Die Woche im Rückspiegel betrachtet

Jede Woche am Sonntag stelle ich eine Auslese der zehn bemerkenswertesten Geschichten und Veröffentlichungen vor, auf die ich bei meinen Streifzügen durch die Tiefen und Weiten des weltumspannenden Informationsnetzes gestoßen bin.

Von Lars Schall

Geneigte Leserin, geneigter Leser,

ich heiße Sie herzlich willkommen zu Die Woche im Rückspiegel betrachtet. Mit diesem Format möchte ich Ihnen immer wieder des Sonntags im Schnelldurchlauf zehn bemerkenswerte Geschichten und Veröffentlichungen präsentieren, über die ich im Laufe der jeweils vorangegangenen sieben Tage via wilder Internet-Klickerei stolperte.

Und damit ohne weiteren Aufhebens zu den…

TOP 10-LINKS DER WOCHE

Auf Platz 10 zum Aufwärmen erst mal ein Rückwärtssalto: in der letzten Woche wies ich auf Platz 3 auf die Verstimmung hin, die zwischen den USA und Großbritannien angesichts des britischen Beitritts zur chinesisch geführten Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) herrscht.

Nun wird von Deutschlands Intention berichtet, ebenfalls der AIIB als Gründungsmitglied beizutreten. Ferner unterstützt Deutschland eine Aufnahme der chinesischen Währung in den Sonderziehungsrechte-Währungskorb des Internationalen Währungsfonds, und beide Seiten arbeiten an der weiteren Entwicklung eines Renminbi-Offshoremarkts und einer Renminbi-Clearingbank in Frankfurt a.M. So es Sie interessiert, wie darüber in Xinhua, der Nachrichtenagentur der Regierung der VR China, berichtet wird, wartet hier der Report auf Sie, den ich dazu las.

Auf Platz 9 bleiben wir dem Reich der Mitte treu: „China’s factories are building a robot nation“, schreiben Li Xuena, Wang Xinci und Zhang Boling auf “MarketWatch“. Die Autoren zeigen ihrem Leser Veränderungen in der Struktur der chinesischen Arbeiterschaft auf, die die gesteigerte Nutzung von Robotern an den Produktionsfließbändern teilweise schlankweg notwendig mache. Beispielsweise formten junge Arbeiter historisch gesehen “das Rückgrat der Fließband-Arbeiterschaft des Landes, aber … viele, die zwischen 1990 und 1999 geboren wurden, scheuen nunmehr Arbeitsplätze im Fertigungsbereich zugunsten anderer Betätigungen.“

Ein kleiner Auszug aus besagtem Artikel:

„‘Zunächst ersetzten Roboter Arbeiter, deren Arbeitsplätze sie der Verschmutzung ausgesetzt hatten, wie zum Beispiel bei der Lackierung, oder verlangten, dass sie die gleiche Aufgabe wiederholen mussten … Aber nach und nach wurden Roboter für Geschäfte eingesetzt, die Facharbeiter erfordern, wie Schweißer, weil sie kostengünstig sind.‘ Gleichwohl haben einige Unternehmen ihre Fabriken automatisiert, weil sie einfach nicht genug Leute finden. Ein Manager der mittleren Ebene bei einem elektronischen Hersteller sagte, dass viele Unternehmen, die nicht in der Lage seien, Positionen zu besetzen, keine andere Wahl hätten, als Roboter zu installieren. ‘Jeden Tag schmeißen Arbeiter hin‘, sagte er. ‘Körperlich anspruchsvolle Aufgaben unter schwierigen Bedingungen oder Aufträge mit sich wiederholenden Prozessen sind für junge Arbeitnehmer viel weniger attraktiv als für die ältere Generation.‘“

Mehr dazu finden Sie hier.

Auf Platz 8 werfen wir einen kurzen Blick auf die ersten beiden Absätze einer Buch-Rezension in der “FAZ“ unter der Überschrift “Der Prophet wusste, wie man Wohlstand schafft“:

“Den Muslimen ist Mohammed Prophet und weiser Staatsmann. Viele Kritiker des Islams im Westen sehen in ihm zunächst den Eroberer und den Mann, der mit elf Frauen verheiratet war. Der britische Wirtschaftshistoriker Benedikt Koehler legt nun den Blick auf einen ganz anderen Mohammed frei: auf den Unternehmer aus Mekka und den Schöpfer ökonomischer Institutionen, die – lange vor den italienischen Renaissancestädten – Anstöße zur Entstehung kapitalistischen Wirtschaftens geleistet haben.

Mohammed war über drei Jahrzehnte erfolgreicher Unternehmer, bevor er Prophet und Staatsmann wurde. In seiner Heimatstadt Mekka war Mohammed zu einem der reichsten Händler und Investoren aufgestiegen, bevor ihn ein Boykott, den seine Landsleute wegen seiner neuer Religion gegen ihn ausriefen, fast in den Ruin trieb. In Medina, wohin er im Jahr 622 flüchtete, wurde er wieder reich. Als er im Jahr 632 starb, sei er der reichste Araber gewesen, schreibt Koehler.“

Rainer Hermanns gesamte Besprechung von Benedikt Koehlers “Early Islam and the Birth of Capitalism“ (Lexington Books, Lanham, Maryland 2014) finden Sie hier.

Auf Platz 7 wird uns nahegelegt, dass dem devoten D-land gedroht worden sei vom Großen Bruder Made in USA, einem gewissen Ex-NSA-Mitarbeiter namens Edward Snowden ja kein politisches Asyl zuzugestehen – sonst…

Mit ‘ner Drohung im Hintergrund kuscht es sich im devoten D-land doppelt geschmeidig, hat man doch im Zweifelsfall “beste Ausflucht, wo gibt“: die Amis.

Dazu können Sie sich hier und hier etwas kundtun.

CIA-Chef John Brennan sagte unterdessen in einer Rede, die in New York gehalten wurde, dass die Sozialen Medien die Terrorgefahr in einem großen Maße verstärkten, indem beispielweise Terrorgruppen online auf Rekrutierung gingen und Sympathisanten lernen könnten, „wie man Angriffe ausführt, ohne je ihr Zuhause verlassen zu müssen.

Brennan fuhr fort davor zu warnen, dass der Aufstieg des Internets es dem Terrorismus ermöglichte, viel mehr dezentralisiert zu werden“, und es sei für die US-Regierung schwieriger, das Problem in den Griff zu bekommen.

In Brennans Kommentaren fehlten konkrete Angaben hinsichtlich der Vorgehensweise vis-à-vis der wahrgenommenen Gefahr, “doch die verstandene Implikation ist, dass die US-Geheimdienste weiterhin ungehinderte Überwachungsbefugnisse über das Internet verlangen werden, unabhängig von Bedenken bezüglich der Privatsphäre.“

Auf mehr dazu stoßen Sie hier und hier.

Dann sah ich mir einen Vortrag von Adnan Zuberi an, den er letzten Mittwoch an der kanadischen University of Saskatchewan hielt: “Saying No to Bill C-51: Questioning the State as the Provider of Security“. Adnan zweifelt darin an, dass Geheimdienste “wohlmeinende Sicherheitserbringer“ sind – und zwar hier.

Auf Platz 6 verweilen wir zwar noch bei dem Nachrichtendienstkomplex, verquicken ihn aber mit Finanzen. Ist nämlich so, dass in der Schweiz ein neues Nachrichtendienstgesetz auf dem Wege ist, wonach “dem Nachrichtendienst in ‘besonderen Lagen‘ zusätzliche Aufgaben übertragen“ werden können, “die über den eigentlichen Staatsschutzauftrag hinausgehen. Dazu zählen die Unterstützung der Schweizerischen Außenpolitik oder wenn anderweitig ‘wesentliche Landesinteressen‘ berührt werden, beispielsweise zum Schutz des Werk-, Wirtschafts- und Finanzplatzes Schweiz. Gegner dieses Passus kritisierten, dass dafür die Grundlage in der Bundesverfassung fehle.“

Die Mehrheit des schweizerischen Nationalrat hat weniger Bedenken:

“Mit 119 zu 65 Stimmen bei 5 Enthaltungen hat der Nationalrat, die große Kammer des Schweizer Parlaments, am Dienstag das neue Nachrichtendienstgesetz angenommen, mit dem „Ziel, die Handlungsfreiheit der Schweiz in der veränderten strategischen Lage zu verbessern“, so ein Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates (SiK-NR). Tritt das Gesetz in Kraft, sollen die Kompetenzen des Schweizer Nachrichtendienst des Bundes (NDB) stark ausgebaut werden, so dass dieser bisher rechtlich nicht zugelassene „Informationsbeschaffungsmaßnahmen“ durchführen kann. …

Vorausgesetzt, dass am Ende auch die zweite kleine Kammer des Parlaments, der Ständerat, dem Gesetz zustimmt, können die Geheimdienstler künftig, Überwachungen des Post- und Telefonverkehrs durchführen, Überwachungsgeräte einsetzen (etwa Wanzen) um Gespräche abzuhören und aufzuzeichnen und Ortungsgeräten einsetzen, um Personen oder Objekte zu suchen. Außerdem wäre ihnen erlaubt Räumlichkeiten, Fahrzeugen und Ähnliches zu durchsuchen, sowie in Computersysteme und Computernetzwerke einzudringen. So sollen nicht nur Informationen beschafft werden, sondern auch der Zugang zu Informationen gestört, verhindert oder verlangsamt werden, falls die Computersysteme für Angriffe auf kritische Infrastrukturen verwendet werden. Für die Überwachung darf der Geheimdienst dann auch Fluggeräte und Satelliten einsetzen.“

Solches sehen Ihre Augen hier.

Auf Platz 5 ist die “Most Transparent Administration in History” auf Kriegsfuß mit den Bestimmungen des seit 1967 gültigen Freedom of Information Act, der jedem US-Bürger – theoretisch – das Recht zugesteht, Dokumenten der US-Exekutive zur Einsichtnahme verlangen zu können.

Die “Most Transparent Administration in History”, als die sich das Obama-Team anpries, als dem 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten noch die “Messias-Gloriole“ und nicht graue Haare umgab – die “Most Transparent Administration in History” also stellt die Dinge vom Fuße auf den Kopf, indem sie einen neuen Rekord setzt, was das Nichtherausgeben von Dokumenten im Rahmen des Freedom of Information Act angeht.

Irgendwie braucht die “beste Ausflucht, wo gibt“: der Ami, nicht zu wissen, was seine Regierung eigentlich so treibt – wie Sie hier, hier und hier zu lesen vermögen.

Mehr zu Obamas Heuchlertum steht hier bei James Corbett bereit.

Auf Platz 4 reist die Leiterin der Europaabteilung im US-Außenministerium, Victoria “Fuck the EU” Nuland, nach Griechenland – und irgendwie braucht das wiederum den gemeinen D-landbürger nicht zu interessieren, wie hier auf der Website von Norbert Häring hervorgeht.

Robert Parry unterbreitet bei “Consortiumnews“ einen Artikel namens “A Family Business of Perpetual War”, der sich dem “großartigen Mom-and-Pop-Business“ widmet, das Victoria Nuland mit ihrem Mann, dem politischen Kolumnisten Robert Kagan unterhält – was hier näher erläutert wird.

Auf Platz 3 erinnern uns “FAZ“ und Allensbach als meinungsprägende Instanzen (forschend wie praktizierend) an „Public Opinion“-Autor Walter Lippmann und die Grenzen der Möglichkeiten politischer Propaganda – sehen Sie hier. Paul Lüth hatte dem schon ein wenig vorgegriffen, wie der Vorbemerkung zu Paul Lüths „Bürger und Partisan“ zu entnehmen ist – siehe hier.

Für meine fortdauernden Recherchen zu den Ursprüngen und der Bedeutung des Council on Foreign Relations (den der politische Kolumnist Joseph Kraft einst in den 1950er Jahren in „Harper’s Magazine“ als eine „Schule für Staatsmänner” beschrieb, die „nahe dran ist ein Organ dessen zu sein, was C. Wright Mills die Power Elite nannte“ – siehe hier), betrachtete ich zwei Rankings der Top-Think-Tanks der Welt, die vom Think Tank and Civil Societies Program der University of Pennsylvania 2011 und nunmehr im Februar 2015 veröffentlicht wurden.

Das Ranking der Top-Think-Tanks der Welt 2011:

  1. Brookings Institution, USA
  2. Chatham House / Royal Institute of International Affairs (RIIA), Großbritannien,
  3. Carnegie Endowment for International Peace, USA
  4. Council on Foreign Relations (CFR), USA
  5. Center for Strategic and International Studies (CSIS), USA
  6. RAND Corporation, USA
  7. Amnesty International, USA
  8. Transparency International, BRD
  9. International Crisis Group (ICG), Belgien
  10. Peterson Institute for International Economics, USA. (1)

Im Ranking 2015 ist der CFR zurückgefallen, das Schwestern-Institut Chatham House / Royal Institute of International Affairs (RIIA) dagegen konnte seinen zweiten Rang einmal mehr bestätigen:

  1. Brookings Institution, USA
  2. Chatham House / Royal Institute of International Affairs (RIIA), Großbritannien
  3. Carnegie Endowment for International Peace, USA
  4. Center for Strategic and International Studies (CSIS), USA
  5. Bruegel, Belgien
  6. Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI), Schweden
  7. RAND Corporation, USA
  8. Council on Foreign Relations (CFR), USA
  9. International Institute for Strategic Studies (IISS), Großbritannien
  10. Woodrow Wilson International Center for Scholars, USA. (2)

(1) Vgl. James G. McGann: “2011 Global Go To Think Tanks Index Report”, Think Tank and Civil Societies Program, University of Pennsylvania, December 2011, Seite 33.

(2) Vgl. James G. McGann: “2014 Global Go To Think Tank Index Report”, University of Pennsylvania, February 2015, Seiten 64-65.

Bei der Nummer 6 im Ranking von 2015, Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI), findet man nette Infographiken zu “Aktuelle Trends in Waffentransfers“ – namentlich hier.

Zum Thema Waffenkonflikt in der Ukraine im Zusammenhang mit dem Internationalen Währungsfonds habe ich hier und hier zwei sehr hintergründige Artikel von John Helmer, die Sie interessieren könnten. Zu IWF und der Ukraine ferner hier ein Einwurf von Alexander Mercouris, “IMF’s Plan B Falling Apart in Ukraine“.

Auf Platz 2 wandern unsere Augen über diese Buchstabenkombination:

“Der Ölpreis fällt weiter. Die Saudis sollen die Fördermenge senken, so der Wunsch, die Hoffnung, die unterschwellig Aufforderung der Marktteilnehmer und Kommentatoren. Aber warum die Saudis? Haben Sie die Explosion der Fördermenge der letzten Jahre zu verantworten? Nein.“

Wieso, weshalb, warum – hier.

Großbanken wie Citigroup, Goldman Sachs Group, UBS und andere ächzen derweilen unter der Last von Krediten, die an Energieunternehmen vergeben wurden und in hohem Umfang ausfallen – was hier unter “Banks Struggle to Unload Oil Loans“ geschrieben steht.

Hier gibt es eine Infographik, die zeigt, wie sehr und schnell die Öl-Bohrungen in den USA zurückgehen.

Und auf Platz 1 vermögen Sie sich mit einer weniger redigierten Fassung des National Intelligence Estimate (NIE) zu befassen, als jene, die bislang zu Verfügung stand. Das NIE wurde von Team Bush benutzt, um die Invasion des Irak zu rechtfertigen. Die CIA gab nun eine neue Version heraus. Es geht daraus hervor, dass zwischen der Kriegshysterie von Team Bush und dem NIE-Dokument doch recht große Unterschiede bestehen.

Überzeugen Sie sich hier selbst.

Noch so’n Krieg mit ’nem grandiosen Plan: die US-Streitkräfte kommen, sehen, siegen aber nicht – kämpfen weiter und übergeben dann den Kriegsschauplatz Afghanistan dem einheimischen Militärservicepersonal. Nebenbei lässt man 10.000 eigene Soldaten im Land, nach Plan jedenfalls – und stellt dann fest, dass das vor Ort und Stelle stationierte Kontingent doch größer ausfallen dürfte. Die Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die Afghanen spielt laut “The American Conservative” brutalen Warlords und Milizen in die Hände. Der einzige feine Unterschied, der zwischen ihnen und den Taliban besteht: die Unterstützung der USA.

Dies ploppt hier auf.

Und dann verliert das Pentagon die Spur von Waffen im Wert von 500 Millionen US-Dollar im Bürgerkrieg im Jemen – siehe hier.

Wen wundert sowas, das Pentagon gab am 10. September 2001 ja auch schon mal so ‘ne Hammerverlautbarung heraus, dass seine Rechnungsabteilung den Verbleib von geschätzten 2.3 Billionen US-Dollar nicht aufklären könne – siehe hier. (Daran fühlte ich mich irgendwie so erinnert.)

Zuletzt noch das Musikstück der Woche: BILLY TAYLOR TRIO – I Wish I Knew How It Would Feel To Be Free.

In dem Sinne, ganz der Ihre,

Lars Schall.

Both comments and pings are currently closed.

Comments are closed.

Subscribe to RSS Feed Lars Schall auf Twitter folgen

Bei weiterer Nutzung dieser Webseite, stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Mehr Infos

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen