Ein Wiedersehen mit Bernard Lietaer

Für das Buchprojekt, an dem ich arbeite, habe ich ein altes, aber noch immer aktuelles, weil tatsächlich zeitloses Interview transkribiert und übersetzt, das ich mit dem international renommierten Währungsexperten Bernard Lietaer führte. Lietaer befürwortete darin eine grundlegende Veränderung unseres monetären Paradigmas als systemische Lösung der Finanzkrise. Das Einheitswährungsmonopol zugunsten des Privatbankensystems muss beseitigt werden.

Von Lars Schall

Im August 2012 wurde Bernard Lietaer durch Lars Schall interviewt. Das Interview wurde von Michael Leitner (www.lichtfilm.net) aufgezeichnet. Untenstehend folgt ein komplettes Transkript in deutscher Sprache. Das Transkript kann des Weiteren hier als PDF-Dokument heruntergeladen werden.

Lars Schall traf Bernard Lietaer in Deutschland, um mit ihm über das große Mysterium in unser aller Leben zu sprechen – Geld. Lietaer, ehemals Zentralbanker und Fondsmanager, war als Berater für zahlreiche Regierungen und multinational operierende Unternehmen tätig gewesen und arbeitet derzeit als Research Fellow am Center for Sustainable Resources der University of California in Berkeley und als Gastprofessor an der Finanzuniversität in Moskau. Seine Dissertationsarbeit, die er 1971 am Massachusetts Institute of Technology (MIT) einreichte, erlangte große Bedeutung, nachdem im gleichen Jahr das Bretton Woods-System suspendiert wurde. Fortan war die Verbindung des US-Dollars zum Gold gekappt. Lietaers Dissertationsschrift enthielt eine Beschreibung „freischwankender Wechselkurse“. Über Nacht war sie zur einzigen systematischen Forschung geworden, welche herangezogen werden konnte, um mit den neuen Problemen der verschiedenen Währungen des Westens umzugehen. Später war Lietaer mitverantwortlich für die Entwicklung und Implementierung des Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems (EWS) und diente als Präsident des Elektronischen Zahlungssystems der Nationalbank Belgiens. Darüber hinaus war er Mitbegründer und Hauptverantwortlicher der Geschäfte bei GaiaCorp, einer der größten und erfolgreichsten Währungsmanagementfirmen der Welt. In dieser Eigenschaft nannte ihn Business Week in den frühen 1990er Jahren den weltbesten Währungshändler.

How About Money?

Lars Schall: Herr Lietaer, „Ex Scientia pecuniae libertas“, was aus dem Lateinischen kommt und so viel bedeutet wie: „Aus dem Wissen über das Geld entspringt Freiheit“. Trifft das zu?

Bernard Lietaer: Ja, meiner Meinung nach könnte das stimmen. Heutzutage ist das aber sicherlich nicht so. Wir müssen uns allerdings, denke ich, beim Begriff „Geld“ mehr vorstellen als das heutige System. Wenn Sie nur das heutige System lernen, bleiben Sie in einer Schleife hängen, wo es am Ende, fürchte ich, keine Freiheit geben wird.

LS: Ja.

BL: Dort stecken wir fest. Dort stecken wir seit einer geraumen Weile fest.

LS: Warum ist es nun wichtig, übers Geld nachzudenken? Ich meine, zumeist denken wir, dass es etwas Selbstverständliches ist.

BL: Ja, das ist Teil des Problems. Was man sich nicht bewusst macht, damit lebt man als Schicksal. Dann ist man dazu verurteilt, damit zu leben, und das ist, was beim Geld passierte. Wir betrachten Geld als etwas Selbstverständliches, und tatsächlich manipuliert es uns in Richtungen hinein, die die meisten Leute nicht wollen würden, wenn sie wüssten, was los ist.

LS: Können Sie ein bisschen über die Ursprünge und Natur des Geldes erzählen? Es scheint, als habe Geld etwas mit einer Übereinkunft zu tun, und vielleicht deshalb mit Wahrnehmung?

BL: Nun, lassen Sie mich zunächst darauf hinweisen, was Geld nicht ist. Alle Wirtschaftslehrbücher definieren Geld hinsichtlich der Funktionen; ein Tauschmittel, ein Wertmaßstab, ein Wertaufbewahrungsmittel. Das erklärt aber nicht, was Geld ist. Es sagt Ihnen nur, was Geld tut. Wenn man es aber bloß im Sinne der Funktion definiert, glaubt man, dies sei so gegeben. Wenn jemand den Begriff „Transport“ als „Pferde“ definiert hätte, sodass es kein Wort für „Transport“ gegeben hätte, würde nie jemand das Auto oder das Fahrrad erfunden haben. Man würde für immer Pferde vervollkommnet haben. Das ist das, was wir machen. Meine Definition – meine Arbeitsdefinition von Geld – ist, dass es eine Übereinkunft in einer spezifischen Gemeinschaft darstellt, um etwas Standardisiertes als Mittel zum Tausch zu verwenden. Das ist meine Definition, und die deckt ein wesentlich breiteres Spektrum ab, als die herkömmlichen Annahmen zum Geld.

LS: Wenn nun aber die Mehrzahl der Menschen überhaupt keine Ahnung vom Geld besitzt, wer hat sich dann darauf geeinigt?

BL: Das war vor ein paar Jahrhunderten. Wir haben uns einfach daran gewöhnt. Es ist eine Selbstverständlichkeit geworden. Tatsächlich ist das Geld, welches wir heutzutage auf der allgemeinsten Ebene als normal erachten, die Vorstellung einer Einheitswährung.

LS: Sie sehen einen Zusammenhang zwischen dem Geldsystem und der Entwicklung patriarchalischer Gesellschaften. Warum besteht da dieser Zusammenhang?

BL: Wenn Sie alle patriarchalischen Gesellschaften unserer Geschichte in eine Box legen: Sumer, Babylon, den größten Teil der Geschichte Chinas, die Römer, die Griechen, und seit der Renaissance in Westeuropa, heute wir – all diese Gesellschaften nehmen eine Einheitswährung mit positiven Zinsen als gegeben, das heißt, es ist eine Konzentrationsvorrichtung. In einer patriarchalischen Weltanschauung ergibt es auch tatsächlich Sinn, die Ressourcen an die Spitze zu bringen. Und das tut es.

Nun, wenn Sie andererseits Gesellschaften betrachten, die feminine Werte ehren, bemerken Sie, dass es zwei Arten von Währungen gibt. In diesen matrifokalen Systemen gibt es eine den patriarchalischen Gesellschaften vergleichbare Währung. Diese dient aber dazu, Menschen zu bezahlen, die man nicht kennt, im Fernhandel. Sie haben eine zweite Währung, deren Regeln genau im Gegensatz zur patriarchalischen steht, und die wird für den lokalen Handel benutzt.

Die Regeln unterscheiden sich vom patriarchalischen System darin, dass im patriarchalischen System Geld von Oben herausgegeben wird, und es gibt Zinsen, wodurch Ressourcen an der Spitze konzentriert werden. Die matrifokale Währung hat keine Zinsen, und die ausgeklügeltsten von ihnen haben einen negativen Zins, sie werden also ausschließlich als Tauschmittel eingesetzt, um einen Wert wiederherzustellen, und es gibt Menschen, die diese Währung von unten nach oben benutzen, sie ist somit exakt das Gegenteil der patriarchalen Währung. Aber indem diese beiden Währungen parallel existieren, entsteht eine ganz andere Gesellschaft.

LS: Würden Sie sagen, dass die Funktionsweise des Geldes wahnsinnig ist? Zum Beispiel, dass man Geld als Schulden hat? Man hat etwas, das positiv sein sollte, tatsächlich ist es aber von Anfang an negativ, oder?

BL: Ja, jeder Euro, jeder Dollar, jeder Yen ist jemandes Schuld. Es wurde typischerweise dadurch kreiert, entweder für die Regierung, für ein Unternehmen oder für ein Individuum. Also, ja. Das verrückt zu nennen, trifft es aber nicht, denke ich. Ich denke, es ist so außerordentlich begrenzend, darin liegt die Gefahr. Eigentlich habe ich keine Probleme mit dem Bestehen des heutigen Systems. Ich habe enorme Probleme mit seinem Monopol. Dort liegt das Problem. Meiner Meinung nach hat jede Währung ihre Limitierung, egal wie sie entworfen ist. Jede Idee, die als Tauschmittel verwendet wird, wird ihre Einschränkungen haben. Mit unserer Währung aber ein Monopol zu haben, das nicht nur allein… – ich würde es nicht wahnsinnig nennen, sondern in der Tat gefährlich, weil es dem, was wir tun können, Grenzen auferlegt.

LS: Ist die Magie des Zinseszinses ein Problem, das Sie als solches erachten?

BL: Es ist eines der Merkmale des existierenden Systems. Nochmals, wenn man es nutzen möchte, um eine Wettbewerbsgesellschaft zu erhalten, hat das seine Rechtfertigung innerhalb von Grenzen. Wenn Sie es aber als Einheitswährung einführen, ergibt es keinen Sinn, weil wir exponentielles Wachstum haben, was per Definition in einer endlichen Welt nicht geht. Ok. Und wir durchleben das wiederholt. Auf lange Sicht vermag das System nicht zu überdauern, weil es per Definition ewig akkumuliert, schneller und schneller.

LS: Ist das Mindestreserve-Bankwesen ein Problem?

BL: Ich wiederhole mich: von meinem Standpunkt aus gesehen ist es nicht per se ein Problem, solange es sich nicht um eine Einheitswährung handelt und solange es nicht die einzige erlaubte Währung ist. Das Mindestreservesystem hat sich als durchführbar erwiesen. Tatsächlich war es, meiner Ansicht nach, der notwendige Antrieb für das Industriezeitalter. Das Industriezeitalter würde ohne solch eine Art von Geldsystem nicht aufgetreten sein. Allerdings befinden wir uns nun nach, jenseits des Industriezeitalters, und wir verwenden noch immer dasselbe System, und jetzt schränkt es uns bedenklich ein.

LS: Was fördert oder erleichtert unser Geldsystem?

BL: Konkurrenz, kurzfristiges Denken, die Minderung des Sozialkapitals, die Möglichkeit für mehr. Unser System wurde unter dem Zwang des Krieges geschaffen, jede „Verbesserung“ geschah typischerweise im Kontext eines Krieges, und es war der Ursprung vieler Kriege. Ein Krieg stellt das Umfeld parat, wo man reinen Tisch machen kann, wenn die Dinge unmöglich werden, und wir bringen uns heute in diese Situation hinein. Historisch lösten wir das jedes Mal mit Krieg. Ich glaube, die Zeit ist angebrochen, nach anderen Mitteln Ausschau zu halten, nach anderen Möglichkeiten, um die Probleme zu lösen, mit denen wir es zu tun haben, strukturelle Probleme. Das ist es, was ich befürworte.

LS: Ist unsere monetäre Struktur eine systemische Ursache finanzieller Instabilität?

BL: Sicher. Die Kombination aus den verschiedenen Merkmalen… Also, erstens, aufgrund der Tatsache, dass es eine Monokultur ist. Durch die Netzwerktheorie zu komplexen Strömungs-Netzwerken (complex flow networks) wissen wir, dass jedes komplexe Strömungsnetzwerk vielfältige Mittel braucht, in denen es verwendet wird, um stabil sein zu können. Eine Monokultur wird per Definition instabil sein, und das ist, was wir mit unserem derzeitigen Geld tun. Was ich damit meine ist, dass alle nationalen Währungen heutzutage, alle konventionellen Währungen auf die gleiche Weise geschaffen werden, durch Bankschulden. Der Yen, der Dollar oder der Euro sind alle nicht besser oder schlimmer untereinander; sie entsprechen alle derselben Art von Währung, die alle in der gleichen Weise geschöpft werden und die alle die gleichen Verhaltensmuster bewirken. Außerdem, angesichts dessen, dass die wichtigen Institutionen, die an dem Prozess beteiligt sind, die Banken – und die größten Banken sind global –, alle dieselbe Sache zur selben Zeit überall machen – das ist ein weiterer Grund für Instabilität.

LS: Einstmals war unser Geld durch Gold gedeckt. Ist es ein Problem, dass wir keinen Goldstandard mehr haben?

BL: Für mich können Sie ein Währungssystem auf so ziemlich allem projizieren, auf dem Sie es als eine Übereinkunft projizieren wollen. Wenn man übereinkommt, dass Gold „echtes Geld“ ist, und zwar nur Gold, was manche Menschen glauben, okay, ich meine, manche Leute haben das so angenommen, und dann war das deswegen wahr, dass Gold das Mittel zum Tausch ist. Es bleibt aber immer noch eine Monokultur. Es ist immer noch eine Einheitswährung. Ich bin nicht gegen die Nutzung von Gold als Tauschmittel, solange es nur ein Teil des Systems ist und nicht das Ganze, solange es nicht die ganze Reihe des Spektrums ist. Wir brauchen verschiedene Mittel für verschiedene Dinge, und der Goldstandard hatte seine Vor- und Nachteile. Der Goldstandard bewirkte solche Positionen in der Regierung, dass sie nicht auf die Wirtschaft einwirken konnten. Sie saßen einfach herum, die Dinge abwartend.

LS: Wie hat die Aufgabe des Goldstandards die Funktionsweise der Zentralbanken verändert?

BL: Aus dem Blickwinkel der Zentralbanken betrachtet, hat sich, wenn man ihre wahre, fundamentale Rolle anschaut, überhaupt nichts verändert. Was ich tatsächlich ironisch finde, ist, dass es zwei Geschichten gibt, inwiefern Regierungen dadurch mehr beeinträchtigt werden als die Zentralbanken. Üblicherweise lautet die Geschichte, die wir hören, so, dass die Regierungen wie eine Familie seien; man muss Geld verdienen, um seine Kosten abzudecken, und wenn man das nicht schafft, muss man sich das Geld von Leuten leihen, die es haben. Das ist die Geschichte für unsere Familie.

Tatsächlich traf das in den Goldstandardtagen zu. Niemand konnte Gold erschaffen, und wenn man nicht die Möglichkeit besaß, das Einkommen im Sinne der Steuereinkünfte anzuheben, musste man es sich leihen. Nun benutzen wir dasselbe Konzept allerdings in der heutigen Fiat-Welt – wir befinden uns in einer Fiat-Währungswelt. Fiat stammt aus dem Lateinischen und bedeutet die ersten Worte, die Gott in Genesis spricht: Es werde Licht, und es ward Licht, und Er sah, es war gut. In anderen Worten hat man die Fähigkeit, etwas aus dem Nichts zu erschaffen, und das ist, was eine Fiat-Währung macht, und das geschieht derzeit überall auf der Welt. Alle Nationalwährungen werden durch das Bankensystemen aus dem Nichts erschaffen, und zwar in dem Moment, wo sie Kredite schöpfen.

Nun, in diesem Umfeld stimmt die Geschichte von der Familie, dass die Regierung wie eine Familie sei, nicht mehr. Grundsätzlich können Regierungen entscheiden, was sie zur Zahlung der Steuern akzeptieren, und das können unterschiedliche Dinge sein oder auch nur ein Ding, und was immer es ist, was sie zur Zahlung der Steuern akzeptieren oder verlangen, wird von jedermann als Währung akzeptiert werden. Es wird ihr Geld sein.

LS: Sind die Zentralbanken notwendig oder ist die Tatsache, dass es so viele Zentralbanken gibt (ich glaube, es gibt nur drei Länder ohne Zentralbanken), ein Ausdruck dieser Monokultur?

BL: Der Zweck von Zentralbanken ist, das Paradigma einer Einheitswährung zugunsten der Banken aufrechtzuhalten. Ihre Rolle ist, die Interessen des Bankensystems zu schützen. Einige wichtige Zentralbanken wie die Federal Reserve sind in Wahrheit private Unternehmen. Dasselbe trifft auf fünf andere Länder zu. Es ist also Teil der Nebelwand, dass Zentralbanken öffentliche Einrichtungen seien, die Dinge zum Gemeinwohl leisten. Ihr fundamentaler Zweck ist, das Monopol der Währung zum Vorteil des Bankensystems zu schützen, und eine Einheitswährung zu haben. Das heißt, sie sind im Wesentlichen die Hüter der Orthodoxie des korrekten Denkprozesses, und dass sie als öffentliche Einrichtungen zugunsten des Gemeinwohls positioniert wurden, wohingegen das ihre wahre Rolle ist.

Nun brauchen Sie im modernen Währungssystem eine Zentralbank, wenn Sie Mindestreserve-Währungssysteme mit Banken haben wollen. Dann ist es besser, eine Zentralbank zu haben, weil das Währungssystem instabil sein wird, und deswegen braucht man eine „Feuerwehr“, um mit den Problemen einer solchen Währung umzugehen, ja. Aber man braucht keine Zentralbank für jede andere einzelne Währung, die man entwerfen würde. Man braucht nur für einige bestimmte Währungen, die inhärent instabil sind, eine Zentralbank.

LS: Was ist Ihre Meinung zur Tatsache, dass Gold wieder im Geldsystem auftaucht?

BL: Also, ich denke nicht, dass wir zum Goldstandard zurückkehren werden, wenn es das ist, woran Sie denken. Persönlich habe ich keine Probleme mit Gold, wenn es eine andere Währung ist, die parallel verwendet wird, okay. Tatsächlich war das in den Tagen des Goldstandards eine Lüge. Sogar in seiner Glanzzeit, in seiner „guten Phase“, war das Papiergeld nur bruchteilig vom verfügbaren Gold gedeckt. Die Bank of England betrachtete es als Staatsgeheimnis, wieviel Gold sie hatten. Es gab damals einen witzigen Vorfall mit einem Gouverneur der Bank of England, der im Parlament in London befragt wurde. Sie fragten: „Könnten Sie uns bitte als Gouverneur sagen, wie viel Gold es in der Bank of England gibt?“ Er antwortete: „In ausreichendem Maße, Sir“. „Könnten Sie etwas präziser sein?“ „Nein, Sir.“ – Ok? (lacht.)

LS: Denken Sie, dass es eine Konkurrenz gibt zwischen dem Geld, das zum Beispiel die Federal Reserve und das US Treasury herausgeben, dem Dollar, und dem Gold?

BL: Nun, wenn es einen Goldanstieg gibt, einen Anstieg des Preises, wird das als Zeichen für die Schwäche des Dollar interpretiert, und in diesem Sinne, dass Gold mehr Aufmerksamkeit und Wichtigkeit zugesprochen bekommt, fühlen sich die Vereinigten Staaten gefährdet, dass das die Glaubwürdigkeit des Dollar schwächen könnte. In diesem Sinn gibt es keine generelle Konkurrenz, denn niemand läuft mit einem Haufen Gold herum, um Dinge zu kaufen, das ist nicht die Art und Weise, wie das geschieht, ich würde sagen, mindestens seit zwei Jahrhunderten bereits. Also, es gibt tatsächlich schon diese Konkurrenz, wenn Sie so wollen, aber ich würde es nicht Konkurrenz nennen, es ist mehr ein Grund zur Sorge oder ein Signal, das Leute als Schwächung des Dollar interpretieren. Der Dollar wird nicht aufgrund von Gold in Schwierigkeiten geraten, sondern aufgrund anderer Gründe, weil die Leute grundsätzlich dem Dollar nicht mehr länger vertrauen.

LS: Würden Sie dann sagen, dass es einige Anreize für Zentralbanken gibt, den Preis zu deckeln?

BL: Ja, ich würde sagen, dass es insbesondere für den US-Dollar, für die USA, so ist, ja, und dass es Anzeichen für einige Manipulationen gab, ja.

LS: Wird der US-Dollar scheitern?

BL: Die Frage ist nur wann, nicht ob. Leider. Es wird ein Chaos geben, weil wir keinen Plan B haben. Es gibt keine Alternative, die entwickelt worden wäre, und in Wahrheit ist es gar nicht erlaubt worden, eine Alternative zu entwickeln, und deshalb wird es eine harte Landung geben, wenn das passiert.

LS: War der Euro eine gute Idee?

BL: Ich denke, würde der Euro nicht existieren, wäre die EU am Ende der 90er Jahre auseinandergefallen. In diesem Sinne ist der Euro eine gute Idee. Allerdings ist die Handhabung des Euro eine andere Frage. Ich war daran in der Phase der ECU (European Currency Unit) beteiligt, welche der Konvergenzmechanismus zum Euro war, im Übrigen erfolgreich, und uns wurde mitgeteilt: „Der ganze Teil mit der Durchführung, kümmert Euch nicht drum. Es ist nicht Teil dessen, um den Ihr Euch zu kümmern habt. Wir erledigen das später.“ 35 Jahre lang haben sie nichts erledigt, und nun inmitten einer Krise damit klarzukommen, wird kein Spaß sein.

LS: Geben sie den Euro viel Zukunft?

BL: In seiner heutigen Form und in der heutigen Weise, wie er gemanagt wird, stehen die Chancen gering, dass er überlebt. Ich denke, dass irgendetwas vom Euro übrigbleiben wird. Ich denke, dass er sich entwickeln wird, aber das wird nicht in der gegenwärtigen Struktur sein.

LS: Ist das Europäische Währungssystem etwas Demokratisches?

BL: Niemals je hat es eine tatsächliche Währungsdemokratie gegeben, und ich würde sagen, dass es teilweise unnötig ist. Andererseits gibt es aber einen Teil, der demokratisch sein sollte, und danach hungert es uns heute. Man braucht andere Währungsarten, die demokratischen Input reflektieren, denen aber gegenwärtig keine Chance eingeräumt werden.

LS: Was sind Komplementärwährungen? Können Sie das Konzept dahinter erklären?

BL: Um eine Komplementärwährung darzustellen, braucht es ein standardisiertes Tauschmittel, zu dessen Verwendung die Leute sich entschließen, welches nicht die Nationalwährung ist. Es gibt kommerzielle Anwendungen, die jeder kennt, beispielsweise das Sammeln von Flugmeilen, was inzwischen ziemlich alt geworden ist, 35 Jahre. Es gibt Systeme im kleinen Maßstab, die meisten dieser Systeme sind vom Umfang her klein, aber das müssen sie nicht sein. Grundsätzlich kann es alles sein, außer das „gesetzliche Zahlungsmittel“ (legal tender), und es muss von den Leuten als standardisiertes Tauschmedium benutzt werden.

Meine Lösung der heutigen Währungsinstabilität ist das, was ich ein „monetäres Ökosystem“ nenne. Anders ausgedrückt: eine Vielfalt an Währungen unterschiedlicher Größen, die für verschiedene Funktionen da sind, und nicht jeder wird jede davon benutzen – das ergibt gar keinen Sinn. Man wählt die Währungsmittel, die für einen wichtig sind, und das ist bei einer Geschäftsperson oder für die Mutter einer Familie jeweils eine andere, und so haben sie womöglich ihre eigenen Arten von Tauschmitteln, die nicht der Nationalwährung entsprechen und die für sie sinnvoll sind.

LS: Sie interessieren sich für eine globale Währung namens „Terra“. Was ist das?

BL: Der Terra ist eine Währung, eine Weltwährung, die niemandes Nationalwährung ist. Sie würde ein Tauschmedium bereitstellen, das tatsächlich unabhängig von den Nationalstaaten wäre, aber stabiler als die Nationalwährungen sein würde. Ich würde sie komplett mit einem Rohstoffkorb decken, der die wichtigsten Rohstoffe für den Welthandel beinhaltete; Sachen wie Kupfer, Erdöl natürlich, was immer die wichtigsten Güter für den globalen Handel sind. Hätte man eine komplett gedeckte Währung, so hätte man eine Währung, die jedem Schock widerstehen könnte, einschließlich eines Dollarschocks oder eines Euroschocks beispielsweise.

Außerdem besteht mein Hauptgrund für diesen Vorschlag darin, dass es eine Währung ist, die entworfen wurde, um langfristiges Denken profitabel zu machen, was essentiell sein wird, wenn wir der Menschheit eine Chance geben möchten. Die Leute und Organisationen, die über unsere Zukunft entscheiden, sind die Großunternehmen in der Welt, so ist es einfach. Ob man das mag oder nicht, das ist eine Tatsache, und ich habe damit per se keine Probleme, es sei denn, diese Unternehmen optimieren bloß ihre Gewinne für die nächsten drei oder vier Quartale – dann laufen wir geradewegs gegen eine Wand. Der Terra würde es gewinnbringend machen, langfristig zu denken, und der Grund dafür wäre, dass er einen negativen Zins hätte. Die Lagerungskosten des Rohstoffkorbs würden tatsächlich vom Währungsträger bezahlt werden.

LS: 1900 wurde Georg Simmels Buch „Philosophie des Geldes“ veröffentlicht, in dem er vortrug, dass Geld der heutige Gott sei. Was ist Ihre Meinung dazu? Liegt er da richtig?

BL: Ich fürchte, dass er Recht hat. Es ist ein Gott der Schatten. Es ist auch ein Gott, der die negativen Aspekte der Menschheit antreibt; Gier, kurzfristiges Denken, Konkurrenz. Nochmals, ich habe kein Problem damit, dass einiges davon besteht, aber es wird ein Problem, wenn es unser einziges Mittel ist, um in uns Veränderungen zu bewirken, und wenn es uns alle in dieselbe Richtung drängt, was eine Nachhaltigkeit unmöglich macht.

LS: Geld und die Machtgleichung, das ist so ziemlich dasselbe, nicht?

BL: Nun ja, Geld ist wahrscheinlich das Hauptwerkzeug der Macht. Geld hat die Fähigkeit, dass Menschen für Sie auf bestimmte Arten Dinge tun, Leute oder Organisationen, und wenn man das Geld kontrolliert, kann man tatsächlich fast jeden kontrollieren. Es beherrscht auf jeden Fall die Regierungen, und die wiederum kontrollieren jedermann; das ist also, was vor sich geht.

 

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