Die Woche im Rückspiegel betrachtet

Jede Woche am Sonntag stelle ich eine Auslese der zehn bemerkenswertesten Geschichten und Veröffentlichungen vor, auf die ich bei meinen Streifzügen durch die Tiefen und Weiten des weltumspannenden Informationsnetzes gestoßen bin.

Von Lars Schall

Geneigte Leserin, geneigter Leser,

willkommen bei Die Woche im Rückspiegel betrachtet. Mit diesem Format möchte ich Ihnen immer wieder des Sonntags im Schnelldurchlauf zehn bemerkenswerte Geschichten und Veröffentlichungen präsentieren, über die ich im Laufe der jeweils vorangegangenen sieben Tage via wilder Internet-Klickerei stolperte.

Und damit ohne weiteren Aufhebens zu den…

TOP 10-LINKS DER WOCHE

Auf Platz 10 starten wir mit etwas zum Lachen – jedenfalls habe ich gelacht, als ich das las:

“Der ehemalige georgische Präsident Michail Saakaschwili steht in Georgien wegen Korruption auf der Fahndungsliste. Doch der ukrainische Präsident Poroschenko braucht ihn dringend“ – und so wurde er “am Sonnabend in der Gebietsverwaltung von Odessa … zum neuen Gouverneur des Gebietes Odessa ernannt.“

Weitere Angaben zu dieser Personalie am Schwarzen Meer folgen hier hinterdrein.

In Sachen Steueroasen hat die Ukraine unterdessen eine schwarze Liste erstellt, auf der sich “76 Länder bzw. Inseln oder Inselgruppen“ befinden, davon “die meisten von ihnen notorische Steuerparadiese wie die Jungferninseln oder Cayman-Islands, deren Geschäftsmodell die Registrierung von Offshore-Firmen zum Zweck der Steuerminimierung ist. An EU-Staaten sind neben Österreich nur Bulgarien, Malta, Irland, Luxemburg und Zypern genannt, an Nicht-EU-Staaten die Schweiz und Liechtenstein.“

In Österreich fragt man sich, was man auf der Liste zu suchen hat und ob es sich um einen Racheakt handele, wie Sie hier ersehen können.

Auf Platz 9 zeigt sich: „Wer die Wissenschaft hinter sich hat, kann fast alles verkaufen“. Das ist Tenor einer Dokumentation von ZDF und Arte (“Schlank durch Schokolade – Eine Wissenschaftslüge geht um die Welt”), deren Autorenteam es fertigbrachte, dass Medien weltweit die Schlagzeile brachten: „Schokolade macht schlank!“, was angeblich aus einer Studie hervorging – allein, die Studie war ein Fake und das zuständige Institut existierte gar nicht.

Lesen Sie dazu hier “Die Schoko-Lüge: Bild, Focus Online & Co. fallen auf Fake-Studie herein“.

Auf Platz 8 scheint die VR China die Mittlerrolle zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung anzunehmen, über die seit längerem spekuliert wurde. Jedenfalls soll es am 20. Mai zu Geheimgesprächen zwischen den feindlichen Parteien unter Beisein eines Offiziers des pakistanischen Geheimdienstes ISI in China gekommen sein. Die Regierung Afghanistans wie auch die Taliban stritten eine solche Zusammenkunft ab.

Tatsächlich könnte es ein solches Treffen aber im Juni geben, wenn der afghanische Präsident Ashraf Ghani mit einer Delegation in Katar weilen will, um mit Führern der Taliban zu sprechen.

Siehe hier.

Auf Platz 7 rangiert ein Interview mit dem Journalisten Peter Ohlendorf, der 2014 das NSU-Rechercheprojekt „Heilbronn-Komplex“ startete. „Der Schlüssel zum NSU liegt in Heilbronn“, sagt Ohlendorf in dem Gespräch mit Ralf Hutter, und zwar “zu Fragen wie: Wer war der NSU wirklich? In welche Bereiche hat er reingestrahlt, an die heute noch niemand denkt? In Heilbronn sind durch zahlreiche Zeugenaussagen Spuren offen gelegt worden, denen man nachgehen muss, denen aber die Ermittlungsbehörden nicht mit der Intensität nachgegangen sind, die von ihnen eigentlich zu erwarten ist. Angesichts dieser Spuren muss man sich fragen: War es wirklich die immer noch vom Generalbundesanwalt behauptete Zufallstat? Wir stellen das massivst in Frage. Wenn da, wie es Zeugen sagen, mehr Menschen am Tatort waren, muss man fragen, in welchem Kontext die operierten. Dem nachzugehen ist eine sehr mühsame Arbeit, die immer wieder Rückschläge erleidet.“

Das ganze Interview harrt Ihrer hier.

Auf Platz 6 gibt es ein knapp 15-minütiges Gespräch beim SWR mit Nahostexperte Michael Lüders zu seinem Buch “Wer den Wind sät: Was westliche Politik im Orient anrichtet“ – anzuhören hier.

“Zur Kontinuität amerikanischer Interventionen“ meldet sich Paul Schreyer zu Wort, indem er sich mit dem Buch “Die Weltbeherrscher: Militärische und geheimdienstliche Operationen der USA“ beschäftigt, das von Armin Wertz geschrieben wurde – siehe hier.

Auf Platz 5 vermögen Sie sich mit dem Weißbuch über die Militärstrategie der Volksarmee Chinas auseinanderzusetzen, das dieser Tage erschien. Darin “schaltet China von Verteidigung auf ‘aktive Verteidigung‘ um und spricht von ‘Neo-Interventionsimus‘“ – wie Ihnen hier unter der Überschrift “China zieht rote Linie für einen Krieg mit den USA“ vor Augen gebracht wird.

Mehr zur selben Problematik: “China’s Military Blueprint: Bigger Navy, Bigger Global Role”, hier auf “Foreign Policy“.

Zum Thema China und Militär zeige ich des Weiteren an: “China moves weapons on to artificial islands in South China Sea”, hier beim “Sydney Morning Herald”.

Dann las ich bei “Asia Times“, dass China um die 900 Milliarden US-Dollar in die “New Silk Road“ investieren will:

“Bisher wurde viel von dem, was China über seinen New Silk Road-Wirtschaftskorridor enthüllte, der Zentralasien und Europa überspannt, in breiten Pinselstrichen gemalt.“ Das änderte sich nun, indem die China Development Bank (CDB) Pläne enthüllte, wonach bis zu 900 Milliarden US-Dollar in das Projekt “One Belt, One Road” gehen werden. “Die CDB, eine von Chinas wichtigsten politischen Banken, sagte, dass das Geld mehr als 900 Projekte mit 60 Ländern finanzieren wird. Diese Projekte umfassen Kohle und Gas, Bergbau, Elektrizität, Telekommunikation, Infrastruktur, Landwirtschaft und People-to-People-Börsen, die Handels- und Kapitalflüsse helfen sollen.“

Auf der Eröffnungsfeier des Industriedialogs zur Vernetzung des Asien-Europa-Treffens (Asia-Europe Meeting, ASEM) in Chongqing sagte Vize-Premier Zhang Gaoli, dass China “sechs Wirtschaftskorridore bauen“ will, “um Asien mit Europa zu verbinden. Die Finanzierung würde von der neuen Asien Infrastruktur-Investitionsbank und dem Silk Road Fund kommen.“

Die sechs Korridore sind: China-Mongolei-Russland, die Neue Eurasische Landbrücke, China-Zentral-und-Westasien, China-und-die-Indochina-Halbinsel, China-Pakistan und Bangladesh-China-Indien-Myanmar.

Dies entnahm ich dieser Veröffentlichung hier.

Der IWF verlautbarte derweilen diese Woche, dass die Währung des größten Goldkäufers des Planeten, China, nicht mehr länger “unterbewertet“ sei – und damit bereit zum Eintritt in die Sonderziehungsrechte des IWF, worauf Sie hier stoßen.

Auf Platz 4 lesen wir zunächst über die Gold- und Devisenreserven Russlands, dass diese sich “per Ende April im Vergleich zum Vormonat von 39,8 Mio. Unzen auf 40,1 Mio. Unzen erhöht“ haben – siehe hier.

Auf “Reuters“ lesen wir daraufhin, dass der Zuwachs der russischen Goldbestände, der seit geraumer Weile zu verzeichnen ist, bei der russischen Zentralbank als Versicherung gegen “politische Risiken“ angesehen wird – siehe hier.

Dann bleiben wir dem Gold treu, greifen aber noch einmal auf China und die “New Silk Road“ zurück. China hat einen Fonds aufgelegt, von dem erwartet wird, dass er 16 Milliarden US-Dollar für Gold-bezogene Investments bereitstellt, die Teil der “New Silk Road“-Initiative sein sollen. In dem Fonds wird der Goldproduzent Shandong Gold Group insgesamt 35 Prozent übernehmen, gefolgt von der Shaanxi Gold Group mit 25 Prozent. Der Rest fällt an verschiedene Finanzinstitute.

Dergleichen lesen Sie hier.

Auf Platz 3 heißt’s: “Gestern gaga, heute Mainstream: Geldschöpfung aus dem Nichts“, geschrieben von Norbert Häring. “Notenbanken verkünden neuerdings die These“, so Häring, „dass Banken Geld aus dem Nichts schaffen. Das ist nicht selbstverständlich, denn in den Standard-Lehrbüchern werden Banken immer noch behandelt als wären sie Vermittler von Kredit und nicht die Schaffer von Kredit, und damit von Geld.“

Letzterer Auffassung zu sein, war in der Vergangenheit oftmals Anlass von Spott und Angriffen. “Im ökonomischen Wissenschaftsbetrieb stehen bis heute Geldschöpfungstheoretiker in der Nähe von Leuten, die sich Hüte aus Alufolie basteln, um sich gegen gedankenlesende Außerirdische zu schützen.“

Die Alühüte-Fraktion kann “grob in zwei Schulen“ eingeordnet werden: “Da ist zum einen die ‘Moderne Monetäre Theorie‘, kurz MMT, die von endogenem Geld spricht und dieses Geldsystem im Großen und Ganzen sehr nützlich findet. Zum anderen sind da Geldreformer, die meinen, Geldschöpfung unter Regie der Zentralbanken statt der Geschäftsbanken würde Kreditblasen und Finanzkrisen verhindern helfen. Eine gewisse Sonderstellung nimmt Richard Werner, Banking-Professor in Southampton ein. Er betont die Rolle der Kreditmenge für die Wirtschaftsentwicklung, wobei es aber sehr darauf ankomme, für welche Aktivität die Kredite vergeben werden, ob für Spekulation (Aktien, Immobilien), Investition oder Konsum. Er tritt für eine staatliche Kreditplafondierung zugunsten der Investitionskredite ein.

Die Anhänger der ersten Gruppe haben Labels wie Post-Keynesianer oder auch Monetärkeynesianer und sind im Wissenschaftsbetrieb noch halbwegs akzeptiert. Die anderen werden manchmal Chartalisten genannt, aber eigentlich werden sie kaum als Wissenschaftler akzeptiert. Sie sind ein buntes Häufchen aus Praktikern – wie etwa der ehemalige Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Thomas Mayer und der ehemals oberste Finanzaufseher in Großbritannien, Adair Turner – und Wissenschaftlern – wie der Soziologe Joseph Huber und der Doktorvater von Josef Ackermann, Hans Christoph Binswanger; aber auch der Research-Leiter der Bank von England, Michael Kumhof, ist ihnen zuzurechnen.

Dass die Frage, welche Theorie die richtige ist, enorme praktische Relevanz hat, haben Kumhof und Zoltan Jakab vom Internationalen Währungsfonds deutlich gemacht. Wenn die Bankengeldschöpfung in ein Modell der Wirtschaft eingepflegt wird, dann kommen deutlich größere Schwankungen der Kreditvergabe heraus, die viel größere Effekte auf die Wirtschaft haben, als wenn man die Intermediationshypothese oder die Loanable-Funds-Theorie zugrunde legt, zeigen sie. Danach lag die Unfähigkeit der Notenbanken und anderer, die Finanzkrise vorherzusehen und zu verhindern, auch an ihrem falschen Verständnis des Geldwesens.“

Weiter im Text geht es hier.

Zur Thematik der Geldschöpfung per Kredit empfehle ich Ihnen noch ein Buch: “Geld aus dem Nichts“ von Mathias Binswanger.

Auf Platz 2 folgt ein Beitrag von Nafeez Mosaddeq Ahmed, der auf die Zerstörung der Wasserversorgungs-Infrastruktur in Libyen hinweist. Er führt diese Zerstörung auf die NATO zurück – beispielsweise im Zusammenhang mit der Bombardierung einer Wasserröhrenfabrik in Brega am 22. Juli 2011. “Legitime militärische Ziele blieben bei dem Angriff unberührt“, so Ahmed. Zuvor hatte die NATO bereits Wasseranlagen in Sirte unter Bombenhagel gesetzt. Beide Angriffe hatten negative Auswirkungen für das Great Manmade River-Projekt, das Libyen mit Wasser versorgte. Die heutige Wasserkrise, die im Lande grassiert, hat einen westlichen Ursprung.

Nähere Details hier.

Und auf Platz 1 erlaubt sich Napoleon-Experte Andrew Roberts eine Art von Scherz, indem er uns erklärt, warum die Welt besser dran gewesen wäre, wenn Napoleon die Schlacht zu Waterloo gegen Wellington und Blücher gewonnen hätte. Roberts sieht Napoleon als Bollwerk gegen die reaktionären Kräfte in Europa, die die liberalen konstitutionellen Bewegungen rund um den Kontinent ausbremsten, sobald die Bahn dazu frei war.

Ich hatte jedenfalls durchaus Spaß an dem Artikel, und womöglich ergeht es Ihnen hier ebenso.

Zuletzt noch das Musikstück der Woche: GUSTAV MAHLER – 9. Sinfonie, IV. Satz.

In dem Sinne, ganz der Ihre,

Lars Schall.

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One Response to “Die Woche im Rückspiegel betrachtet”

  1. Marco Holmer sagt:

    Hallo Herr Schall,

    um das Thema Geldschöpfung und Geldsystem schwebt immer so ein erhabener Schein, als wäre das undurchschaubar, kompliziert und nur durch Experten zu regeln. Ich finde es dagegen unendlich wichtig, daß jeder Einzelne versteht, wie das momentan abläuft. Und es ist einfach nachvollziehbar, wenn man ein paar grundlegende Informationen zu Zusammenhängen hat. Diese werden bislang nur hinter unnötig komplizierter Terminologie versteckt und nirgendwo in der Öffentlichkeit angesprochen.
    Deswegen erlaube ich mir noch ein weiteres Buch zu empfehlen, das die Zusammenhänge einfach und verständlich liefert.

    Gerd-Lothar Reschke – Vom Falschgeldsystem zum freien Marktgeld
    http://buecher.reschke.de/glr_buch12_geld.php

    Mit freundlichen Grüßen
    Marco Holmer

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