Jede Woche am Sonntag stelle ich eine Auslese der zehn bemerkenswertesten Geschichten und Veröffentlichungen vor, auf die ich bei meinen Streifzügen durch die Tiefen und Weiten des weltumspannenden Informationsnetzes gestoßen bin.
Von Lars Schall
Geneigte Leserin, geneigter Leser,
willkommen bei Die Woche im Rückspiegel betrachtet. Mit diesem Format möchte ich Ihnen immer wieder des Sonntags im Schnelldurchlauf zehn bemerkenswerte Geschichten und Veröffentlichungen präsentieren, über die ich im Laufe der jeweils vorangegangenen sieben Tage via wilder Internet-Klickerei stolperte.
Und damit ohne weiteren Aufhebens zu den…
TOP 10-LINKS DER WOCHE
Auf Platz 10 seien Sie mir bitte nicht böse, aber das Theater des Absurden, mit dem die EU die siechen Griechen in die Mangel nimmt, begleite ich nur ganz am Rande; den Großteil schenke ich mir. Aus dem Wenigen, das ich en passant mitbekomme, war diese Woche auf “Infosperber“ in Sachen Yanis Varoufakis zu erfahren: “Die Worte, mit denen er angeblich während des EU-Ministertreffens in Riga beschimpft worden sei, seien nie gefallen: ‘Das kann ich mit aller Sicherheit dementieren‘ (wörtlich: ‘mit jeder Faser meines Körpers‘). Als Beweis besitze er eine Tonaufnahme der dreistündigen Sitzung, zitiert ihn das NYT-Magazin. Diese Tonaufnahme könne er nicht veröffentlichen, weil die Verhandlungen vertraulich waren. Dass Verhandlungen zwischen Staaten aufgezeichnet werden, ist üblich. (Nachtrag vom 22.5.2015: Die heutige NZZ berichtet, dass Varoufakis seine Tonbandaufnahme zuerst bestätigt, dann ‘gegenüber Journalisten‘ wieder dementiert habe.) … Varoufakis soll sich gegen die Beschimpfung als ‘Spieler‘, ‘Amateur‘ und ‘Zeitverschwender‘ offensichtlich nicht verteidigen dürfen. Dass Varoufakis die Tonbandaufnahme erwähnt (nicht damit prahlt), um seinem Dementi mehr Glaubwürdigkeit zu verschaffen, macht ‘Blick‘ ihm zum Vorwurf.“
Mehr dazu hier.
Der Wirtschaftsjournalist Norbert Häring sieht eine Kampagne gegen Varoufakis am Werk, die einer “Bankrotterklärung des deutschen ‘Qualitäts‘-Journalismus“ gleichkäme, welche “total“ sei – wie er Ihnen hier auseinandersetzt.
Ferner beschäftigte sich Häring dieser Tage mit den Bestrebungen von interessierter Seite, den Bargeldverkehr abzuschaffen – was Sie hier in Augenschein nehmen können.
Auf Platz 9 erhalten wir Zeichen intelligenten Lebens in den USA. Zum einen geschieht dies kraft eines Gesprächs zwischen Robert Scheer und Chris Hedges, die Scheers Buch “They Know Everything About You: How Data-Collecting Corporations and Snooping Government Agencies Are Destroying Democracy” besprechen – worauf Sie hier stoßen.
Ein weiteres Signal intelligenten Lebens sandte Tom Engelhardt in die Welt hinaus, “Writing History Before It Happens – Nine Surefire Future Headlines From a Bizarro American World” – nachzulesen hier.
Auf Platz 8 setzen wir uns in die Wissenschaftsecke und machen uns firm mit dieser Artikel-Auswahl:
“Antimatter haze found in thundercloud, and the laws of physics can’t explain it”, verfasst von BEC CREW;
“Secret Air Force Space Plane Gets Darth Vader-Style Engine”, verfasst von Kelsey D. Atherton;
“Watching This Simulated Star Die Is Mesmerizing…and Good Science Too”, verfasst von Jason Dorrier;
“Simulated Worlds Will Soon Be Indistinguishable From Reality”, verfasst von Victoria Turk;
“The Trouble With Scientists – How one psychologist is tackling human biases in science”, verfasst von Philip Ball;
“Does the Octopus Have a Soul?”, verfasst von William O’Connor;
“A question of computers and artificial intelligence”, verfasst von Peter Day;
und schließlich:
“Does Artificial Intelligence Pose a Threat? A panel of experts discusses the prospect of machines capable of autonomous reasoning”, verfasst von Ted Greenwald.
Auf Platz 7 läuft eine Studie von Bruce Bartlett auf die Erkenntnis hinaus, dass Zuschauer von “Fox News“ weniger informiert sind, als Leute, die gar keine TV-Nachrichten verfolgen. Bartlett, ein konservativer Ökonom, der für die US-Präsidenten Ronald Reagan und George H.W. Bush arbeitete, gelangt in der Studie “How Fox News Changed American Media and Political Dynamics” zum Schluss, dass die Ende 1996 gestartete TV-Nachrichtenstation “Fox News“ für viele ihrer rund 17 Millionen Zuschauer die einzige Nachrichtenquelle ist, insbesondere unter solchen mit konservativen Präferenzen – doch durch “die Beschränkung auf nur eine wichtige Nachrichtenquelle“, das Ablehnen “jedweder Nachrichten oder Meinungen“ abseits des Geschehens auf Fox, und das Akzeptieren einer jeden Information auf Fox als Wahrheit seien viele der Zuschauer zu Opfern dessen geworden, was Bartletts Studie “Selbst-Gehirnwäsche“ nennt. Laut Bartlett rückte Fox nach den Anschlägen vom 11. September 2001 merklich weiter nach rechts, so dass aus dem Nachrichten-Netzwerk “mit konservativer Neigung“ eine Abspielstätte für “Desinformation und Propaganda“ geworden sei, deren Zuschauer “die am wenigsten informierten Medienkonsumenten“ darstellten.
Weiteres zur Studie folgt hier.
Mit Medien hat auch ein Interview zu tun, das Marcus Klöckner mit Harald Schumann führte: “‘Wir haben genau die Medien, die wir verdienen‘, sagt der Journalist Harald Schumann im Interview mit Telepolis. Schumann, der 2004 beim Spiegel kündigte, nachdem eine Geschichte von ihm zum Thema Energiepolitik nur in veränderter Form erscheinen sollte, geht im Telepolis-Interview auf die aktuelle Kritik an den Medien ein und erzählt, was er bei seiner Arbeit zu der viel beachtenden Dokumentation ‘Macht ohne Kontrolle – Die Troika‘ erlebt hat.“
Dieses finden sie hier.
Auf Platz 6 geht’s um einen “Akt der Unterwerfung”. Inwiefern? Nun: “In Berlin wird heftig diskutiert, ob die Bundesregierung die Spählisten des US-Dienstes NSA gegen den Willen der Amerikaner freigeben soll. Vertraglich sei sie zur Geheimhaltung verpflichtet, sagt der Historiker Josef Foschepoth. Statt sich auf deutsches Recht zu berufen, müsse die Bundesregierung dieses ändern.“
Lesen Sie mehr dazu hier.
Dann werden wir darauf hingewiesen, dass hochrangige Mitarbeiter des Pentagon gegen einen gewissen Edward Snowden wettern, aber selbst Details verraten – namentlich kritische Details über Aktionen in Syrien.
Den Hinweis können Sie hier weiter verfolgen.
Michael E. Horowitz, ein Inspector General des US-Justizministeriums, zieht in einem 77-seitigen Bericht das Fazit, dass kein einziger großer Terrorismusfall durch die Spionagevollmachten gelöst worden sei, die dem FBI kraft des Abschnitts 215 des Patriot Act-Gesetzwerks gegeben wurden. Die für den Report befragten Agenten des FBI konnten “keine größeren Fall-Entwicklungen identifizieren“, die auf die Verwendung der Sektion 215-Vollmachten zurückzuführen wären.
Darüber lesen Sie hier unter der Überschrift “FBI admits no major cases cracked with Patriot Act snooping powers”.
Auf Platz 5 kehren wir noch einmal zu den siechen Griechen zurück – denen nämlich kaufen deutsche, russische und chinesische Firmen die staatseigene Infrastruktur weg, sprich Sachen wie Flughäfen, Seehäfen und Autobahnen. So hat die China Ocean Shipping Company (COSCO) beispielsweise 51 Prozent am größten Hafen Griechenlands erworben. Zum Kauf werden unter anderem angeboten: die Egnatia-Autobahm im Norden des Landes, Besitztümer Griechenlands in New York, Washington und Belgrad, Thermalquellen und eine frühere Militärbasis der US Air Force auf der Insel Kreta.
Weitere Informationen können Sie hier dem dazu von mir gesichteten Artikel entnehmen.
Auf Platz 4 stemmen sich über 250 Tech-Unternehmen der USA in einem Brief an den US-Kongress gegen das Handelsabkommen, das US-Präsident Barack Obama mit 11 Ländern im asiatisch-pazifischen Raum abschließen will, Trans-Pacific Partnership genannt.
Warum diese Firmen, zu denen u.a. Basecamp, Dreamhost, Namecheap und Credo Mobile gehören, das Vertragswerk ablehnen, das hinter geschlossenen Türen verhandelt wird, erfahren Sie hier.
Zum gleichen Thema, nämlich zur Trans-Pacific Partnership, hätte ich des Weiteren für Sie in petto:
“I’ve Read Obama’s Secret Trade Deal – Elizabeth Warren Is Right to Be Concerned”,
und:
“The Trans-Pacific Partnership (TPP): This Is Not About Ricardo”.
Auf Platz 3 nehmen wir zur Kenntnis, dass Stephen King, der Chef-Ökonom der Großbank HSBC, die globale Wirtschaft am Rande eines großen Zusammenbruchs sieht. Hier erklärt er, wieso er diese Meinung hegt.
So eingestimmt können Sie mit dem Journalisten Ernst Wolff der Frage nachgehen “Wie nah am Abgrund steht das globale Finanzsystem?“ – und zwar hier.
Auf Platz 2 versucht der niederländische Goldanalyst Koos Jansen einmal mehr, wirkliche Aufklärung in Sachen China und Gold zu betreiben.
Nur ganz kurz verlinkt sei einerseits auf:
“PBOC Gold Purchases: Separating Facts from Speculation”,
und andererseits auf:
“Chinese Gold Leasing Not What It Seems”
Etwas näher eingehen will ich dafür auf den Artikel “Xinhua: China Sets Up Gold Fund For Central Banks”. Demnach startet China einen Fonds von 100 Milliarden Yuan, der von der Shanghai Gold Exchange angeführt werden soll. Viele Länder, die an Chinas Infrastrukturprojekt der “Neuen Seidenstraße“ beteiligt sind, kaufen über ihre Zentralbanken erkleckliche Mengen Gold. Die Shanghai Gold Exchange soll zukünftig das Gold für jene Mitglieder kaufen, die in den Fonds einzahlen. Und nach Informationen von Xinhua, der staatlichen Nachrichtenagentur der VR China, sind das immerhin schon an die 60 Nationen.
Weiter im Text von Jansen geht’s hier.
Und auf Platz 1 verbuchen wir erst einmal, dass die USA rund um den Globus knappe 800 Militärbasen unterhalten, was jährliche Kosten von geschätzten 100 Milliarden US-Dollar verursacht. Zu diesem Ergebnis kommt David Vine in seinem Buch “Base Nation”, und wenn Sie mögen, können Sie hier mehr zum Thema aufrufen.
“Don’t Blame Islam: Al-Qaeda and ISIS are Products of US and Saudi Imperialism”, so lautet die Schlagzeile über einem Essay von David Mizner, der hier aufploppt.
Und dann wurde am 18. Mai durch die Bürgerrechtsvereinigung Judicial Watch eine Auswahl von ehemals vertraulichen Dokumenten veröffentlicht, die vom Pentagon und dem US-Außenministerium stammen. In einem Dokument der Defense Intelligence Agency (DIA), das vom August 2012 stammte und an US-Behörden wie CENTCOM, CIA und FBI ging, hieß es, dass für den Westen, die Länder des Golfes und für die Türkei die Möglichkeit bestünde, „ein erklärtes oder unerklärtes salafistisches Fürstentum in Ost-Syrien“ zu etablieren – was wiederum exakt das sei, was die Unterstützer der syrischen Opposition wollten, „um das syrische Regime zu isolieren“. Will bedeuten: „Das Dokument zeigt, dass die US-Geheimdienste bereits 2012 den Aufstieg des Islamischen Staates im Irak und in der Levante (ISIL oder ISIS) vorhersagten, aber statt sich von der Gruppe als einem Feind deutlich abzugrenzen, sieht der Bericht die Terrorgruppe als einen strategischen Wert für die USA an“, mit dem sich ein Regimewechsel in Damaskus bewerkstelligen lassen könne, wiewohl al-Qaida in dem Bericht als der treibende Faktor hinter der syrischen Opposition ausgemacht wird. Der DIA-Report, der mit der Geheimhaltungsstufe „SECRET/NOFORN“ versehen wurde, sagte für den Fall einer „Verschlechterung der Lage“ in Syrien „düstere Konsequenzen für die Situation im Irak“ voraus. Nicht zuletzt würde sich dadurch eine „ideale Atmosphäre für die Rückkehr von al-Qaida in ihre Stammgebiete in Mosul und Ramadi“ ergeben.
Das wichtige Dokument schwappt hier, hier, hier, hier und hier hervor.
Zuletzt noch das Musikstück der Woche: SIMON PARK & GARY GRANT – Good Company.
In dem Sinne, ganz der Ihre,
Lars Schall.