehen könnte, die aus Russlands wirtschaftlicher Misere resultierte, sagte West Shore Funds Chief Global Strategist James Rickards: „Ich denke, das werden wir. Dies ähnelt 1997-1998 mehr als es der 2007-8-Panik ähnelt. Denken Sie daran, dies begann in Thailand im Juni 1997, verbreitete sich dann nach Indonesien, dann nach Südkorea, an beiden Orten floss Blut auf den Straßen, Menschen wurden in Unruhen getötet, dann breitete es sich nach Russland aus. . . . Es war das klassische Beispiel einer Ansteckung. “
Rickards fügte hinzu: „Es gibt eine Menge an in Dollar lautenden Unternehmensanleihen [in Russland], die sie möglicherweise nicht zu zahlen in der Lage sind. . . . Wenn das Zeug ausfällt, wer besitzt es? Nun, es wird von US-Investmentfonds-Anlegern gehalten, es steckt in 401-Altersvorsorgepläne, einiges davon in europäischen Banken. Wenn Sie Banco Santander besitzen und Banco Santander hat eine große Masse russischer Unternehmensanleihen, wie geht es aus? Sie können mit dem Finger auf die Russen zeigen, aber wenn die Schulden untergehen, werden sie zurückkommen, um uns zu verfolgen. “
Das ist kaum eine randständige Sorge. Thomas Friedman hat auch Alarm geschlagen: „Russlands Niedergang ist schlecht für die Russen, aber das bedeutet nicht, dass er gut für uns ist. Wenn die Welt so miteinander verbunden und voneinander abhängig ist, erhält man einen strategischen Rückstoß: Ihre Freunde können Ihnen durch Misswirtschaft (siehe Griechenland) schneller als Ihr Gegner schaden.
Und dass Ihre Rivalen fallen (siehe Russland und China), kann gefährlicher sein, als dass Ihre Konkurrenten aufsteigen. Wenn Russland, eine Wirtschaft in neun Zeitzonen, in eine Rezession gerät und seine ausländischen Kreditgeber mit seinen niedrigen Öleinnahmen nicht bezahlen kann –und all dies führt zu politischen Unruhen und Zahlungsunfähigkeiten westlicher Banken –, wird dieser Crash weltweit zu spüren sein.“
Europas Zweifel
Europäische Politiker scheinen ihre Meinung darüber, wie weise es ist ein ökonomisches Feiglingsspiel zu spielen, wenn ihre eigenen Volkswirtschaften so schwach sind, zu ändern. Österreichische, französische, deutsche und italienische Führer, die sich bei einem Gipfel in Brüssel im Dezember trafen, warnten alle, dass Russlands Finanzkrise auf ihre eigenen Volkswirtschaften zurückfallen könnte.
„Das Ziel war nie, Russland politisch und wirtschaftlich ins Chaos zu stürzen“, sagte Deutschlands Vizekanzler Sigmar Gabriel.
In ähnlichem Geiste teilte der französische Präsident François Hollande einem Radio-Interviewer mit, dass Sanktionen – welche die Annullierung der Lieferung von zwei Mistral-Hubschrauberträgern an Russland miteinschlossen – sowohl unnötig als auch kontraproduktiv seien.
“Herr Putin will nicht die Ostukraine annektieren „, sagte Hollande. „Was er will, ist einflussreich bleiben. Was Putin will, ist, dass die Ukraine nicht NATO-Mitglied wird.“ Was die Sanktionen anging, sagte Hollande: „Ich bin nicht für die Politik der Zielerreichung, indem man die Dinge noch schlimmer macht. Ich denke, dass die Sanktionen jetzt aufhören müssen.“
Solche Bedenken brachten den Kongress im vergangenen Monat nicht davon ab, einstimmig strenge neue Verbote für Finanz- und Technologietransfers zu verabschieden – zusammen mit 350 Millionen US-Dollar an Waffen und militärischer Ausrüstung für die Ukraine und 90 Millionen US-Dollar für Anti-Putin-Propaganda und politische Aktivitäten in Russland. Der ehemalige Kongressabgeordnete Dennis Kucinich wies darauf hin, dass dieses bedeutsame Gesetz im Repräsentantenhaus spät in der Nacht mit nur drei anwesenden Mitgliedern verabschiedet wurde.
Vorsicht bei dem, was man wünscht
Der leichtfertige Einsatz von Sanktionen gegen Russland und jede Menge anderer internationaler Ziele könnte ironischerweise zurückspringen, um die Vereinigten Staaten durch die Untergrabung genau der neoliberalen Prinzipien zu verfolgen, die sie Jahrzehnte lang verfochten hatten, um die US-wirtschaftliche Expansion zu untermauern.
Putin klang eher wie ein Führer der Trilateralen Kommission als ein Ex-KGB-Offizier, als er im Herbst letzten Jahres warnte:
„Die Sanktionen untergraben bereits die Grundlagen des Welthandels, die WTO-Regeln und den Grundsatz der Unantastbarkeit des Privateigentums. Sie versetzen [dem] liberalen Modell der Globalisierung, das auf Märkte, Freiheit und Wettbewerb basiert, einen Schlag, was, das lassen Sie mich bitte feststellen, ein Modell ist, das in erster Linie gerade die westlichen Länder bevorteilte.
Und jetzt riskieren sie Vertrauen als die Führer der Globalisierung zu verlieren. Wir müssen uns fragen, warum war das notwendig? Schließlich beruht der Wohlstand der Vereinigten Staaten zu einem großen Teil auf dem Vertrauen von Investoren und ausländischen Inhabern von US-Dollar und US-Wertpapieren. Dieses Vertrauen ist eindeutig untergraben und Zeichen der Enttäuschung über die Früchte der Globalisierung sind nun in vielen Ländern sichtbar.“
Ian Bremmer, Präsident der Eurasia Group und Außenpolitik-Kolumnist für das Magazin Time, ließ Putins Kommentare in seinem jüngsten weltweiten Gutachten “Top Risks 2015” widerhallen, welches warnte, der „amerikanische Unilateralismus schürt gefährliche Tendenzen“ auf der ganzen Welt. „Ich bin weitab davon, ein Pessimist zu sein, aber zum ersten Mal seit dem Beginn der Firma im Jahr 1998 fange ich an, einen ernsthaften Unterton geopolitisch banger Vorahnung zu fühlen.“
Im Hinblick auf die wirtschaftlichen Sanktionen beobachtete Bremmer: „Die wichtigste kurzfristige Herausforderung ist der Schaden, der den transatlantischen Beziehungen zugefügt wurde. Europa wird von einem amerikanischen Unilateralismus noch frustrierter werden, für den Europa (und europäische Banken) zu bezahlen haben. Auch könnten die USA neue Sanktionen gegen Russland und / oder Iran draufschlagen, eine Gegenreaktion im Jahr 2015 hervorrufend.
Auf längere Sicht jedoch werden sich andere vom Verlass auf den Dollar und US-dominierten Institutionen wegdiversifizieren, vor allem in Ostasien, wo China die Muskeln und das Motiv hat, seine eigenen Institutionen zu erschaffen, und wo es weniger auf Dollar lautende Schulden gibt, um den Prozess zu erschweren. . . .
Und eine fette Sorge für das Jahr 2015, ebenfalls verbunden mit dem Aufstieg der strategischen Sektoren: Regierungen, die mit Sanktionen belegt werden, werden Unternehmen, die sich an sie halten, zunehmend als Instrumente der amerikanischen Macht behandeln. Das wird diese Unternehmen einem erhöhte Risiko von Vergeltungsmaßnahmen aussetzen – von regulatorischen Belästigungen hin zu Vertragsdiskriminierungen und Cyber-Angriffen. Der US-Finanzsektor ist besonders anfällig hinsichtlich dieser Aufzählung. “
Politische Auswirkungen
Die langfristigen Folgen solcher Sanktionen könnten weit über die Kosten unsere eigene Volkswirtschaft und die anderer westlicher Länder hinausgehen. Die amerikanisch-russische Zusammenarbeit in der Rüstungskontrolle ist bereits gefährdet worden. An die Wand gedrückt, könnte Russland es ablehnen, seine wesentliche Zusammenarbeit bei Versorgungskorridoren in Afghanistan, den iranischen Atomverhandlungen und einer politischen Lösung in Syrien fortzuführen – die allesamt in jeder rationalen Prioritätenliste weit höher als das Schicksal der Ostukraine rangieren.
Wie Bremmer warnte: „Ein Kreml, der sich bekämpft und isoliert fühlt, aber nicht wesentlich eingeschränkt, ist eine gefährliche Aussicht. Ein aggressives revisionistisches, doch immer schwächer werdendes Russland wird ein volatiler Akteur auf der internationalen Bühne im Jahre 2015 sein, was ein Top-Risiko für die westlichen Regierungen und Unternehmen im Laufe des Jahres darstellt.“ Er sagte die Möglichkeit für mehr Stealth Cyber-Angriffe, Konfrontation mit der NATO und eine engere Verbindung zwischen Russland und China auf Kosten des Westens voraus.
Wenn, wie viele Russen glauben, ein Regimewechsel das eigentliche Ziel der Sanktionen ist – so wie Präsident Richard Nixon einen Militärputsch gegen Chiles Salvador Allende förderte, indem er politische Maßnahmen anordnete, um “die Wirtschaft aufschreien zu lassen”, sind sich die meisten Beobachter einig, der Westen könnte am Ende ein weitaus antagonistischeres Regime nach Putin erhalten.
Auf kurze Sicht entzünden Sanktionen natürlich einfach russischen Nationalismus und stärken Putins Popularität. Aber auf lange Sicht, beobachtete Russland-Experte Angus Roxburgh im Guardian: „Öl auf Klankriege des Kreml zu gießen, die wir kaum verstehen, wäre der Gipfel der Torheit. Wir haben keine Ahnung, was das Ergebnis sein könnte – und es könnte noch viel schlimmer als das sein, was wir derzeit haben.“
Je länger der Ukraine-Konflikt brodelt, desto mehr werden die Extremisten auf beiden Seiten gewinnen. Im vergangenen September in The Moscow Times schreibend, stellte Natalia Yudina fest, dass „eine bedeutende Anzahl von rechtsgerichteten russischen Radikalen jetzt aktiv in der Ukraine kämpfen. Während sie vorher in sozialen Netzwerken, historischen Kriegsschaukampf-Gruppen und allen Arten von quasi-militärischen Trainingslagern teilgenommen haben, gewinnen sie jetzt reale Kampferfahrung.
Nach Abschluss des Konflikts werden die meisten unweigerlich nach Russland zurückkehren, wo ihre langjährigen Träume von der Inszenierung einer ‘russischen Revolte“ oder ‘weißen Revolution‘ nicht mehr so schwierig zu erzielen scheinen werden. Und das bedeutet, dass eine weitere Folge dieses Kriegs eine scharfe Eskalation der Tätigkeit von Rechtsradikalen sein wird – nur dieses Mal in Russland selbst.“
Ohne Kristallkugel besitzen wir keine Möglichkeit zu wissen, ob der neuen Kalten Krieg mit Russland auftauen oder tiefer gefrieren wird. Aber es scheint klar, dass Wirtschaftssanktionen und die politische Konfrontation um das Schicksal der Ostukraine die Risiken für die globale Ordnung vergrößern, die in keinem Verhältnis zu echten amerikanischen und westlichen Interessen stehen.
Es ist daran zu erinnern, nachdem das Hundertjahrjubiläum des Ersten Weltkrieges gerade vergangen ist, dass ein wirtschaftlicher Zusammenbruch und soziale Störungen wahrscheinlicher die Samen von Extremismus und Konflikt säen, als die Welt für die Demokratie sicher zu machen. Wenn Politiker die Geschichte für politische Orientierung anschauen, wären sie gut beraten, eher die Lehren von Versailles zu untersuchen, statt auf jene von München fixiert zu bleiben.
Fragen :
Kann Russland, das ein Drittel der weltweiten Schätze diese Erde besitzt überhaupt
getroffen werden ?
Es hat ja noch nicht mal bei Winzlingen wie Kuba, Syrien, Nord Korea, Iran geklappt, oder ?
Glaubt irgend ein Stammtischschwätzer noch ernsthaft, dass Währungsveränderungen was mit realem Wohlstand oder realer Armut zu tun haben ?
Wieso steigt die saudische oder USA Währung denn, wenn allesvom Öl abhängt ?
Wieso soll ein steigender Franken, die chinesische Stabilität, die Rubelabwertung auf einmal schädlich sein ?
Sind das nicht alles bildungsferne Experten, die Ende der 90ger in Dotcom blasen, dann in Schrottimmobilien und später in riskante Bankblasen investierten ?
Empfehlen diese Dumpfbacken nicht heute schon wieder Betongold ?
Wie aufregend…..gähn!