Die Woche im Rückspiegel betrachtet

Jede Woche am Sonntag stelle ich eine Auslese der zehn bemerkenswertesten Geschichten und Veröffentlichungen vor, auf die ich bei meinen Streifzügen durch die Tiefen und Weiten des weltumspannenden Informationsnetzes gestoßen bin.

Von Lars Schall

Geneigte Leserin, geneigter Leser,

ich heiße Sie herzlich willkommen zu Die Woche im Rückspiegel betrachtet. Mit diesem Format möchte ich Ihnen immer wieder des Sonntags im Schnelldurchlauf zehn bemerkenswerte Geschichten und Veröffentlichungen präsentieren, über die ich im Laufe der jeweils vorangegangenen sieben Tage via wilder Internet-Klickerei stolperte.

Und damit ohne weiteren Aufhebens zu den…

TOP 10-LINKS DER WOCHE

Auf Platz 10 meldet sich mal wieder Julian Assange zu Wort, indem er einen Schlüsselsatz der US-TV-Serie “Twin Peaks“ abwandelt. In “Twin Peaks“ heißt es an die Adresse von FBI Special Agent Dale Cooper: „The owls are not what they seem„. Bei Julian Assange heißt es nun über 20 Jahre später an Ihre Adresse: “Google is not what it seems“.

Mehr dazu hier bei “Newsweek“.

Auf Platz 9 steht das BND-NSA-Projekt Eikonal in der Kritik. Diese Kooperation sei „im höchsten Maße unredlich“ gewesen, wie aus dem politischen Berlin zu vernehmen war.

Hintergründe dazu gibt es hier.

Auf Platz 8 rangieren ein paar Gedanken zur Annahme von Goldman Sachs, dass heuer der weltweite Produktionspeak im Goldsektor erreicht werden könnte – siehe hier.

Auf Platz 7 erleben wir die US-Diplomatie von ihrer verschnarchten Seite, nämlich im Kontext mit der Asian Infrastructure Investment Bank – und das tun wir hier.

Auf Platz 6 folgt ein Beitrag von Frances Stonor Saunders auf der Website des „London Review of Books“. Saunders widmet sich darin dem renommierten Universalhistoriker Eric Hobsbawm und dessen Beziehungen zum britischen Geheimdienstmilieu.

Wenn Sie wissen wollen, wo Hobsbawm war, als Adolf Hitler Anfang 1933 in Deutschland das Regiment übernahm – hier werden Sie’s erfahren.

Auf Platz 5 stellen wir fest, dass sich der Iran und der Westen halbwegs einigen konnten, wie mit dem iranischen Atomprogramm umzugehen sei – und lesen dazu dieses hier im “Wall Street Journal“.

Der ehemalige CIA-Analyst Ray McGovern legt hier nahe, weshalb man von iranischer Seite her der US-amerikanischen Seite sehr wenig Vertrauen entgegenbringt.

Und warum die Syrien-Krise unterdessen den Iran geopolitisch gestärkt hat, das können Sie diesem Artikel hier entnehmen.

Auf Platz 4 hat das Pew Research Center ein paar demographische Projektionen für Sie. Demnach sind die Muslime die am schnellsten wachsende Religionsgruppe der Welt – und wenn sie so weitermachen, dann wird die Zahl der Muslime bis zum Jahr 2050 mit der Anzahl der Christen auf der Welt nahezu gleichziehen. Die meisten Muslime werden sich den Erkenntnissen des Pew Research Centers nach übrigens nicht in und um Dresden herum tummeln, sondern in Indien – der Subkontinent dürfte das Land mit der größten muslimischen Bevölkerung überhaupt auf der Welt werden. Atheisten und Agnostiker werden zwar im Westen mehr, auf die gesamte Weltbevölkerung verteilt werden sie aber weniger. Um Christen im Jahre 2050 zu treffen, wäre dem Pew Research Center zufolge ein Besuch in die Sub-Sahara Afrikas zu empfehlen.

Weitere Details warten hier unter dem Titel “The Future of World Religions: Population Growth Projections, 2010-2050” auf Sie.

Auf Platz 3 vermögen Sie anhand einer Studie der Physicians for Social Responsibility (PSR) der Frage nachzugehen, wie viele Tote der “globale Krieg gegen den Terror“ bisher forderte. Die Studie namens “Body Count“ können Sie hier als PDF-Datei herunterladen.

Auf Platz 2 nehmen wir zur Kenntnis, dass ein Report des Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) vom März 2015 auf eine Lücke von 35 Milliarden US-Dollar stieß. Die Lücke ergibt sich daraus, dass das US-Verteidigungsministerium für den Wiederaufbau Afghanistans 56 Milliarden US-Dollar ausgegeben haben will – jedoch können nur 21 Milliarden US-Dollar davon wirklich den Wiederaufbaumaßnahmen in Afghanistan zugerechnet werden. Wo die restlichen 35 Milliarden US-Dollar verblieben, ist SIGAR ein Rätsel. Zum Vergleich: das BIP Afghanistans betrug im Jahre 2013 rund 20 Milliarden US-Dollar.

Für nähere Informationen siehe hier.

Aus dem SIGAR-Report geht des Weiteren hervor, dass Blackwater zwischen 2002 und 2013 vom Pentagon 569 Millionen USD erhielt, um Anti-Drogen-Operationen in Afghanistan durchzuführen. Northrop Grumman, Lockheed Martin und Raytheon erhielten Gelder im gleichen Zusammenhang. Mit großem Erfolg: Afghanistan ist der größte Opiumproduzent der Welt. In einem Report, den SIGAR im Dezember 2014 veröffentlichte, hieß es: „Afghanische Landwirte bauen mehr Opium denn je an.“

Dies wiederum las ich hier.

Und auf Platz 1 steht das Ergebnis einer Personensuche. War nämlich so, dass es mich gestern (während im TV das Spiel BVB 09 vs FC Bayern vor sich hinflimmerte) danach juckte, mal einige Angaben zu Thomas McKittrick ausfindig zu machen, den Präsidenten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) von 1939 bis 1946. Und so stolperte ich über einen hervorragenden Artikel, der auf der Website des jüdischen Magazins “Tablet“ erschien. Anhand des Artikels und einer kleinen Dosis eigener Recherchen ließ sich schließlich dieses zusammentragen:

Offiziell wurde die BIZ 1929/30 ins Leben gerufen, um die Zahlungen zu verwalten, die das Deutsche Reich auf Grundlage des Versailler Vertrags zu entrichten hatte. „Ihr eigentlicher Zweck wurde in der Satzung aufgeführt“, und demnach ist sie geschaffen worden, um „,die Zusammenarbeit der Zentralbanken (zu fördern) und zusätzliche Angebote für internationale Finanzgeschäfte (zu schaffen).‘ Die Gründung der BIZ war der Höhepunkt des Jahrzehnte alten Traums der Zentralbanker, eine eigene Bank zu haben – mächtig, unabhängig und frei von störenden Politikern und neugierigen Reportern. Gemäß den Bedingungen des Gründungsvertrags konnte das Vermögen der Bank nicht beschlagnahmt werden, auch nicht in Zeiten des Krieges.“ Überdies war die BIZ „eigenfinanziert und würde das in alle Ewigkeit sein. Ihre Kunden waren ihre eigenen Gründer und Gesellschafter – Zentralbanken.“

Zum ersten Präsidenten der BIZ wurde Gates McGarrah ernannt, der zuvor der Generaldirektor der Chase National Bank gewesen war und das Amt des Vorsitzenden der Federal Reserve Bank of New York innegehabt hatte. McGarrah, der Großvater des späteren CIA-Direktors Richard Helms, prahlte damit, dass die BIZ „völlig von jeglicher staatlichen oder politischen Kontrolle enthoben“ gewesen sei.

Die BIZ diente als Ort für Treffen, die Hjalmar Schacht beispielsweise mit Montagu Norman hatte, dem Gouverneur der Bank of England (1920 – 1944) und Mitglied der Anglo-German Fellowship, die dem Cliveden Set nahestand, oder mit Allen Dulles vom US-Geheimdienst Office for Strategic Services. Der Bruder des Letztgenannten, John Foster Dulles, fungierte als amerikanischer Anwalt der BIZ. In den BIZ-Leitungsgremien saß nicht zuletzt Kurt Freiherr von Schröder, jener Teilhaber des Kölner Bankhauses J. H. Stein, der für Hitler vor und nach 1933 äußerst nützlich gewesen war. Im Vorstand der BIZ wurde Deutschland außerdem von Hermann Schmitz repräsentiert, dem Vorstandsvorsitzenden der I.G. Farben von 1935 bis 1945 – damalig das viertgrößte Unternehmen der Welt (nach den US-Firmen General Motors, US Steel und Standard Oil), das nach 1945 insbesondere für das Schädlingsbekämpfungsmittel Zyklon B bekannt werden sollte.

Die Präsidentschaft der BIZ in der Zeit des Zweiten Weltkriegs hatte Thomas McKittrick inne, ein Anwalt aus den USA, der nach dem Ersten Weltkrieg an den Verhandlungen über die Reparationszahlungen des Deutschen Reichs teilgenommen hatte. Zudem hatte McKittrick von London aus Auslandsinvestitionen in Deutschland betreut, die von John Foster Dulles arrangiert wurden, der bei der Wall Street-Kanzlei Sullivan & Cromwell tätig war (wie auch sein Bruder Allen). In den 1930ern diente John Foster Dulles als amerikanischer Generalrepräsentant der I.G. Farben. Unter Weltkriegsgeneral Dwight D. Eisenhower, dem 34. Präsidenten der Vereinigten Staaten, wurde er dann ab 1953 US-Außenminister. Sein Bruder Allen wurde zugleich Direktor der CIA.

Über McKittrick heißt es, dass er „eine entscheidende Rolle beim Leisten von Beihilfe zu Hitlers Krieg“ spielte. „Unter seiner Aufsicht akzeptierte die BIZ bereitwillig Nazi-Raubgold, führte Devisengeschäfte für die Reichsbank aus, und erkannte die Invasion und Annexion der eroberten Länder durch die Nazis an. Auf diese Weise legitimierte sie auch die Rolle der nationalen Banken in den besetzten Ländern bei der Aneignung jüdischen Vermögens. Tatsächlich war die BIZ für das Nazi-Gesamtprojekt so unentbehrlich, dass der Vizepräsident der Reichsbank Emil Puhl – der später für Kriegsverbrechen angeklagt wurde – die BIZ einmal die einzige ,Auslandsniederlassung‘ der Reichsbank nannte.“

Im Dezember 1942, als die Vernichtung der deutschen 6. Armee in Stalingrad und damit der endgültige Wendepunkt im Zweiten Weltkrieg gerade bevorstand, machte Thomas McKittrick  einen (mit Problemen bei der Rückreise) verbundenen Abstecher nach New York City.

„Am 17. Dezember 1942 gab Leon Fraser, ein amerikanischer Banker und selbst ein ehemaliger Präsident der BIZ, ein Abendessen für McKittrick im University Club. Siebenunddreißig der mächtigsten Finanzleute, Industriellen und Geschäftsleute der Vereinigten Staaten trafen sich zu seinen Ehren. Dazu gehörten die Präsidenten der New Yorker Federal Reserve, der National City Bank, des Bankers Trust und General Electric sowie ein ehemaliger Staatssekretär des Schatzamtes und ehemaliger US-Botschafter in Deutschland. Standard Oil, General Motors, JP Morgan, Brown Brothers Harriman, mehrere Versicherungen und auch Kuhn Loeb schickten Führungskräfte. Es war wohl das größte einzelne Zusammentreffen von Amerikas Kriegsgewinnlern. Viele dieser Unternehmen und Banken hatten, wie McKittrick, ein Vermögen aus ihren Verbindungen mit Deutschland gemacht, Verbindungen, die weit nach Hitlers Machtübernahme im Jahre 1933 und erst recht nach dem Ausbruch des Krieges im Jahre 1939 Profite produzierten.“

Nach dem Zweiten Weltkrieg, als er 1946 aus seinem Amt bei der BIZ ausschied, nahm McKittrick im selben Jahr eine langjährige Tätigkeit bei der Chase National Bank in New York City auf.

Der Artikel, den ich las, stammt von Adam LeBor und ist hier unter der Überschrift “Meet the American Banker Who Helped Hitler Loot Jewish Gold—While Spying for the OSS“ abrufbar.

Ferner gibt es hier einen Artikel der “NRhZ“ mit der Schlagzeile “Wie der Weltkrieg der Nazis finanziert wurde“.

Heutzutage herrscht bei der BIZ übrigens durchweg tote Hose, wie uns US-Finanzanalyst David Goldman verklickern möchte, der für das „Tablet“-Magazin bisweilen Musikkritiken beisteuert: „Die BIZ ist im Besitz und unter Kontrolle der Mitglieds-Zentralbanken, denen sie eine Service-Organisation ist. Es bietet ein Forum, um regulatorische Standards zu erarbeiten, wozu es von den Mitglieds-Zentralbanken abhängt; es bietet Clearing-Dienstleistungen; es erledigt ein bisschen Geld-Management für Zentralbank-Dienstleistungen; und es sammelt und veröffentlicht Statistiken. Früher habe ich bei der BIZ als Kunde angerufen, als ich für die Credit Suisse tätig war. Es ist ungefähr so spannend bei der BIZ in Basel zu arbeiten, wie es für eine Versicherungsgesellschaft in Cedar Rapids zu arbeiten wäre.“

Siehe hier.

Zuletzt noch das Musikstück der Woche: Udo Lindenberg & Das Panikorchester – Alles klar auf der Andrea Doria.

Und überhaupt ist alles längst zu spät

und der Nervenarzt weiß auch nicht mehr wie’s weitergeht.

Aber sonst ist heute wieder alles klar auf der Andrea Doria.

In dem Sinne, ganz der Ihre,

Lars Schall.

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