Die Täter der Anthrax-Angriffe von 2001 sind noch immer auf freiem Fuß

In diesem vollständig ins Deutsche übersetzten Podcast-Interview spricht Lars Schall mit Dr. Graeme MacQueen, dem Gründungsdirektor des Zentrums für Friedensforschung an der McMaster University in Kanada. Thema der Diskussion: die Recherchen, die MacQueen für sein Buch “The 2001 Anthrax Deception: The Case for a Domestic Conspiracy” betrieben hat. Darüber hinaus befassen sie sich mit der Tatsache, dass der 9/11-Kommissionsbericht im innersten Kern auf Foltergeständnissen basiert.

Von Lars Schall

Graeme MacQueen erhielt seinen Ph.D. in Buddhist Studies von der Harvard University und arbeitete als Religionswissenschaftler über 30 Jahre lang an der McMaster University. Während dieser Zeit wurde er Gründungsdirektor des Zentrums für Friedensstudien an der McMaster University. Er begleitete Friedensförderprojekte in Sri Lanka, Gaza, Kroatien und in Afghanistan. Graeme MacQueen war Mitglied des Organisationskomitees der “Toronto Hearings“ zum 10. Jahrestag von 9/11, und er ist Mitherausgeber des „Journal of 9/11 Studies„. Einen Überblick zu MacQueens Buch „The 2001 Anthrax Deception: The Case for a Domestic Conspiracy“ finden Sie hier. Hier können Sie des Weiteren eine Rezension von Professor Edward Curtin lesen.

Die Täter der Anthrax-Angriffe von 2001 sind noch immer auf freiem Fuß

Lars Schall: Hallo, ich bin jetzt mit Professor Graeme MacQueen verbunden, dem Gründungsdirektor des Zentrums für Friedensforschung an der McMaster University in Kanada. Hallo Graeme!

Graeme MacQueen: Hallo Lars!

Lars Schall: Sie haben ein Buch geschrieben, das 2014 von Clarity Press veröffentlicht wurde, und der Titel ist “The 2001 Anthrax Deception: The Case for a Domestic Conspiracy”. Die erste Frage wäre, warum denken Sie, dass das Thema der Milzbrand-Brief-Attacken, die während des Oktobers 2001 stattfanden, noch immer relevant ist?

Graeme MacQueen: Ich nehme an, es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, darauf einzugehen, aber eine Sache wäre zu sagen, dass der „Global War on Terror“ noch immer sehr stark unter uns weilt. Wir sehen die ganze Zeit mehr und mehr „Terroranschläge“ im Westen stattfinden, und uns wird gesagt, wir müssen mobilisieren, wir müssen Gesetze verabschieden, die unsere bürgerlichen Freiheiten weiter einschränken, wir müssen unsere Streitkräfte gegen diese und jene Gruppe, vor allem im Nahen Osten, vorbereiten und mobilisieren. Also, dieser ganze „globale Konfliktrahmen“, der der „globale Krieg gegen den Terror“ genannt wird, ist noch am Leben, ist nach wie vor von entscheidender Bedeutung, und daher sind die Gründungsakte dieses „globalen Kriegs gegen den Terror“ noch immer relevant. Und die beiden wichtigsten Gründungsakte dieser Phase des Krieges geschahen im Jahre 2001 im Herbst in den USA, namentlich die 9/11-Angriffe und die Anthrax-Anschläge, die ihnen direkt folgten.

Nun, die Anthrax-Anschläge sind meiner Meinung nach ein Verbrechen, das nicht gelöst wurde. Das FBI behauptet, es gelöst zu haben, aber ihre Beweisführung ist lächerlich schwach. Und das bedeutet, dass jemand anderer den US-Kongress, die Legislative der Regierung, mit einer Massenvernichtungswaffe angriff, und sie sind noch immer auf freiem Fuß, sie sind noch immer irgendwo da draußen. Das ist eine ziemlich große Sache. Dies sind einige der Gründe. Der andere Grund, würde ich sagen, warum wir das immer noch studieren müssen, ist, weil die Anthrax-Anschläge nicht für sich selbst stehen – sie sind mit den 9/11 Angriffen verbunden. Ich behaupte in meinem Buch, dass diese zwei Angriffsserien in Wirklichkeit verschiedene Teile einer einzigen Operation waren. Und deshalb müssen wir bedenken, wenn wir die Anthrax-Anschläge lösen können, könnten wir in der Lage sein, die 9/11-Angriffe zu lösen.

Lars Schall: Auf welche Weise waren die Anthrax-Anschläge mit 9/11 verbunden?

Graeme MacQueen: Zuerst einmal nahmen in den USA eine Menge Leute, tatsächlich die meisten Leute anfänglich an, dass sie miteinander verbunden waren. Das ist ein guter Anfangspunkt, denn manchmal denken die Leute heutzutage, man sage etwas schrecklich Neues und Kontroverses, wenn man sagt, dass sie verbunden waren, aber es wurde angenommen, dass sie verbunden waren. Immerhin passierten diese schrecklichen 9/11-Angriffe, und dann, wie wir später entdeckten, begannen Leute etwa eine Woche später Anthrax in Briefen zu verschicken. Nun, so scheint es nur natürlich, dass es sich um eine Art Rechts-Links-Punch handelt, mit anderen Worten, zwei Phasen eines einzigen Angriffs, und dass die Menschen, die 9/11 verübten, nun mit Phase zwei nachlegten.

Dies wurde angenommen, und es gab gute Gründe, dies anzunehmen. Ich meine, als die Leute schließlich ein paar dieser Anthrax-Briefe öffneten und sie lasen, sagte wer immer sie schrieb im Grunde, wir sind die gleichen Leute, die Euch an 9/11 angegriffen haben. Das Datum 9/11 steht direkt oben auf dem Brief, und dann fahren sie fort mit Sachen wie: „Tod für Amerika“, „Tod für Israel“, „Allah ist groß“, und all die verschiedenen Drohungen. Wir wissen aufgrund einer Umfrage, die durchgeführt wurde, dass über die Hälfte der US-Bevölkerung dachte, dass wahrscheinlich al-Qaida die Täter hinter diesen Angriffen im Oktober des Jahres 2001 waren, und so auch das Heimatschutzministerium und das Weiße Haus. Ich denke, es ist wichtig, sich daran zu erinnern. Was ich zu tun versuche, ist nicht mit einer ausgefallenen neuen Theorie daherzukommen, dass diese Angriffe verbunden waren – ich versuche, wieder zu verbinden, wovon wir zunächst annahmen, dass es verbunden war. Das FBI ist sehr darum bemüht, es uns nicht verbinden zu lassen.

Lars Schall: Ich nehme an, die Medien spielten eine Rolle beim Verbinden der Anthrax-Anschläge mit 9/11, und so können die Leute einfach zurückgehen und sich die Artikel durchlesen, richtig?

Graeme MacQueen: Das ist korrekt, es gibt viele Artikel, und noch einmal, die Gründe schienen gut zu sein. Die Anthrax-Briefe schienen aus den gleichen Regionen des Landes zu stammen, von denen bekannt war, dass sich die so genannten 19 Flugzeugentführer dort aufgehalten hatten. Die gleichen Städte, nämlich New York und Washington, wurden in den Anthrax-Anschlägen angegriffen, wie sie zuvor in den 9/11 Angriffen angegriffen worden waren, und dann gibt es wirklich eine ganze Menge von Hinweise, die ich Indizien nennen würde, aber für mich überzeugende – das heißt, wenn man genug Indizien hat, kann das überzeugend sein, und die meisten davon kreisen um die 19 Flugzeugentführer – die Kerle mit arabischen Namen, die angeblich an 9/11 Flugzeuge entführten. Als ich die Anthrax-Anschläge zu studieren begann, wäre ich nie darauf gekommen, dass sich diese 19 Flugzeugentführer im Zusammenhang mit den Anthrax-Brief-Anschlägen zeigen würden, aber tatsächlich tun sie das. Zum Beispiel gibt es ein paar [Entführer-] Kerle in Florida, Marwan al-Shehhi und Saeed al-Ghamdi, die eine Immobilienmaklerin namens Gloria Irish hatten, die sich als direkt mit den Anthrax-Anschlägen zusammenhängend erweist. Ihr Mann arbeitet am ersten Ort, der in Florida mit Anthrax angegriffen wird. Man stutzt, wie kann das sein, dass es hier eine direkt verknüpfende Person zwischen Anthrax und 9/11 gibt? Man schaut sich das also eingehender an und findet eine ganze Reihe von Ereignissen, Technologien und das, was ich Szenarien nennen würde, die beide Dinge miteinander verbinden. Dies ist im Wesentlichen Szenario-basierte Politik; jemand ist rumgegangen und sie haben sich ausgedacht, was wir dramatische Episoden oder Szenarien nennen könnten.

Lars Schall: Nun, es gab ein Szenario, denke ich, das mit der Frage zu tun hat, ob es Bedenken wegen Anthrax gab, bevor die Anthrax-Anschläge stattgefunden hatten. Ich beziehe mich hier auf „Dark Winter“. Können Sie darüber sprechen, bitte?

Graeme MacQueen: „Dark Winter“ war eine militärische Übung oder Simulation, wie sie das Militär die ganze Zeit durchführt – was würden wir tun, wenn das und das passiert? Lasst es uns simulieren, lasst uns eine Übung machen. Das geschah im Juni des Jahres 2001, ein paar Monate, ehe die eigentlichen Anthrax-Anschläge auftraten. Sie fand auf der Andrews Air Force Base statt [geplant / durchgeführt vom Johns Hopkins Center for Civilian Biodefense Strategies / Center for Strategic and International Studies], und sie sollte eine Biowaffen-Angriff auf die Vereinigten Staaten simulieren. Nun, in der Juni-Übung namens „Dark Winter“ waren es Pocken nicht Anthrax, aber es gab eine Reihe von sehr auffälligen Ähnlichkeiten zwischen dieser Übung und den wirklichen Ereignissen, tatsächlich habe ich 10 in meinem Buch aufgelistet. Ich werde nur einige von ihnen hier nennen.

Zunächst einmal beinhalteten die „Dark Winter“-Angriffe, dass anonyme Briefe an die Medien verschickt wurden – das ist interessant, weil das natürlich genau das ist, was passierte, als die Anthrax-Anschläge begannen. Zweitens wird Osama bin Laden fast sofort als Verdächtiger genannt. Wie interessant ist das? Dies ist deutlich vor 9/11, und natürlich wird er unmittelbar nach 9/11 als möglicher Verdächtiger erwähnt, als die Anthrax-Anschläge beginnen. Drittens stellt sich in der „Dark Winter“-Übung heraus, dass von einer Gruppe, die in Afghanistan ansässig ist – sie beziehen sich deutlich auf al-Qaida –, gesagt wird, dass sie diese Biowaffe geliefert habe, und von ihnen wird gesagt, dass sie diese aus dem Irak erworben hätten. Dieser gleiche Doppel-Täter zeigt sich [als Verdächtiger] in den Anthrax-Anschlägen. Sehr, sehr energisch versuchten uns US-Behörden im Oktober 2001 glauben zu machen, dass al-Qaida diese Briefe geliefert habe, dass sie die Anthrax-Sporen aber von ihren staatlich Lieferanten, nämlich dem Irak, erhalten hätten. Drum dachte ich, dass es faszinierend war, dass sich die gleichen zwei Täter im Juni zeigten.

Eine weitere Ähnlichkeit wäre die Einschränkung der bürgerlichen Rechte. In der „Dark Winter“-Übung wird gesagt, nun, wir müssen möglicherweise eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Einschränkung der Rechte der US-Bürger verhängen – Rechte auf Versammlungsfreiheit, Reisebeschränkungen, die Aussetzung eines fairen Verfahrens bei Festnahme und Untersuchung, die Möglichkeit der Verwendung von Militärprozessen statt von Zivilprozessen. Und natürlich ist eine Menge von diesen Dingen wirklich passiert, und das wurde wiederum im Oktober energisch angeschoben – es wurden der Patriot Act verabschiedet und die NSA begann das Massenausspionieren von Zivilisten. Und dann spielen schließlich einige der Leute, die an der Simulation teilnahmen, ein paar Monate später eine wichtige Rolle – tatsächlich weniger als drei Monate später, als die wirklichen Anthrax-Anschläge begannen. Und in meinem Buch gab ich Beispiele für einige dieser Leute. Man kann nicht anders als sich wundern, ob „Dark Winter“ zu einem gewissen Grad eine Einübung für das war, was sie dann zu tun fortführten.

Lars Schall: Ich möchte Sie zu einer Teilnehmerin befragen, Judith Miller von der New York Times. Können Sie etwas über ihren Fall sprechen?

Graeme MacQueen: Judith Miller spielte eine Rolle in „Dark Winter“ – sie spielte eine Reporterin, was natürlich genau das ist, was sie war. Sie war eine bekannte New York Times-Reporterin, und in den nächsten Jahren spielte sie im Vorfeld der Invasion im Irak eine wichtige Rolle – in der Tat begann sie damit einige Jahre vor 2001 und setzte das bis zu der Invasion des Irak fort, nämlich den Irak für alle Arten von Straftaten verantwortlich darzustellen. Sie hatte mit zwei anderen Personen ein Buch mit dem Titel “Germs” („Keime“) verfasst, das – schönes Timing – im Oktober des Jahres 2001 herauskam, zur gleichen Zeit, als der Patriot Act durch den Kongress gedrückt wurde – ein Buch, das über die Gefahr von Angriffen mit Biowaffen und den Irak spricht. Sie stellt ständig den Irak hin. Sie spielte eine sehr wichtige Rolle bei der Mobilisierung der US-Bevölkerung gegen den Irak.

Sie und ihre Kollegen sprechen in diesem Buch auch über die Tatsache, dass der Irak die USA vielleicht nicht direkt mit einer Biowaffe angreifen würde, sondern dass sie einen Stellvertreter nutzen könnten, dass sie in anderen Worten eine andere Gruppe benutzen könnten, einen Mittelsmann, um das auszuführen. Nun, wissen Sie was, das ist die Geschichte, die im Oktober beginnt vorgebracht zu werden, und Judith Miller spielt eine Rolle dabei – namentlich, dass al-Qaida dies getan habe, aber sie hätten es aus dem Irak bekommen, so dass wir letztlich Afghanistan angreifen müssen, denn das ist der Ort, an dem al-Qaida ansässig ist, und wir müssen den Irak angreifen. Miller steckt wirklich mittendrin in den Dingen. Und zu guter Letzt bekommt sie im Oktober auch noch ihren eigenen Brief an ihr New York Times-Büro mit Pulver und einer Warnung geschickt. Es stellt sich heraus, es ist nicht wirkliches Anthrax, es ist gefälschtes Anthrax, aber aus Gründen, auf die ich hier nicht eingehe – sie sind ziemlich technischer Art –, glaube ich nicht, dass das ein zufälliger Brief war, der von jemand geschickt wurde, der ihre Berichterstattung nicht mochte; ich glaube, dieser Brief war direkter Teil der Anthrax-Anschläge, er war Teil der Operation. Und natürlich, als sie den Brief bekam, gab ihr das die Chance zu sagen, oh je, ich bin attackiert worden, und es half dabei, ihr Buch zu einem Bestseller zu machen, und so ist sie ganz offen gesagt ein sehr verdächtiger Charakter. Sie trägt einen Teil der Verantwortung für die Invasion des Irak, und da ist sie bereits im Juni 2001, einige dieser Sachen in „Dark Winter“ übend.

Lars Schall: Ein anderer Teilnehmer war Jerome Hauer. Wer ist das, und warum ist er von Interesse?

Graeme MacQueen: Jerome Hauer ist eine Art komplexer Charakter. Er hatte eine Ausbildung in Biowaffen-Attacken / Biowaffen-Kriegsführung an der Johns Hopkins University, mit der er verbunden bleibt. Er hat auch eine direkte Verbindung zu den 9/11-Angriffen, weil er der Typ ist, der Giulianis Notfall-Büro im World Trade Center Gebäude 7 geleitet hatte, welches angeblich alle Arten von Notfällen für New York, einschließlich Terroranschläge, handhaben sollte. Er war für einige Jahre dessen Leiter gewesen; nicht an 9/11 selbst, soweit ich mich erinnere, trat er eine Weile davor zurück und war ersetzt worden. Aber er spielte eine wichtige Rolle bei der ganzen Operation, und einige sagen, dass er eine Rolle dabei gespielt habe, sicherzustellen, dass sie im World Trade Center Gebäude 7 untergebracht wurde.

Nun wissen wir natürlich, was damit passierte; es wurde an 9/11 sofort verlassen – und das ganze Gebäude fiel zusammen, World Trade Center 7, ohne von einem Flugzeug getroffen worden zu sein. An 9/11 ist Hauer im Fernsehen und sagte, na ja, wissen Sie, ich habe einige Berichte gehört, wonach World Trade Center 7 instabil ist – und nun, wenig später kommt es herunter. Das ist schon sehr suspekt, ganz abgesehen von den Anthrax-Anschlägen. Kein [großes] Gebäude ist jemals in der Geschichte von Feuer [auf diese Weise] heruntergebracht worden; und doch ist hier Hauer, der es ein paar Stunden zuvor vorhersagt. Er spielte eine ähnliche Rolle in den Anthrax-Anschlägen, indem er Muslime verantwortlich machte und unerbittlich den „globalen Krieg gegen den Terror“ antrieb, dabei helfend, diesen neuen Rahmen zu schaffen. Herauszufinden, dass sich Jerome Hauer in der „Dark Winter“-Übung im Juni zeigt, war also eine weitere aufschlussreiche Erfahrung für mich. Ein weiterer verdächtiger Kerl, der in beiden Teilen der Operation im Herbst 2001 eine Rolle spielte.

Lars Schall: War Jerome Hauer auch Teil von TRIPOD II, dieser Kriegsspiel-Übung, die für den 12. September in New York geplant war, aber bereits an 9/11 vorbereitet wurde?

Grame MacQueen: Das stimmt, das wurde sie. Barbara Honegger hat darüber gesprochen. Ich habe TRIPOD II nicht studiert, ich kann es somit nicht sagen. Ich vermute, er war ein Teil davon, aber ich bin mir nicht ganz sicher.

Lars Schall: OK. Lassen Sie uns nun über die Anthrax-Anschläge reden. Wie trugen sie zur Verabschiedung des Patriot Act bei?

Graeme MacQueen: Ich denke, der einfachste Weg, dies zu beantworten, wäre zu sagen, dass dem Kongress an 9/11 Angst eingejagt wurde. Sie flohen vom US Capitol und verstreuten sich überall, weil es hieß, dass ein Flugzeug auf sie zusteuere. Und sie wurden von diesem Zeitpunkt an in einem Zustand der Angst und Einschüchterung gehalten – tatsächlich vom 11. September bis Ende Oktober. Zuerst wurde ihnen gesagt, dass die Terroristen, die 9/11 verübten, es auf sie abgesehen hatten. Und dann machte das Wort über die Massenmedien und durch US-Geheimdienste die Runde, insbesondere durch das FBI, dass wir jetzt über einen zweiten Anschlag besorgt sein müssten – die Leute, die 9/11 verübten, werden wahrscheinlich noch etwas anderes tun, und sie könnten den Kongress angreifen.

Der Kongress ist also mit gelbem Absperrband umgeben und den Mitgliedern des Kongresses wird gesagt, dass sie in der Öffentlichkeit nicht ihre kleinen Anstecker und Pins tragen sollen, die sie als Mitglieder des Kongresses identifizieren, und sie sollen keine Kfz-Kennzeichen haben, die sie als Mitglieder des Kongresses identifizieren. Mit anderen Worten, sie müssen Angst haben, dass sie angegriffen werden könnten. Und diese Bedrohung wird dann immer spezifischer. Und denken Sie daran, dass ich jetzt über die Phase rede, bevor wir wissen, dass Anthrax versendet wird. Mit anderen Worten, wir haben nicht festgestellt, dass Anthrax im Spiel war, bis es am 3. Oktober 2001 zur ersten Diagnose kam. Aber zwischen 9/11 und dem 3. Oktober gab es bereits jede Menge Vorwarnungen zu Angriffen mit biologischen Waffen oder chemischen Waffen, und dass sie sich vor allem dazu entscheiden könnten, den Kongress anzugreifen. Der Kongress wurde also in diesem ständigen Zustand der Angst gehalten, und dies wurde ziemlich unverhohlen getan, da war nichts Subtiles dran. John Ashcroft, der Justizminister, teilte dem Kongress wiederholt mit, dass sie dieses neue Gesetz verabschieden müssten – welches schließlich der sogenannte Patriot Act wurde –, das die Bürgerrechte der Amerikaner einschränkt und Geheimdiensten mehr Befugnisse zum Spionieren gibt, ihr müsst es verabschieden und ihr müsst es sofort verabschieden, verbringt nicht zu viel Zeit mit dem Lesen oder um darüber nachzudenken, boxt es einfach durch, denn wenn ihr das nicht tut, werdet ihr schuldig sein, wenn wir angegriffen werden.

Sie hielten dies aufrecht, und dann wurde es sehr spezifisch, weil sich der Kongress nicht ganz so schnell bewegte, wie die Exekutive es wollte. Dick Cheney, der Vizepräsident, gab also bekannt, dass der 4. Oktober seine neue Frist sei. Er wollte diese neue Gesetzgebung sowohl vom Repräsentantenhaus wie auch vom Senat am Oktober 4 verabschiedet haben. Nun, am 2. Oktober rebellierten zwei demokratische Senatoren dagegen und sagten, dies ginge zu schnell. Ihre Namen waren Tom Daschle und Patrick Leahy. Und innerhalb von wenigen Tagen danach bekamen beide von ihnen Anthrax-Briefe geschickt.

Das ist das, was geschah, und so es ging es während des Oktobers hindurch weiter. Beispielsweise gab das FBI am 11. Oktober eine große Warnung über einen unmittelbar bevorstehenden Angriff bekannt. Und am gleichen Tag verabschiedete der Senat die Gesetzgebung. Das Ganze wurde dann schließlich am 26. Oktober von George Bush unterzeichnet, und er gab eine kleine Rede, in der er auf die Anthrax-Anschläge als etwas hinwies, über das sie besorgt waren. Die Verbindung zwischen dem Anthrax und der Verabschiedung des Patriot Acts ist von daher sehr, sehr eng.

Lars Schall: Wissen wir eigentlich, wer den Patriot Act geschrieben hat?

Graeme MacQueen: Nun, ich kann keine Namen der Personen geben, die ihn geschrieben haben, nein – aber eine Menge des Patriot Acts hatte es schon seit Jahren gegeben. Es gab einen Versuch, viele dieser Maßnahmen direkt nach den Bombenanschlägen von Oklahoma ein paar Jahre früher zu verabschieden. Der Kongress hatte dem widerstanden. Diese Gesetzgebung wurde bis zu dem Punkt abgeschwächt oder ausgeweidet oder abgelehnt, dass die Geheimdienste nicht die Befugnisse bekamen, die sie haben wollten. Und dieses Mal – d.h. nach 9/11 – schienen sie bestimmt gewesen zu sein, es durchzubekommen. Sie benannten es um, verpackten es neu, verstärkten es und rammten es wirklich so schnell durch, wie sie konnten. Denn die Forschung, die wir haben, legt nahe, dass die Leute, wenn sie durch ein Ereignis wie 9/11 oder Anthrax Angst haben oder traumatisiert sind, für eine Weile bestimmte Bürgerrechte aufgeben und ihre Zustimmung für Angriffskriege und so weiter geben werden, aber die Wirkung ist oftmals sehr vorübergehend. Ich glaube, das war einer der Gründe für die Anthrax-Anschläge; wenn man vorhat, nach 9/11 diesen Zustand der Spannung und Angst hochzuhalten, muss man einen weiteren Angriff haben und man muss die Menschen sich ängstlich und verletzlich fühlen lassen. Es ist durchaus möglich, dass, wenn die Anthrax-Anschläge nicht sofort auf die 9/11-Angriffe gefolgt wären, der Patriot Act erneut nicht durchgekommen wäre, weil die Demokraten im Senat in der Lage waren, die Gesetzgebung abzulehnen.

Lars Schall: Aber Sie erwähnen in Ihrem Buch, dass die beiden Senatoren im Grunde für den Patriot Act waren, sie wollten nur eine Verlangsamung des Prozesses.

Graeme MacQueen: Ja, als ich anfing, dies für mein Buch zu studieren, hatte ich gehört, wie die Leute sagten, dass Leahy und Daschle ins Visier genommen worden wären, weil sie den Patriot Act ablehnten. Ich schaute mir das näher an und fand, sie waren nicht gegen den Patriot Act. Ich werde ihnen keine Schuld anlasten – es ist wohl keine Überraschung, dass sie sich nicht vorstellen konnten, bin ich mir sicher, dass dieser Angriff von ihrer eigenen Regierung hatte kommen können. Aber unabhängig davon, ob sie zu tadeln sind oder nicht, Tatsache ist, dass sie die Gesetzgebung selbst befürworteten. Sie sagten, ja, 9/11 war eine schreckliche Sache, ja, wir brauchen dieses Gesetz, ja, wir arbeiten mit Ihnen zusammen, wir werden mit der Regierung zusammenarbeiten, wir werden mit dem Justizministerium zusammenarbeiten, wir werden Ihnen helfen, dies durch den Kongress zu bekommen. Aber sie waren nicht bereit, es komplett abzusegnen – sie wollten Teile davon verändern, sie wollten es überarbeiten, sie wollten es verlangsamen. Was ich denke, was passierte, war, dass Schlüsselpersonen in der Exekutive – die für die Anthrax-Anschläge verantwortlich waren – spürten, wenn dies verlangsamt wird, könnte es vielleicht gar nicht durchgehen. Denn sehr schnell begann gegen diese Patriot Act-Sache Widerstand zu wachsen, sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus, und in der breiten Bevölkerung, alle Arten von Gruppen, von links nach rechts, begannen sich zu organisieren und dem zu widerstehen. Ich denke, es gab ein Gefühl, dass wir uns sehr schnell bewegen müssen, um das durchzubekommen, oder wir bekommen es vielleicht nie durch. Und das ist der Grund, warum diese Jungs ins Visier genommen wurden, denke ich.

Lars Schall: Warum hat die Regierung Bush-Cheney den Patriot Act gewollt?

Graeme MacQueen: Er gab mehr Macht an die Exekutive, und dazu gehört auch die großen Geheimdienste. Er gab mehr Macht an das FBI, er gab mehr Macht an die CIA, er gab mehr Macht an die NSA, er gab mehr Macht an den Präsidenten und den Vizepräsidenten. Grundsätzlich versucht die US-Verfassung ein Gleichgewicht zwischen den drei Regierungszweigen zu erreichen, aber was Sie im Jahre 2001 sehen, wird oft als ein Putsch bezeichnet – ein Weg, um es zu betrachten, ist die, dass die Exekutive im Wesentlichen droht, die Legislative zu töten – zunächst an 9/11 und dann in den Anthrax-Anschlägen –, und dass sie sie erschreckt und mobbt, damit sie einiges von ihrer eigenen Macht aufgibt, die bereits ohnehin geschwächt war, und um ihre eigene Macht zu erhöhen. Eine andere Möglichkeit, dies zu betrachten, ist natürlich einfach zu sagen, dass der militärisch-nachrichtendienstlich-industrielle Komplex, diese Vielzahl von gut finanzierten Quellen in den USA, die Gelegenheit nutzte, seine Stärke zu steigern.

Lars Schall: Die offizielle Version war, dass es ein Versagen im Zusammenhang mit den Geheimdiensten gab, und also müssten sie expandieren, sie müssten größer werden – und das ist eine der Ähnlichkeiten im Zusammenhang mit dem JFK-Attentat, denn das war auch damals eine der Empfehlungen, nicht wahr?

Graeme MacQueen: Ja, es gibt viele Ähnlichkeiten zu dieser Phase des globalen Kriegs gegen den Terror und die zahlreichen Morde, die in den Vereinigten Staaten in den 1960er Jahren passierten. Ich denke, dass der 9/11 Commission Report und die damit verbundenen Dokumente noch schwächer und noch weniger überzeugend sind, als es der Warren-Bericht in den 1960er Jahren war. Ich bin nicht sicher, wie wir die Menschen dahin bekommen, das so zu sehen, aber das ist unsere Aufgabe, ja.

Lars Schall: Welche Beweise wurden jemals präsentiert, um gegen al-Qaida und / oder den Irak im Hinblick auf die Anthrax-Anschläge in den Vereinigten Staaten vorgebracht zu werden?

Graeme MacQueen: Es war eine Kombination aus schwachen Indizien, Betrug und Lügen in einigen Fällen. Uns wurde glauben gemacht, dass al-Qaida in den Besitz von Anthrax kommen wollte, entweder indem es sein eigenes herstellte oder indem es dieses von jemand anderem bezog – aber es gab nie einen guten Beweis dafür. Uns wurde gesagt, dass der Irak über Lagerbestände von Anthrax verfügte. Nun, das ist wahr, dass der Irak zu einem Zeitpunkt über Anthrax verfügte, aber er hatte es nach dem Krieg von 1991 zerstört, und er hatte sogar die Ausrüstung zerstört, die erforderlich gewesen wäre, um es ein paar Jahre später nochmal neu zu machen. Das war also ein großer Betrug, an dem die US-Geheimdienste tief beteiligt waren. Uns wurde zu einem Zeitpunkt gesagt, und ABC News war die Quelle dafür – Ende Oktober 2001 sagte uns ABC News, dass in dem Anthrax von Wissenschaftlern Bentonit entdeckt worden sei. Bentonit ist eine besondere Art von Ton, den der Irak angeblich verwendete, um die Anthrax-Sporen als Waffe vorzubereiten. Und weil es eine deutlich irakische Methode der Umwandlung zur Waffe sei, sagte ABC, sei die Anwesenheit von Bentonit in dem Anthrax eine Art von Unterschrift Saddam Husseins, um es so auszudrücken. Das war eine große Sache. Abermals war es eine komplette Lüge – es gab kein Bentonit in dem Anthrax. ABC musste sich schließlich davon distanzieren. Aber als sie die Geschichte zum ersten Mal präsentierten, waren sie sehr nachdrücklich, dass sie das von mehreren unabhängigen hochrangigen Quellen hatten. Selbstverständlich würden wir gerne wissen, wer diese Quellen waren, denn wie Glenn Greenwald vor Jahren sagte, wenn wir wüssten, wer die ABC-Quellen waren, würden wir wahrscheinlich wissen, wer die Anthrax-Anschläge durchgeführt hat. (1)

Dies ist die Art von Betrug, die verwendet wurde, um den Irak hineinzuziehen, und die verwendet wurde, um al-Qaida hineinzuziehen. Und natürlich diese dummen Briefe selbst – „Tod für Amerika“ / Tod für Israel“ –, wissen Sie, das war wie eine Hollywood-mäßige Karikatur eines islamistischen Extremisten. Wir haben keine Spur eines Beweises, dass irgendein Muslim irgendwelcher Art diese Briefe schrieb. Diese Briefe waren Teil der betrügerischen Operation.

Lars Schall: Die Quelle des Anthrax für die Angriffe war ein amerikanisches Militär-Biolabor. Wie lautet der Name und wie fand man das heraus?

Graeme MacQueen: Was das FBI behauptet, wahr zu sein, ist meiner Meinung nach nicht wahr, aber zumindest habe ich das Vergnügen mit dem FBI bei ein paar Dingen übereinzustimmen. Zunächst einmal, ja, ich denke, das FBI und ich sind uns einig darin, dass es von einem sehr sicheren Labor in den USA kam, das den militärischen und geheimdienstlichen Gemeinden diente, absolut. Und bevor wir weiter fortschreiten, lassen Sie mich nur ein paar Dinge über die Beweise dafür sagen. Hauptsächlich hat es mit dem Stamm des Anthrax zu tun, die bestimmte Art von Milzbrand, die eingesetzt wurde, es wird als der Ames-Stamm bezeichnet. Der Ames-Stamm wurde zuerst in den Vereinigten Staaten im Jahre 1981 gesammelt. Und die meisten Labore, die es in der Welt hatten, waren amerikanische. Es gab ein paar außerhalb der USA, aber das FBI untersuchte alles und kam zum Schluss, dass es von innerhalb der USA stammte. Dann gab es die Art der Herstellung der Sporen, denn in seinem natürlichen Zustand ist Anthrax nicht so gefährlich – es ist tödlich [für einzelne Personen], aber es ist nicht tödlich in dem Sinne, dass man es als Massenvernichtungswaffe einsetzen würde. Man muss es in einer bestimmten Weise kultivieren, raffinieren und die Sporen in einer bestimmten Größe haben und sie durch die Luft schweben lassen – man will die Sporenzubereitung also in eine Art Aerosol verwandeln, so dass es herumschwebt wie Rauch. Das ist nicht einfach hinzubekommen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, es zu erreichen, und diese hatten wiederum die Handschrift des US-Verfahrens. Aus verschiedenen Gründen wurde recht schnell klar, eigentlich bis Ende 2001, dass dies irgendwie von innerhalb des US-Biowaffen-Programms kam.

Nun ist die einzige Frage, aus welchem Labor kam es? Es gibt drei Hauptverdächtige. Eines davon ist das United States Army Medical Research Institute of Infectious Diseases (USAMRIID), ein US Army-Forschungsinstitut in Fort Detrick, Maryland – und das ist der Ort, über den das FBI sagt, dass es von dort herkam. Ein weiteres ist das Battelle Memorial Institute, ein Privatinstitut, das eine Menge Arbeit für die CIA erledigt. Und das dritte ist Dugway Proving Ground, das zum US-Militär gehört. Die Hauptsache, bei der ich nicht mit dem FBI übereinstimme, ist, dass ich nicht glaube, dass es direkt von Fort Detrick, Maryland kam – ich denke, es kam entweder von Battelle oder Dugway. Aber wir brauchen das hier vielleicht nicht vertiefen, denn unabhängig davon, für welche Stelle man sich entscheidet, dies war, wenn man so will, ein Inside-Job – es kam aus dem Herzen des US-Biowaffen-Programms. Und wer immer es nahm oder es vorbereitete oder was immer sie damit taten, bevor sie es in Briefe steckten, begingen nicht nur versuchten Mord, sondern auch einen großen Betrug – sie führten eine Operation unter falscher Flagge durch, sie taten so, als seien sie Muslime, sie gaben vor, mit 9/11 zu tun zu haben, sie waren dies, sie waren jenes. Es ist nicht so schwierig, es bis zum US-Programm zurückzuverfolgen. Und das war ziemlich schnell getan.

Lars Schall: Was muss über die Verdächtigen, die der Öffentlichkeit vom FBI vorgestellt wurden, Steven Hatfill und Bruce Ivins, gesagt werden?

Graeme MacQueen: Das erste, was wir hier sagen müssen, ist, dass die offizielle Version ziemlich schnell bis Ende Oktober auseinanderzufallen begann – kurz nachdem der Patriot Act als Gesetz unterzeichnet worden war, fing die offizielle Geschichte über al-Qaida und dem Irak als Täter zu bröckeln an. Es gab keine Beweise, all die Beweise waren gefälscht, es war Betrug, und es begann zu bröckeln. Das FBI hatte also richtige Arbeit zu erledigen. Sie müssen daran denken, dass das FBI zuständig war. Es war die Behörde, die die Macht hatte, dies zu untersuchen, so wie es die gleiche Behörde war, die die Befugnis und die Macht hatte, 9/11 zu untersuchen. Wir müssen uns hier auf das FBI konzentrieren. Also, was haben sie getan? Nun, sie behaupten, alle Optionen in Betracht gezogen zu haben, aber wenn man sich ihre eigenen Aufzeichnungen dessen, was sie taten, anschaut, begannen sie ziemlich schnell nach einem Einzeltäter zu suchen. Wir hören viel über Einzeltäter in diesen Tagen. Mit anderen Worten, eine einzige Person, die dafür verantwortlich war. Und weil klar wurde, dass dies aus der Gemeinde des US-Militärs und -Nachrichtendienste kam, dient offensichtlich ein einsamer Mensch, und vor allem eine einsamer Verrückter, jemand, von dem behauptet werden kann, er sei unausgeglichen oder in irgendeiner Weise exzentrisch, der Verdeckung der Spuren der wirklichen Täter. Man vermag so den Schaden zu begrenzen. Man vermag zu sagen, na ja, wissen Sie, es ist nur ein fauler Apfel, es ist eine ungewöhnlicher Einzeltäter, wir fanden ihn, wir haben ihn, Ende der Geschichte. Natürlich, wenn es klar würde, dass es kein Einzelgänger war, sondern dass es eine gut finanzierte Gruppe oder ein Netzwerk war, welches dies getan hat, würde es eine ganz andere Situation sein – und natürlich, das ist das, was ich in meinem Buch behaupte; es war kein Einzelgänger.

Wie auch immer, sie entschieden sich für zwei Wissenschaftler, einen nach dem anderen. Zuerst war es Steven Hatfill, aber er wehrte sich und verklagte sie erfolgreich auf 5 Millionen Dollar, weil sie keine guten Beweise dafür hatten, dass er es getan hatte. Und als das auseinanderfiel, ging das FBI wieder auf die Jagd. 2008 beschlossen sie dann, Dr. Bruce Ivins zu verfolgen, der ein angesehener Anthrax-Forscher in Fort Detrick, Maryland war. Er hatte daran gearbeitet, einen Anthrax-Impfstoff zu entwickeln. Ivins war bekannt, es ist nicht so, dass er ein geheimnisvoller Mann war, er arbeitete mit dem FBI und deren Untersuchung zusammen, er wollte helfen, er wollte sein Bestes tun, aber am Ende beschlossen sie, ihn zu verfolgen. Und kurz bevor sie versuchen wollten, ihn 2008 vor eine Grand Jury zu bringen, starb er. Das war natürlich von großem Vorteil für das FBI. Sie konnten sofort sagen, oh, wie schön, er tötete sich selbst, was seine Schuld zeigt. Er hatte ein Gefühl der Schuld, so dass er sich sein eigenes Leben nahm, und das ist das Ende der Geschichte. Es dauerte ein paar Jahre, aber 2010 schlossen sie den Fall offiziell ab. Sie können diese Aufzeichnungen, ihr Verfahren gegen Bruce Ivins, im Internet finden – die sogenannte „Amerithrax Investigation“. Meiner Meinung nach war es nie etwas anderes als ein lächerlich schwaches Verfahren gegen Ivins. Ich glaube, er wird vollständig hereingelegt, ich glaube, er ist unschuldig, und ich denke, wenn er gelebt hätte und dies wäre vor Gericht gegangen, hätte das für das FBI in Schande geendet. Ivins hatte einen ziemlich guten Anwalt, Paul Kemp, und ich denke, er hätte vor Gericht aus ihnen Hackfleisch machen können. Aber natürlich hat er nicht mehr gelebt, er starb. Und wenn man einen mutmaßlichen Täter hat, der stirbt, dann sind die Geheimdienste sehr glücklich, weil sie sagen können, was sie wollen. Dies geschah auch in einem anderen Fall, Lee Harvey Oswald. Wenn er gelebt hätte, wer weiß, was passiert wäre; aber er starb. Daher konnte die Warren-Kommission jeden Unsinn schreiben, den sie wollte. Sie würden nicht gegengeprüft werden, sie würden nicht harten Fragen ausgesetzt werden, sie konnten bei den Beweisen die Rosinen herauspicken, die sie wollten, und genau das Gleiche passierte mit Bruce Ivins – ob er sich umgebracht hat oder ihm von jemand anderem dabei nachgeholfen wurde, weiß ich nicht, aber so oder so war es von großem Nutzen für das FBI.

Lars Schall: Sie haben Anthrax-Impfstoffe erwähnt. Gab es nicht einige Leute, denen Medikamente gegen die Auswirkungen von Anthrax gegeben wurden, bevor die Anthrax-Anschläge stattfanden?

Graeme MacQueen: Ja, aber es war kein Impfstoff, über den Sie jetzt sprechen, sondern es war ein Antibiotikum, Cipro. Cipro ist ein starkes Antibiotikum und es war zu der Zeit das am häufigsten empfohlene gegen Anthrax, gegen die Krankheit, die Anthrax genannt wird. Dies ist eines der vielen verdächtig riechenden Ereignisse in der Geschichte der Anthrax-Anschläge. Sie und ich würden nicht überrascht sein, wenn wir herausfänden, dass die Leute nach dem 3. Oktober zu ihren Apotheken rannten und Cipro kauften, als zum ersten Mal bekanntgegeben worden war, dass jemand Lungenmilzbrand hatte. Aber das Interessante ist, dass der Run auf Cipro, das heißt, die vielen Leute, die umherrannten, um es kaufen, etwa zwei Wochen vor dem 3. Oktober begann.

Mit anderen Worten, nur damit unsere Leser das verstehen: jemand legte etwa eine Woche nach 9/11 Anthrax-Briefe in die Post, aber niemand sollte das bis zum 3. Oktober. Wissen oder entdecken. Und doch, zwischen 9/11 und dem 3. Oktober gab es nicht nur viele Warnungen in der Presse über Anthrax-Anschläge, sondern es gibt auch einen großer Run auf Cipro – Leute laufen in die Apotheken und kaufen dieses Antibiotikum und sie tun dies ganz konkret aufgrund von Gefahren und Sorgen und Ängsten vor Anthrax.

Und das ist die Art von Vorwissen, die sehr verdächtig ist und uns fragen lässt, was vor sich geht. Und es wird noch verdächtiger, wenn wir erkennen, dass George Bush und Dick Cheney an 9/11 selbst Cipro verabreicht bekamen und es weiterhin bekamen. Und wenn wir feststellen, dass der Journalist Richard Cohen zu Protokoll gab, dass er kurz nach 9/11 einen Tipp von einem hohen Regierungsbeamten bekam, er solle damit anfangen, Cipro zu nehmen. Und das tat er. Dies, sagte er, war weit bevor andere von Cipro erfuhren. Wir müssen davon ausgehen, dass es irgendwann zwischen dem 11. September und dem 23. September gewesen war, dass er Cipro nahm, weil er einen Tipp von jemandem in der Regierung erhielt. Was in aller Welt kann das bedeuten, denn Anthrax wird zu der Zeit mit der Post verschickt, aber niemand sollte das wissen, nicht wahr, es ist noch nicht entdeckt worden. Diese ganze Geschichte zu Cipro illustriert, dass es ein profundes Vorwissen gab, eine große Gruppe von Menschen, die wusste, dass die Anthrax-Anschläge stattfinden würden.

Lars Schall: Tatsächlich argumentieren Sie in Ihrem Buch, „dass Mitglieder der Exekutive der US-Regierung die Anthrax-Anschläge in Übereinstimmung mit einem Plan durchführten“. (2) Wie sind Sie zu diesem Ergebnis gelangt?

Graeme MacQueen: Es schien mir zunächst einmal, dass kein einsamer Einzeltäter all das hätte tun können, was bei den Anthrax-Anschläge durchgeführt wurde. Man muss bedenken, dass überall Geschichten liefen. In der Washington Post, in der New York Times, in vielen, vielen kleinen Zeitungen, im Guardian in Großbritannien, auf TV-Sendern, bevor die Anthrax-Anschläge selbst entdeckt wurden, wurden all diese Berichte über die Angst und Bedrohung durch Anthrax veröffentlicht, die auf falschen Geheimdiensterkenntnissen basierten. Es scheint mir, dass dies Leute auf hoher Ebene benötigte, und es brauchte mehrere Leute. Kein lächerlicher Einzeltäter hätte die Medien dazu bringen können, all diese Geschichten zu publizieren.

Zweitens hätte kein lächerlicher Einzeltäter all die Reden für Mitglieder der Exekutive schreiben können, in denen Warnungen gegeben wurden – nochmals, bevor die Anthrax-Angriffe tatsächlich entdeckt wurden –, dass wir im Begriff sein könnten, mit einer biologischen Waffe angegriffen zu werden. Wer schrieb die Rede für Donald Rumsfeld, oder für Andrew Card, oder für Tommy Thompson, oder für John Ashcroft? Alle diese Jungs redeten da draußen in der Öffentlichkeit, oh mein Gott, wir können am Rande eines biologischen Waffenangriffs stehen. Auch hier zeigt dies mehrere Täter und zeigt Leute in hohen Machtpositionen, denn das gründete nicht auf guten Geheimdiensterkenntnissen – wie ich in meinem Buch aufzeige, basierte dies auf betrügerischen nachrichtendienstlichen Informationen. Al-Qaida hatte kein Anthrax, der Irak hatte kein Anthrax. Einige Leute kommen und sagen, na ja, teilweise waren es gute nachrichtendienstliche Informationen, denn schließlich fanden die Angriffe ja statt. Ich sage nein, das wird nicht funktionieren, weil, als die Anthrax-Anschläge stattfanden, wurden sie von ganz anderen Personen durchgeführt als von jenen, über die das durch diese Kerle vorhergesagt wurde, und deshalb auch zu ganz anderen Zwecken.

Was sehen wir also? Wir sehen mehrere Personen, wir sehen Personen auf hoher Ebene, wir sehen, dass dies mit anderen Initiativen koordiniert war, die stattfanden, einschließlich des Patriot Acst, der NSA-Spionage, des Verwerfens des ABM-Vertrags mit der ehemaligen Sowjetunion – all diese Dinge geschahen. Dies wurde koordiniert. All diese Dinge wurden miteinander verbunden. Und dann gibt es nochmals all diese Beweise, dass die 19 Flugzeugentführer, die an 9/11 beteiligt waren, ebenso an all diesen seltsamen kleinen Szenarien beteiligt waren, die mit Anthrax zu tun hatten. Sie liefen angeblich herum, um an ein Streuflugzeug zu gelangen, um damit biologische Waffen über die USA zu versprühen – die gleichen Leute, die angeblich 9/11 verübten. Es gibt keinen Bruce Ivins oder Steven Hatfill oder sonst jemanden, der all dies getan haben könnte – der falsche Szenarien erstellte, falsche Geschichten unterbrachte, falsche Reden schrieb, und dies mit wichtigen Verträgen koordinierte, die die USA zurückwiesen. Das alles deutet auf mächtige Leute in Positionen hin, von denen aus sie diese Dinge bewerkstelligen konnten. Ich weiß, natürlich werden die Leute sagen, nun, das heißt, Sie denken, es war eine Verschwörung, Sie sind ein Verschwörungstheoretiker – und das ist genau richtig, es war eine Verschwörung, das ist exakt das, was ich in diesem Buch vorbringe.

Lars Schall: Ich wollte Sie das ohnehin konkret fragen: Wie reagieren Sie, wenn unsere Leser Ihre Recherchen als eine weitere schlechte Verschwörungstheorie abtun?

Graeme MacQueen: Der Begriff „Verschwörungstheorie“ ist das, was ich als “Gedanken-Stopper“ bezeichne. Er provoziert uns nicht zu denken, er stimuliert nicht die Gedanken, er öffnet keine Diskussion, er ermuntert uns nicht, eine Debatte zu haben. Was er versucht, ist eine Beendigung der Diskussion zu erreichen. Er ist ein anti-intellektueller Zug. Er besagt im Grunde, hier ist eine Person, die entweder unmoralisch oder dumm oder verrückt ist – das sind „Verschwörungstheoretiker“, wir werden mit ihnen in keinen Dialog treten. Wir werden sie über einen Kamm scheren, sie sind mit einem Makel behaftet, sie sind verdorben, sie sind tabu, irgendwie befinden sie sich außerhalb des Kreises der guten Gesellschaft, und deshalb brauchen wir ihnen nicht zuzuhören, wir brauchen nicht ihre Beweise anzuschauen, wir brauchen nicht ihre Bücher zu lesen, wir schieben sie einfach außerhalb des Kreises. Das ist, was der Begriff „Verschwörungstheoretiker“ tut, und dass ist das, von dem ich denke, dass er vor allem dazu entwickelt wurde. Er wurde populär nach dem JFK-Attentat, und er hat sich seitdem als sehr nützlich für die Regierungen und Geheimdienste erwiesen.

Das Traurige daran ist, dass auch Menschen, die ich persönlich sehr achte, vor allem Menschen auf der politisch linken Seite, diese ganze Art des Denkens abkaufen. Wo ist Herr Chomsky bei 9/11, wo ist der wunderbare Chris Hedges, und wo sind Glenn Greenwald und Amy Goodman, all diese Leute, die in Nordamerika jetzt so wichtig sind und die ich übrigens nicht dämonisiere, ich respektiere sie alle, ich denke, sie machen gute Arbeit, aber wo sind sie bei 9/11, wo sind sie bei den Anthrax-Anschlägen? Nun, sie fehlen. Sie scheinen die Vorstellung akzeptiert zu haben, dass diejenigen von uns, die die offizielle Geschichte hierzu in Frage stellen, irgendwie grundlegend falsch liegen, wir sind irgendwie mit einem Makel behaftet, wir befinden uns außerhalb der Grenzen der denkbaren Gedanken, und das ist schade.

Was ich in meinem Buch getan habe, ich dachte, ich könnte vor diesem Begriff weglaufen, oder ich könnte direkt darauf loslaufen, ich könnte ihn umarmen, und das ist, was ich zu tun beschloss, und das ist der Grund, weshalb der Untertitel des Buches bewusst “The Case for a Domestic Conspiracy” heißt. Ich definiere Verschwörung in der Einleitung. Es ist einfach ein Plan im Geheimen von zwei oder mehreren Personen, um eine unmoralische oder illegale Handlung zu begehen. Nun, Verschwörungen geschehen in diesem Sinne die ganze Zeit über. Das ist der Grund, warum Gesetze konzipiert wurden, um mit ihnen umzugehen. Es gibt nichts Seltsames an der Tatsache, dass ich behaupte, dass es eine Verschwörung gab. Worauf es ankommt, sind die Beweise. Habe ich die Beweise, um meine Argumentation zu unterstützen? Und wenn das jemand wissen will, dann muss er das Buch lesen, weil der Teufel im Detail steckt.

Lars Schall: Wenn unsere Zuhörer interessiert, worauf Sie sich bezogen haben, glaube ich, dass es ein Memo im Jahre 1967 hinsichtlich des Falls von Jim Garrison in New Orleans gab, in dem die CIA sagte, wir sollten den Begriff “Conspiracy Theory” statt den der „Assassination Theory“ verwenden. Wie auch immer, Sie schließen Ihr Buch mit dem Kapitel „The Unthinkable“. Was meinen Sie damit?

Graeme MacQueen: Das ist, wie ein Teil der Untersuchung fortschritt. Ich bemerkte, als ich die Zeitungen der Zeit durchlas – d.h. die Zeitungen, die von den Anthrax-Anschlägen im Herbst 2001 berichteten –, dass der Begriff “The Unthinkable” („Das Undenkbare“) immer wieder hochkam. Die Leute würden sagen, ist es wirklich wahr, dass das Undenkbare in den Vereinigten Staaten passiert? Oder sie würden sagen, es scheint, als ob ein Biowaffen-Angriff geschieht, wir müssen jetzt das Undenkbare denken. Wenn Sie auf ein oder zwei Referenzen dieser Art stoßen, ist das keine große Sache, aber ich stieß darauf immer und immer wieder. Und es waren nicht nur Journalisten, denn natürlich borgen Journalisten von anderen Journalisten. Wenn es nur Journalisten gewesen wären, könnte man sagen, na ja, der Kerl in der New York Times mag, wie die Washington Post das ausdrückte, so dass er sich das auf gewisse Weise ausgeliehen hat. Aber so einfach war das nicht. Es gab auch Wissenschaftler und Regierungsvertreter, jeder schien in den Chor einzustimmen. Also dachte ich, ich sollte da ein wenig näher hinschauen.

Mir war klar, dass der Begriff „das Undenkbare“ seit Jahrzehnten unter denen, die mit Atomwaffen beschäftigt sind, eine Art Codewort war. Es wurde lange Zeit verwendet, es bezeichnet die nukleare Kriegsführung – das Undenkbare. Diese Verwendung des Begriffs wurde vermutlich, soweit ich weiß, von Herman Kahn eingeführt, ein amerikanischer strategischer Denker, der Spieltheorie und so weiter verwendete, um herauszufinden, wie die USA dieses Spiel am besten und fruchtbarsten mit der Sowjetunion spielen konnten.

Lars Schall: Ist er nicht das ursprüngliche Vorbild für „Dr. Strangelove“ gewesen?

Graeme MacQueen: Er könnte es durchaus sein! (lacht.) Es gibt eine Reihe von Menschen, von denen das behauptet wurde, darunter Henry Kissinger. Aber Kahn war sicherlich in mancherlei Hinsicht eine ziemlich schreckliche Figur. Wie auch immer, er schrieb ein Buch, “Thinking about the Unthinkable” (“Das Undenkbare denken“). Und von diesem Zeitpunkt an benutzten alle Arten von Leuten diesen Begriff, um sich auf die nukleare Kriegsführung zu beziehen. Also dachte ich, nun, das ist ja interessant – sie benutzen ihn jetzt, um sich auf einen Biowaffenangriff zu beziehen. Gibt es eine tiefere Bedeutung hier, ist das wichtig? Bis heute bin ich nicht sicher, was die Antwort darauf ist, dies ist ein relativ spekulatives Kapitel, aber ich fand eine Reihe von Dingen heraus, die mich interessierten.

Zunächst einmal wies George Bush im Jahre 2001 den ABM-Vertrag zurück – damit meine ich, er gab Russland Warnung, dass die USA im Begriff seien, sich einseitig aus diesem extrem wichtigen Vertrag zurückzuziehen. In der Rede, die er am 1. Mai 2001 gab – das ist Monate vor den Anthrax-Anschlägen –, sagte er, der Kalte Krieg sei vorbei. Vergessen Sie den Kampf zwischen den USA und der Sowjetunion, die Sowjetunion war eine schreckliche böse Sache, natürlich, aber sie ist weg, wir müssen uns darüber keine Gedanken mehr machen, Atomwaffen sind keine wirklich große Bedrohung für die USA mehr, die große Gefahr ist die des Terrorismus und der Schurkenstaaten, die im Besitz von Massenvernichtungswaffen sind. In diesem Zusammenhang gibt er in Wirklichkeit eine öffentliche Bekanntgabe ab, dass wir den globalen Konfliktrahmen ändern werden – die Rahmenbedingungen, die im Wesentlichen die gesamte Menschheit teilen werden. Jahrzehntelang war es der Kalte Krieg gewesen, und jetzt wird es ein neuer sein. Er nannte ihn nicht den „Global War on Terror“, aber er gab uns eine Warnung, dass es so kommen würde. Dies ist ein paar Monate vor den Anschlägen vom Herbst – 9/11 ist noch nicht geschehen, die Anthrax-Angriffe sind noch nicht geschehen –, aber dies sind die neuen Gefahren, sagte er, und als er die neuen Gefahren beschrieb, sagte er, dass wir „das Undenkbare überdenken“ müssten – worüber ich dachte, dass das eine interessante Wendung war. Das Undenkbare war zuvor der Atomkrieg gewesen, und jetzt müssen wir es überdenken – jetzt also ist das Undenkbare der Terrorismus und die Schurkenstaaten mit Massenvernichtungswaffen.

Dann geschieht 9/11, was angeblich Terrorismus war, und die Anthrax-Anschläge geschehen, worüber zunächst gesagt wurde, dass es sich um einen Angriff mit einer Massenvernichtungswaffe durch einen Schurkenstaat handelte, nämlich durch den Irak – wie interessant. Und dann haben wir all diese Journalisten und Führungskräfte und alle sprechen darüber, oh, das Undenkbare ist da, das Undenkbare ist geschehen! Zu allem Überfluss haben wir dann einen Brief, der im September an NBC gesendet wurde. Es war Teil dieser generellen Sache, die wir die Anthrax-Anschläge nennen, auch wenn das Pulver in dem Brief gefälscht war. Aus Gründen, die ich in meinem Buch angebe, glaube ich, dass dies ein Teil der Anthrax-Anschläge war. Und dieser Brief beginnt mit den Worten: “THE UNTHINKABEL”. (3) Es stand da in großen Druckbuchstaben und war falsch geschrieben, als ob ein Analphabet von einem radikalen muslimischen Extremisten das geschrieben hätte. Hier haben wir also die Anthrax-Anschläge, ein Brief wird an die Massenmedien geschickt, und der sagt, das Undenkbare ist eingetroffen, und wir haben George Bush, der einige Monate zuvor warnt, wir müssten „das Undenkbare überdenken“, und wir haben alles diese Journalisten und Regierungschefs, die über das Undenkbare reden.

Es kam mir der Gedanke, dass dieser Ausdruck „das Undenkbare“ vielleicht, nur vielleicht ein Teil des Diskurses oder der Rhetorik des neuen globalen Konfliktrahmens sein könnte, dass uns hier eine Botschaft gegeben wird. Uns wird gesagt, dass das, was nicht gedacht werden konnte, dass das, was so böse ist, dass unser armer kleiner gewöhnlich-demokratischer westlicher Verstand es nicht zu begreifen vermag – es handelte sich dabei um einen Atomkrieg, aber jetzt ist da dieses Umschalten, jetzt sind diese gefährlichen muslimischen Kerle das ultimative Böse, sie sind unsere Feinde in diesem „Global War on Terror“. Sie haben keine Atomwaffen, aber sie werden das Nächstbeste verwenden, das sie haben, biologische und chemische Waffen – und jetzt ist also dies das Undenkbare. Dies ist für unseren armen kleinen humanen und rationalen westlichen Verstand nicht zu begreifen, es liegt jenseits von uns, und so nennen wir es das Undenkbare. Wir müssen uns in die Arme unserer Regierungen werfen, damit sie uns vor diesem schrecklichen Bösen schützen. Ich denke, dies ist, was vor sich geht. Wie ich schon sagte, gibt es bei meiner Interpretation hier gewisse Spekulationen, aber ich gebe die Beweise dafür an und die Leute können daraus für sich machen, was sie wollen.

Lars Schall: Es gibt noch eine andere Sache, die Sie sich angeschaut haben. Vor einigen Wochen veröffentlichte der US-Senat den Bericht über das CIA-Folterprogramm. Sie sind sich bewusst, dass der Kern der 9/11-Geschichte auf Folter-Aussagen basiert. Können Sie darüber sprechen, denn das ist sehr, sehr wichtig?

Graeme MacQueen: Ich erwähnte dies, Lars, und vielleicht ist es das, worauf Sie sich beziehen – ich war vor nicht allzu langer Zeit Teil einer Pressekonferenz im Parlamentsgebäude in Ottawa, in der Hauptstadt meines Landes, als wir es geschafft hatten, unserem Parlament eine Petition vorzulegen, um eine unabhängige Überprüfung der 9/11-Angriffe durchzuführen. Und an dem Tag, an dem ich die Rede in der Pressekonferenz im Parlament halten sollte, war der Senatsbericht über Folter in den Nachrichten, jeder sprach darüber und er wurde im kanadischen Parlament diskutiert, und so weiter. Also beschloss ich, auch wenn ich nur 3 Minuten für meine kleine Rede hatte, dass ich den Folter-Zusammenhang erwähnen sollte – denn, wie Sie sagen, das ist äußerst wichtig.

Das erste, was hier gesagt werden muss, ist, dass es sich nicht außerhalb des Mainstreams befindet und nichts besonders Kontroverses an der Aussage ist, dass Folter entscheidend für diesen 9/11-Kommissionsbericht war. In der Tat war es NBC, das eine Studie in Auftrag gab, welche entdeckte, dass mehr als ein Viertel der Fußnoten im 9/11-Kommissionsbericht auf diesen Verhören basieren. (4) Und natürlich wissen wir, dass viele dieser Verhöre den Einsatz von Folter beinhalteten, wie Leute mit Wasser ersticken. Und wenn man sich die Fußnoten des Berichts der Kommission anschaut, nun, ich war sicherlich vor Jahren fassungslos, als ich erstmals von all diesen Verweisen auf KSM, KSM, KSM las – Khalid Sheikh Mohammed, der angeblich über 183 mal dem Waterboarding ausgesetzt wurde.

Die 9/11-Kommission verwendete nicht nur Informationen, die unter Folter gesammelt wurden, sondern sie machte sie von zentraler Bedeutung für den Bericht. Kapitel 5 (“Al Qaeda Aims At The American Homeland”) und 7 (“The Attack Looms”) des Berichts könnten ohne diese Verhöre – zumindest in ihrer derzeitigen Form – nicht geschrieben werden.

Es geht also um Osama bin Laden und seine Gruppe, die entscheiden, diese Angriffe durchzuführen, und es geht um die Art der Angriffe, wie al-Qaida in die USA kam und wohin sie gingen, wie sie hießen – alle Arten von Dingen, die von zentraler Bedeutung für die offizielle Geschichte sind, wurden angeblich durch diese harten Verhöre zusammengetragen. Und die 9/11-Kommission kollaborierte damit. Sie haben der CIA tatsächlich ein neues Bündel von Fragen vorgelegt – so dass, soweit wir wissen, diese Jungs ein weiteres Mal hart verhört wurden, um speziell auf Fragen der 9/11-Kommission zu antworten. Nun fragten die 9/11-Kommissionsmitglieder natürlich, ob sie direkt mit diesen armen Kerlen, die gefoltert wurden, sprechen könnten. Sie nannte es nicht foltern, sie sagten, können wir mit den Leuten, die verhört werden, sprechen? Nein, könnt Ihr nicht, Ihr könnt sie nicht sehen, Ihr könnt nicht mit ihnen sprechen. Nun, können wir mindestens die Leute interviewen, die sie verhören? Nein, könnt Ihr nicht, bleibt weg, unterbrecht nicht den heiklen Prozess der Befragung.

Man hat hier also eine 9/11-Kommission, die Grund zur Annahme hat, dass diese Menschen gefoltert wurden, um diese Zeugenaussagen abzugeben, die aber keinen direkten Zugang zu irgendwen von Bedeutung in dem Prozess hat, und so beschließt sie deshalb, einfach den angeblichen Transkripten, die sie bekommt, zu vertrauen. Das ist die schwächste, dünnste, um nicht zu erwähnen unmoralischste und illegalste Art von Beweisen, die man sich vorstellen kann. Stellen Sie sich den Versuch vor, das vor einem anständigen Gericht einzureichen. Das ist also, worauf der 9/11-Kommissionsbericht, das Nächstliegende zu einem offiziellen US-Dokument, das die Haupthandlung von 9/11 darstellt, basiert. Und das ist der Grund, weshalb wir versuchten, die Sache vor dem kanadischen Parlament so darzulegen, dass man das nicht akzeptieren darf. Wenn man sagt, dass man mit Folter nicht kollaboriert, dann kann man dieses Dokument nicht akzeptieren, man braucht eine unabhängige Überprüfung. Ich erwarte nicht, dass wir in absehbarer Zeit erfolgreich sein werden, aber das ist ein Argument, das wir vorbringen.

Lars Schall: Hat jedes Land des Westens das zu tun – ihre Regierungen aufzufordern, darüber ins Reine zu kommen?

Graeme MacQueen: Ich denke, dass sie das unbedingt sollten. Ich denke, das ist wirklich wichtig, weil Journalisten und Regierungschefs in dem Maße, dass sie dazu befragt werden, sich in der Regel sofort von diesen schrecklichen Verhörtechniken zu distanzieren versuchen – oh, wir tun das nicht, oh, wir kollaborieren nicht, bla-bla-bla. Es muss öffentlich darauf hingewiesen werden, die Leute müssen dies in Op-Eds in Zeitungen und in offiziellen Briefen schreiben, die im Internet zirkulieren – jede Regierung muss gefragt werden, nun, warum akzeptiert Ihr dann die offizielle Geschichte zu 9/11, denn die basiert auf Foltergeständnissen? Jeder muss damit konfrontiert werden.

Lars Schall: Vielen Dank für Ihre Bemühungen und Ihr Buch!

Graeme MacQueen: Vielen Dank, Lars!

Quellen:

(1) Compare Glenn Greenwald: “The unresolved story of ABC News’ false Saddam-anthrax reports”, published on April 9, 2007 at Salon under: http://www.salon.com/2007/04/09/abc_anthrax/, and: “Vital unresolved anthrax questions and ABC News” published on August 1, 2008 at Salon under: http://www.salon.com/2008/08/01/anthrax_2/.

(2) Graeme MacQueen: “The 2001 Anthrax Deception: The Case for a Domestic Conspiracy”, Clarity Press, 2014, page 106.

(3) Ibid, pages 187 – 188.

(4) MacQueen refers to Robert Windrem and Victor Limjoco: “9/11 Commission Controversy”, published at MSNBC on January 30, 2008. The article has been taken offline at MSNBC, but here it is still available: http://911research.wtc7.net/cache/post911/commission/msnbc_commission_torture.html

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