Jede Woche am Sonntag stelle ich eine Auslese der zehn bemerkenswertesten Geschichten und Veröffentlichungen vor, über die ich bei meinen Streifzügen durch die Tiefen und Weiten des weltumspannenden Informationsnetzes gestolpert bin.
Von Lars Schall
Geneigte Leserin, geneigter Leser,
willkommen bei Die Woche im Rückspiegel betrachtet. Mit diesem Format möchte ich Ihnen immer wieder des Sonntags im Schnelldurchlauf Geschichten und Veröffentlichungen zu 10 Themenbereichen präsentieren, die mir im Laufe der jeweils vorangegangenen Woche als wie auch immer beachtenswert auffielen.
Und damit ohne weiteren Aufhebens zu den…
TOP 10-LINKS DER WOCHE
Auf Platz 10 hätte ich zum Auftakt und anlässlich der Osterfeiertage einen Vortrag für Sie im Angebot, der sich unter dem Titel “The Life of Brian & The Apocalyptic Jesus” mit Religion und Parodie befasst und von Bart Ehrmann gehalten wurde, seines Zeichens Professor für Religionswissenschaften an der University of North Carolina. Der Vortrag fand während einer Konferenz im Sommer 2014 am King’s College in London statt, die sich „Jesus and Brian“ nannte. In seiner Präsentation stellt Ehrmann kurz und eher flüchtig den apokalyptischen Jesus vor, macht dann schon ausführlicher auf das Problem mit Augenzeugenberichten aufmerksam und was das für den Inhalt der Evangelien heißt, geht im Detail auf die erniedrigende Praxis der Kreuzigung unter den Römern ein, zeigt daran anschließend die Abweichung zwischen dem biblischen und dem historischen Pontius Pilatus auf, und legt zum Schluss den Wert dar, den eine Parodie wie jene von Monty Python uns als Zuschauern zu bieten hat.
Ein gerüttelt Maß an „gaya scienza“ sei Ihnen mit dem Vortrag hier gewünscht.
Auf Platz 9 geht König Johan von der Bühne ab. Wir verneigen uns, indem wir seiner hiermit und hiermit gedenken.
Auf Platz 8 konnten “die Medien“ in Sachen Terroranschlag in Brüssel mal wieder nicht aus ihrer Haut heraus – wie hier und (etwas anders, nämlich kritischer) hier geschrieben steht.
Zum Terroranschlag selber sah ich mir hier und hier Stellungnahmen von Sibel “Classified Woman“ Edmonds an, der Herausgeberin der “Boiling Frogs Post“-Website.
Beim Flüchtlingsthema, das die einen mit den Anschlägen vermengen, während es andere daraus halten möchten, machen Vera Lengsfeld und Bettina Röhl unterdes auf publizistisches Duo: Lengsfeld stellt die Website, Röhl den Beitrag. Letzterer befasst sich mit Angela Merkel, alias “Die Gottspielerin“, und steht hier parat.
Im Vorfeld des zweiten EU-Türkei-Flüchtlingsgipfels, der von Röhl oben u.a. kommentiert wird, gab es hier eine beachtenswerte Einschätzung auf “Querschüsse“: “Asylbewerber, Armut, Vermögen und Wirtschaftskraft – ein Blick auf die Relationen“.
Auf Platz 7 rücken wir die Türkei selber in den Fokus.
Diese Woche begann, wie ich hier las, der Prozess gegen die “Cumhuriyet“-Redakteure Can Dündar und Erdem Gül, denen Spionage vorgeworfen wird, nachdem sie über mögliche Waffenlieferungen der Türkei an syrische Extremisten berichtet hatten. Wie die Türkei mit ISIS bei Gerichtsklagen umgeht, ist derweil hier zu lesen gewesen. Ja, und dann wurde noch ein Schützling des türkischen Präsidenten Erdogan namens Reza Zarrab in den USA festgenommen, worüber Sie hier und hier ein wenig lesen können.
Auf Platz 6 registrieren wir Lebenszeichen des US-Politikwissenschaftlers Francis Fukuyama. Mit ihm sprach Tobias Endler “über den Präsidentschaftswahlkampf in den USA, den erstarkten Populismus in Europa und sein neues Buch ‘Political Order and Political Decay: From the Industrial Revolution to the Globalization of Democracy‘“ – und zwar hier.
Auf Platz 5 schauen wir uns in der Finanz- und Wirtschafts-Ecke um.
Laut einem Text, den ich bei Bloomberg vorfand, ist die Anzahl der Förderanlagen für Öl und Gas in den USA auf das niedrigste Niveau seit 75 Jahren gefallen, was in einem Wegfall von fast 75 Prozent aller aktiven Bohranlagen kulminiert. Hier können Sie sich dazu eine animierte Graphik unter der Überschrift “Watch Five Years of Oil Drilling Collapse in Seconds“ anschauen.
Der Ökonom Brian Barnier setzt Ihnen hier auseinander, weshalb er davon ausgeht, dass 93 Prozent der ganzen Bewegung, die der US-Aktienmarkt seit 2008 zeigte, einen einzigen Grund zurückzuführen sei: die Geldpolitik der U.S. Federal Reserve.
Die Bond-Pusher vom US Treasury und der Wall Street werden US-Staatsanleihen nicht mehr so leicht los, wie hier unter “Wall Street’s pile of unwanted Treasuries exposes market cracks” hervorgeht.
Auf Platz 4 bin ich mir alles andere als sicher, ob es ein republikanischer Präsidentschaftskandidat Donald Trump lebend bis zum Wahltag im November schaffen würde, und wenn er es lebend schaffen würde und dann auch noch das Mehrheitsvotum der US-Bevölkerung bekäme, dann bin ich mir ziemlich sicher, dass das Land von Protestierern in Flammen gesetzt werden würde. Man nenne es eine Wahl zwischen Cholera und Pest, die sich den USA dieses Jahr stellt. Die Bühne für einiges Ungemach ist jedenfalls bereitet.
Unter diesen Vorzeichen werde ich in den nächsten Wochen immer wieder kleine Zusammenstellungen zum Kandidaten Trump präsentieren.
Wohlan:
“Mystery Billionaire Members Of ’Stop Trump’ Campaign Revealed”;
“History suggests brokered convention will doom Donald Trump”;
“How The Democratic Elite Betrayed Their Party And Paved The Way For Donald Trump”;
“Trump comparisons with Hitler ‘deeply offensive’, Jewish leaders warn”;
“Read Donald Trump’s Speech to AIPAC”;
und:
“How Many Presidents Does It Take to Deport 11 Million People?”
Ein wesentlicher Faktor im US-Wahlkampf sind die großen Medienhäuser. Ein 3-stündiger Dokumentarfilm von Robert Kane Pappas namens “Orwell Rocks in his Grave“, der 2003 entstand und viele Expertenansichten zu Wort kommen lässt, nimmt das Nachrichtengeschäft in den USA näher unter die Lupe. Wenn Sie die Katze nicht im Sack kaufen möchten, können Sie sich hier erst einmal einen kurzen Überblick verschaffen, um den Streifen anschließend eventuell hier Ihren Augen und Ohren von vorne bis hinten darzubieten.
Auf Platz 3 erschien auf der Website von “Harper’s Magazine“ ein Artikel von Dan Baum, der sich für die Legalisierung von Drogen ausspricht. In dem Artikel befindet sich eine Aussage, die 1994 von John Ehrlichman gemacht wurde, einem ehemaligen Berater von Richard Nixon. Baum erzählt:
“Damals schrieb ich ein Buch über die Drogenprohibitionspolitik. Ich begann Ehrlichman eine Reihe von ernsthaften, wackeligen Fragen zu stellen, die er ungeduldig wegwischte. ‘Sie wollen wissen, worum es bei all dem wirklich ging?‘, fragte er mit der Unverblümtheit eines Mannes, der nach der öffentlichen Schande und einem Aufenthalt in einem Bundesgefängnis wenig übrig hatte, das es noch zu schützen galt. ‘Die Nixon-Kampagne im Jahr 1968, und das Weiße Haus unter Nixon danach, hatten zwei Feinde: die Anti-Kriegs-Linken und schwarze Leute. Verstehen Sie, was ich sage? Wir wussten, wir konnten es nicht illegal machen, entweder gegen den Krieg oder die Schwarzen zu sein, aber indem wir die Öffentlichkeit dahinbekommen würden, die Hippies mit Marihuana und die Schwarzen mit Heroin zu assoziieren, und dann beides unter Strafe stellten, könnten wir jene Gemeinden stören. Wir könnten ihre Führer verhaften, ihre Häuser durchsuchen, ihre Treffen auflösen und sie Nacht für Nacht in den Abendnachrichten verunglimpfen. Wussten wir, dass wir über die Drogen logen? Natürlich haben wir das gewusst.‘
Ich muss geschockt ausgesehen haben. Ehrlichman zuckte bloß mit den Schultern. Dann schaute er auf seine Uhr, reichte mir eine signierte Kopie seines Spionageromans The Company und führte mich zur Tür.“
Baums ganzer Artikel zum Problem der Drogenprohibition in den USA wartet hier.
Auf Platz 2 findet das US-Verteidigungsministerium soziale Bewegungen in Kombination mit Algorithmen hochspannend. Denn die Aktivitäten von sozialen Bewegungen „sollen vorausberechnet werden, um entsprechend ‘intervenieren‘ zu können.“
Dazu steht hier jetzt etwas in “Der Hintergrund“ unter “Die Zukunftsträume des Pentagon“ – wobei mir der Hinweis erlaubt sei, dass ich auf die zugrundeliegenden Recherchen des britischen Enthüllungsjournalisten Nafeez Ahmed schon einmal im Wochenrückspiegel vom 21. Dezember 2014 ausführlich hinwies (siehe dort ebenfalls Platz 2).
Überdies gäbe es hier etwas zu diesem Thema: “Die US-Regierung hat versehentlich ein offenes Geheimnis gelüftet: Bei ihrem massiven Vorgehen gegen den E-Mail-Anbieter Lavabit ging es im Sommer 2013 um Edward Snowden. Das steht in einem nicht ausreichend geschwärzten Gerichtsdokument.“
Und auf Platz 1 heißt es dieser Tage einerseits vom Pentagon, ISIS befände sich “auf der Flucht“; andererseits aber werden derzeit immer mehr US-Bodentruppen im Irak eingesetzt, um ISIS-Offensiven zu begegnen. Um die Ölfelder zu erobern, die die kurdische Region um Kirkuk zu bieten hat, greift der Islamische Staat die Stadt Machmur an. Damit die irakischen Soldaten die Stadt halten, bekommen sie an vorderster Front neuerdings Unterstützung von U.S. Marines. Sie „wurden mit der Bereitstellung zusätzlichen Schutzes für irakische Soldaten, die gegen ISIS kämpfen, und den US-Beratern, die sie ausbilden, beauftragt. Die Feuerkraft der Marines soll es den irakischen Truppen ermöglichen, sich westlich von Machmur in Richtung Qayyarah zu bewegen, wo ISIS immer noch mehr als 10.000 Barrel Öl pro Tag produziert.“ Außerdem soll so ein “zusätzlicher Schub für die irakischen Streitkräfte“ geleistet werden, “um sicherzustellen, dass die Öl- und Gasinfrastruktur des Landes intakt bleibt.
Mehrere amerikanische und britische Unternehmen arbeiten im irakischen Teil Kurdistans, darunter Chevron, ExxonMobil, Hess, Marathon Oil und Genel Energy. ExxonMobil und Chevron sind in der Explorationsphase und haben die Ölherstellung noch nicht gestartet. (…) Andere westliche Öl- und Gasgesellschaften aus Ländern wie Norwegen und die Schweiz sind auch aktiv in Irakisch-Kurdistan.“
Weiteres zu diesem Bodentruppen-Einsatz im Irak sehen Sie hier unter “US Marines Enter Battle In Iraq To Help Army And Peshmerga Defend Oil Fields From ISIS”.
Zuletzt noch das Musikstück der Woche: Si Cranstoun – I’m Running.
I said that I’m runnin‘
I’m runnin‘ free
On a track that will lead me to the valley of identity…
In dem Sinne, ganz der Ihre,
Lars Schall.