Die Woche im Rückspiegel betrachtet

Jede Woche am Sonntag stelle ich eine Auslese der zehn bemerkenswertesten Geschichten und Veröffentlichungen vor, auf die ich bei meinen Streifzügen durch die Tiefen und Weiten des weltumspannenden Informationsnetzes gestoßen bin.

Von Lars Schall

Geneigte Leserin, geneigter Leser,

willkommen bei Die Woche im Rückspiegel betrachtet. Mit diesem Format möchte ich Ihnen immer wieder des Sonntags im Schnelldurchlauf zehn bemerkenswerte Geschichten und Veröffentlichungen präsentieren, über die ich im Laufe der jeweils vorangegangenen sieben Tage via wilder Internet-Klickerei stolperte.

Und damit ohne weiteren Aufhebens zu den…

TOP 10-LINKS DER WOCHE

Auf Platz 10 finden wir im NSA & Co.-Fundus drei Artikel vor.

Zuerst lesen wir:

“Eine Einstweilige Verfügung gegen die Vorratsdatenspeicherung der NSA ist vom US-Bundesberufungsgericht aufgehoben worden. Die unmittelbaren Auswirkungen sind gering, weil die Verfügung sowieso nie durchgesetzt wurde und die NSA auch diese Massenüberwachung fortgeführt hat. Dennoch ist die Entscheidung ein Rückschlag für die Kämpfer gegen den Überwachungsstaat.“

Sollte Sie das Gefühl beschleichen, das könnte mit Ihnen zu tun haben, schauen Sie doch mal hier vorbei.

Dann gäbe es hier was à la: “Ein Dachverband der IT-Wirtschaft bestürmt den europäischen Gesetzgeber, einen Paragrafen aus der geplanten Datenschutzverordnung zu streichen, wonach Konzerne persönliche Informationen nicht einfach an Drittstaaten ausliefern dürften.“

Und schließlich empfehle ich auf diesem Platz noch eine Veröffentlichung unter dem Titel “Vorratsdatenspeicherung – Neustart der Geisterfahrer“.

Da heißt es einleitend:

“Wie man nach der NSA-Affäre noch behaupten kann, die lückenlose Erfassung und Speicherung aller digitalen Kommunikationsvorgänge stelle deren Vertraulichkeit nicht in Frage und die Daten seien bei den Providern sicher gelagert – dies bleibt das Geheimnis der Großen Koalition. Zugleich kann die NSA-Affäre aber helfen bei der Klärung der Frage, warum die Koalition dieses Vorhaben – gegen alle Kritik von den höchsten Gerichten – dennoch stur umsetzen will: Die kontinuierlich anfallenden Datenmassen sind der Rohstoff, auf den die Werkzeuge zur Standortkontrolle, zur Profilbildung und Netzwerkanalyse angewiesen sind. Ohne diese Daten wären Polizei wie Geheimdienste heute blind, beteuern die Befürworter des Instruments immer wieder. Kurt Graulich erinnert noch einmal an die Vorgeschichte der Vorratsdatenspeicherung und untersucht den vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung auf seine Schwachstellen.“

Für derlei Dinge bitte hier entlang.

Auf Platz 9 wissen wir inzwischen zu genüge: wenn eine Krise kommt, dann hat sie niemand kommen sehen. Wie sich das mit dem Internationalen Währungsfonds und der angeblich unvorhergesehenen Griechenlandkrise von 2010 verhält, vermögen Sie hier unter die Lupe zu nehmen. Wirklich sehr interessant.

Auf Platz 8 fragt man sich hier und hier, ob die Federal Reserve bei den Turbulenzen in den Aktien- und Rohstoffmärkten ihre Hände im Spiel haben könnte.

Auf Platz 7 will ich auf ein neues Buch hinweisen, das von Peter Dale Scott in der Forbidden Bookshelf-Serie erschien, “Dallas ’63: The First Deep State Revolt Against the White House“ – siehe hier.

Ein kommendes Buch von David Talbot über Allen Dulles sollten Sie sich eventuell schon einmal notieren – nämlich dieses hier.

Bleiben wir bei Büchern. Nahost-Experte Michael Lüders veröffentlichte dieser Tage bei C.H.Beck den Titel „Wer den Wind sät“ – siehe hier.

In der ARD lief dazu neulich ein Bericht, in welchem es unter anderem hieß:

“Der fanatische Islam, der Terror, die brutale Gewalt des IS: Das ganze Desaster wäre nicht in der Welt ohne die fatalen Interventionen des Westens innerhalb der letzten 60 Jahre, sagt Lüders: ,Wenn man sich die Verhältnisse in der Region, im Nahen und Mittleren Osten anschaut, Stichwort: Entstehung der Taliban, Stichwort: Entstehung des Islamischen Staates, von Al Quaida. Die Spuren führen immer in Richtung Washington, in Richtung amerikanischer Politik.‘

Für die Recherche zu seinem Buch ist Lüders zurückgegangen bis in die 50er Jahre. Im Iran ereignete sich der Sündenfall schlechthin, sagt er. Es war der Sturz des ersten demokratisch gewählten Regierung und ihres Premierministers Mossadegh. Der wollte die iranische Erdölindustrie verstaatlichen. 90 Prozent des in Europa gehandelten Öls stammten damals aus dem Iran. Großbritannien sah sein Monopol auf das iranische Öl bedroht. Zusammen mit den USA brachten sie Mossadegh durch einen präzise geplanten Putsch zu Fall. Dabei war Amerika Mossadeghs großes Vorbild.

‘Er war ein Bewunderer gerade der amerikanischen Demokratie‘, so Lüders, ‘namentlich von Abraham Lincoln. Das alles nützte ihm aber nichts, denn es galt als unbotmäßig, dass ein Staatschef in einem Land der Dritten Welt sich anmaß, gegen westliche Wirtschaftsinteressen politisch vorzugehen.‘

60 Jahre später veröffentlicht die CIA Dokumente, die belegen, wie der Sturz Mossadeghs durch Großbritannien und die USA geplant wurde. Eine Erfolg versprechende Demokratie wurde zerschlagen und gegen die Diktatur des Schahs eingetauscht.“

Sehen Sie den Beitrag hier.

Ferner können Sie hier einen Vortrag von Michael Lüders verfolgen.

Was die Diktatur des Schah von Persien bzw. vielmehr deren Ende angeht, führe ich derzeit einige Recherchen für das Buch durch, an dem ich schreibe. So kam es, dass mir gestern ein Artikel im britischen Guardian auffiel, in dem Details über die Mission des Vier-Sterne-Generals Robert E. Huyser im Januar / Februar 1979 in Teheran zu erfahren sind. Huyser wurde im Zuge der Konferenz von Guadeloupe in den Iran geschickt, um darauf hinzuwirken, dass die Pahlewi-treuen Militärs keinen Putsch durchführen würden, um das Schah-Regime zu stützen.

Zu dieser Mission stehen seit dem Frühjahr nunmehr deklassifizierte Regierungsdokumente zur Verfügung, wie Sie hier näher in Erfahrung bringen.

Auf Platz 6 kredenze ich Ihnen zum Antikriegstag eine Rede zum Thema “Rüstungsexporte und ihre machtpolitische Funktion“.

Darin wird unter anderem festgestellt:

“Umfragen zufolge befürworten 82% der deutschen Bevölkerung ein Verbot oder zumindest eine drastische Einschränkung der Rüstungsexporte! Wir sollten uns allerdings keinen Illusionen hingeben, dass wir in dieser Frage allzu viele Verbündete in der Politik hätten. Und das gilt auch für Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, obwohl ihm fälschlicherweise vorgeworfen wird, er betätige sich als Totengräber der deutschen Rüstungsindustrie. Dass das Unfug ist, zeigten schon die kürzlichen Meldungen, denen zufolge die Exportgenehmigungen von Januar bis Juni 2015 mit 6,35 Mrd. Euro bereits fast den Gesamtwert von 2014 erreicht haben!“

Mehr Pazifismus hier.

Auf Platz 5 teilt Ihnen Norbert Häring hier mit, wie es um seine Bargeld-GEZ-Gebühren-Affäre bestellt ist. Man hat den Eindruck: so langsam wird’s spannend.

Auf Platz 4 erinnerte mich ein aktueller Artikel im “Handelsblatt“, der mit BlackRock zu tun hat, an einen älteren “Handelsblatt“-Artikel, namentlich “Die heimlichen Herren des Dax“ – siehe hier.

Was dort über BlackRock (immerhin ein riesenhaft erfolgreicher Ableger von Blackstone und der Lehman-Clique um Peter G. Peterson) zu lesen war, bot damals zwei Neuigkeiten: die Mitwirkung von Lawrence Fink an der Verbriefung von Hypotheken einerseits, und die Entdeckung andererseits, dass es eine Echtzeitdatenverarbeitung und -analyse von Wertpapieren aller Art in Gestalt von Aladdin gab. (Dass das System Aladdin irgendwann in Verbindung mit HANA von SAP gebracht und geschult werden würde, war nach der Lancierung durch SAP zu erwarten.)

Was heißt eine solche Zusammenballung von nichtregulierter, aber beinahe geplanter (vor allem auch: virtueller) Finanzmacht global? Und eine andere Frage, die sich stellt, ist ob nicht das Plunge Protection Team und die Firma BlackRock in Krisenlagen ein und dasselbe sind oder mindestens notwendig parallel handeln?

Und in diesem Sinne ist die Lektüre von “Der Vier-Billionen-Dollar-Mann“ hier sehr zu empfehlen. (Die vollständige Diskussion on screen gibt’s hier.)

Das Plunge Protection Team betreffend, hat sich mein Freund Jim Sinclair aktuell zu Worte gemeldet – wie Sie dieser US-Website hier entnehmen können.

Und übrigens, was “Freie Finanzmärkte“ betrifft, so hat der britische Guardian hier erhebliche Zweifel, dass es sie wie angenommen gäbe – sie seien vielmehr “eine der letzte Bastionen des Sozialismus“.

Auf Platz 3 wird ein langes Spiel gespielt, denn es dreht sich um den Iran, und die Spieler sind neokonservative Akteure. Diese geben sich nicht zufrieden mit dem Iran-Deal, wie er im Raume steht.

Lesen Sie dazu hier von David Bromwich den Essay “Playing the Long Game on Iran – The Neoconservatives, Benjamin Netanyahu, and the Republicans Game the System”.

Auf Platz 2 werden wir einmal mehr darauf eingestimmt, dass der Krieg gegen den IS ein langer wird.

Foreign Policy berichtet, dass der Vize-Vorsitzende der U.S. Joint Chiefs of Staff, Admiral Sandy Winnefeld, die Kampagne gegen IS mit dem Kalten Krieg vergleicht. “Ich denke, es wird ein generationsübergreifender Kampf werden.“

General Ray Odierno, der scheidende Vorsitzende der U.S. Army, sagte gegenüber Reportern, dass ISIS seiner Überzeugung nach “ein 10- bis 20-Jahre-Problem“ sei; “es ist kein 2-Jahres-Problem.“

Weiteres dazu bekommen Sie hier dargeboten.

Und auf Platz 1 rangieren zwei Veröffentlichungen zur Gruppe, die Cecil Rhodes und Alfred Milner gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Großbritannien aus der Taufe hoben. Der erste Artikel kommt von Steve Sailer und hat den Titel “Carroll Quigley’s Conspiracy Theory: The Milner Group“. Hierbei geht es im Wesentlichen um die Forschung, die der US-Historiker Caroll Quigley zum Thema durchführte.

Den ausgewogenen Artikel finden Sie hier.

Darüber hinaus hätte ich von K.R. Bolton eine Erwiderung auf den Artikel, den Sailer vorlegte, und zwar hier unter dem Titel “Alfred Milner and His ‘Group’ – Some Myths About the ‘Anglo-American conspiracy’”.

Zuletzt noch das Musikstück der Woche: GLEN PORTER – Um.

In dem Sinne, ganz der Ihre,

Lars Schall.

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3 Responses to “Die Woche im Rückspiegel betrachtet”

  1. C sagt:

    Zum Thema Ende des Shah-Regimes ist das Kapitel „Mr. Foucault goes to Teheran“ aus dem Buch „The Ideology of Tyranny“ von Guido Preparata sehr aufschlussreich.

  2. Christian Borowski sagt:

    Hallo Herr Schall,

    der Düsseldorfer Landtag hat das interne Papier des Duisburger Polizeipräsidenten online gestellt.
    Der SPIEGEL hat zwar auszugsweise daraus zitiert.
    Vielleicht wäre das etwas für Ihre Linkliste.

    Mit freundlichen Grüßen,
    Christian Borowski

    http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV16-3139.pdf

  3. admin sagt:

    haben wir hier im bücherregal liegen…

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