Jede Woche am Sonntag stelle ich eine Auslese der zehn bemerkenswertesten Geschichten und Veröffentlichungen vor, über die ich bei meinen Streifzügen durch die Tiefen und Weiten des weltumspannenden Informationsnetzes gestolpert bin.
Von Lars Schall
Geneigte Leserin, geneigter Leser,
willkommen bei Die Woche im Rückspiegel betrachtet. Mit diesem Format möchte ich Ihnen immer wieder des Sonntags im Schnelldurchlauf Geschichten und Veröffentlichungen zu 10 Themenbereichen präsentieren, die mir im Laufe der jeweils vorangegangenen Woche als wie auch immer beachtenswert auffielen.
Und damit ohne weiteren Aufhebens zu den…
TOP 10-LINKS DER WOCHE
Auf Platz 10 werden Sie zunächst eingeladen, über Städte nachzudenken. Bestimmt haben Sie schon einmal das Schlagwort “Recht auf Stadt“ gehört oder gelesen. Die Idee dahinter geht auf den französischen Philosophen Henri Lefebvre zurück, der davon 1968 in seinem Buch “La droit à la ville“ sprach. Dieses Buch ist nun in deutscher Sprache erschienen, worüber Sie sich hier schlau machen können.
Die Stadt spielt immer wieder eine Rolle im Oeuvre von Filmregisseur Fritz Lang, beispielsweise in seinem Kriminalstreifen “M – Eine Stadt sucht einen Mörder“. Um die Hintergründe, die Lang zu eben jenem Meisterwerk inspiriert haben dürften, ginge es hier.
Auf Platz 9 wird der Soziologe und Publizist Stefan Schulz von Marcus Klöckner hier in einiger Ausführlichkeit zur “Glaubwürdigkeitskrise der Medien“ interviewt.
Auf Platz 8 fiel mir in Sachen “Panama Papers“ folgendes Trio auf:
“BROOKINGS LAUNCHES UNGUIDED MISSILE – THE PANAMA PAPERS AS PUTIN PLOT”, von John Helmer;
“Hybrid War, From Palmyra to Panama”, von Pepe Escobar;
und:
“Swiss banker whistleblower: CIA behind Panama Papers”, ein CNBC-Interview mit Bradley Birkenfeld.
Auf Platz 7 nimmt die Initiative zur Veröffentlichung des bisher geheimen 9/11-Dokuments “Finding, Discussion and Narrative Regarding Certain Sensitive National Security Matters“ an Fahrt auf, wie hier, hier und hier hervorgeht.
Auf Platz 6 können Sie sich mit einer wissenschaftlichen Arbeit vertraut machen, und zwar “On the Viability of Conspiratorial Beliefs“, verfasst von David Robert Grimes. In dieser Arbeit wird Mathematik herangezogen, um sich mit “Verschwörungstheorien“ auseinanderzusetzen.
Falls das auf Ihr Interesse stößt, klicken Sie hier, hier und hier.
Auf Platz 5 hat die Deutsche Bank am Ende dieser Woche im Prozess um die Manipulation des Silberpreises am New Yorker Bezirksgericht einen Vergleich ausgehandelt. Der Kläger warf der Deutschen Bank (zusammen mit der Bank of Nova Scotia, HSBC und UBS) vor, den Silbermarkt seit 2007 manipuliert zu haben. Die Deutsche Bank versicherte, dass sie als Teil des Vergleichs Beweise gegen die anderen Beschuldigten liefern werde. Siehe hier und hier.
Wenige Stunden später folgte der nächste Vergleich der Deutschen Bank. Diesmal ging es um den Vorwurf der Goldpreismanipulation. Abermals wurde zugesagt, Beweise im Sinne der Anklage zu liefern. Siehe hier.
Daraufhin wurden in Kanada zwei Sammelklagen eingereicht, wie Sie hier und hier sehen. Weitere werden gewiss folgen.
Im Zusammenhang mit Gold als monetären Gegenstand stieß ich diese Woche auf einen Kommentar, der im April 2013 im chinesischen Journal “Global Finance“ zur Veröffentlichung kam. In dem Kommentar, verfasst vom stellvertretenden Herausgeber Zhang Jie, hieß es:
„Wenn man Gold kontrollieren will, ist es eine Notwendigkeit, die Fähigkeit zu haben, es leerverkaufen zu können. Eine Zentralbank, die Gold direkt unterdrückt, würde als Marktmanipulator verdächtigt werden. Das Gold-Leasing durch die Zentralbank könnte dagegen unbemerkt stattfinden. Während einer Finanzkrise würde Gold sowohl mehr Geldkraft als auch Vertrauen haben. Die Staaten müssen das Vertrauen in ihre nationalen Währungen kontrollieren und deshalb den tatsächlichen Marktpreis von Gold drücken, der die Wechselkurse beeinflusst.“
Für dieses Zitat klicken Sie hier.
Aktuell berichtete das Wall Street Journal (WSJ), dass sich chinesische Goldminenbetreiber auf einer „aggressiven Suche nach Übersee-Akquisitionen“ befinden. Die “historisch niedrigen Goldpreise“, so das WSJ, könnten ihnen helfen, besonders günstig zuzuschlagen, da “mehrere Bergbauunternehmen vor einer Kreditkrise stehen und eine massive Verschuldung haben“. Bislang seien nur wenige chinesische Firmen wie die Zijin Mining Group als Käufer ausländischer Minen aufgetreten. Wenn das mit üppigen Devisenreserven ausgestattete China auf Einkaufstour gehe, könnte es einerseits “seine Abhängigkeit von anderen internationalen Produzenten für den Nachschub verringern“, und anderseits “sein Gewicht in den globalen Goldmärkten steigern“. Laut Auskunft von Peter Grosskopf, CEO von Sprott Asset MGMT in Toronto, hegen alle großen chinesischen Minenunternehmen Übernahmeabsichten im Ausland. Die Zijin Mining Group ist mit Sprott Asset MGMT bereits eine konkrete Partnerschaft eingegangen, Zijin Sprott Fund genannt, deren Ziel der Aufkauf von ausländischen Goldproduzenten ist.
Derlei wäre hier zu lesen.
Am 19. April wird das Goldfixing in Yuan an der Shanghai Gold Exchange beginnen. Dabei sein werden 18 Banken, darunter Standard Chartered und ANZ sowie die vier größten chinesischen Staatbanken, welche da wären: die Bank of China, die Industrial and Commercial Bank of China, die China Construction Bank, und die Agricultural Bank of China. Vom Goldfixing in Yuan werde keine unmittelbare Gefahr für die Preisfindungsdominanz in London und New York erwartet; “aber es könnte Asien letztlich mehr Macht geben, besonders wenn die chinesische Währung vollständig konvertibel wird”.
Derlei steht hier geschrieben.
Auf Platz 4 habe ich für Sie diese Notizen vom US-Wahlkampf aufgepickt:
“Angry Donald Trump blasts Colorado GOP results as ’totally unfair’„;
“Jeb Bush’s brother joins Cruz finance team”;
“Five military leaders Republicans could draft for a run for president”;
“Two Contested Conventions? It Wouldn’t Be The First Time”;
“Clinton’s Superdelegates Are Ultimate Firewall to Block Sanders”;
“Hillary’s ’I’m Not a Crook’ Moment”;
und:
“Establishment Protection of Big Banks”.
Auf Platz 3 stoßen wir zu doch recht interessanten Äußerungen von Andrew Levin vor, der Ökonomie am Dartmouth College lehrt. Von 2010 bis 2012 diente Levin als Sonderberater von Ben Bernanke und Janet Yellen, dem damaligen Führungsduo des Federal Reserve-Vorstands in Washington DC, nachdem er jahrelang selber bei der Fed tätig gewesen war.
Im Wall Street Journal (WSJ) spricht sich Levin dafür aus, die Aktivitäten der Fed transparenter zu gestalten. Viele Menschen würden erstaunt sein, wenn sie um das Ausmaß wüssten, zu dem sich die Federal Reserve in Privatbesitz befände, wird Levin vom WSJ zitiert. Nach seinen Vorstellungen müsse aus der Fed “‘eine vollkommen öffentliche Einrichtung wie jede andere Zentralbank‘ in der entwickelten Welt“ werden, die einer öffentlichen Kontrolle unterliege. Dieser Vorschlag zielt insbesondere auf die 12 regionalen Federal Reserve-Banken ab, die quasi-private Einrichtungen seien und technisch den Geschäftsbanken in ihren jeweiligen Distrikten gehörten. Um die 12 Fed-Banken „in vollem Umfang in die Regierung zu bringen“, wie es Levin fordert, bedürfte es entsprechender Initiativen des Kongresses, der das Federal Reserve System Ende 1913 legitimierte.
Bei Bloomberg heißt es: „Levin sagte, dass die 12 Regionalbanken vollständig öffentliche Einrichtungen werden sollten“, wozu die Anteile, die von den privaten Mitgliedsbanken gehalten werden, „irgendwie beseitigt oder zurückgekauft“ werden müssten.
Ginge es nach Levin, würde der Auswahlprozess der regionalen Fed-Präsidenten einer öffentlichen Kontrolle unterworfen. Ferner wäre es verboten, dass Fed-Direktoren mit den Finanzeinrichtungen verbunden sind, die sie beaufsichtigen sollen. „Derzeit zum Beispiel sitzt James Gorman, der Vorstandssitzende und CEO von Morgan Stanley, im Vorstand der New York Fed als Klasse-A-Direktor.“
Die beiden erwähnten Artikel finden Sie hier und hier.
Danielle DiMartino Booth, die früher bei der Federal Reserve arbeitete, stellt indes hier die kecke Frage in den Raum: “Has the Fed Bankrupted the Nation?“
Auf Platz 2 gelangen EU-Dokumente, die eigentlich streng geheim bleiben sollen, hier ans Tageslicht. In ihnen stehen “weitgehende Kooperationspläne mit ostafrikanischen Despoten in der Flüchtlingspolitik“.
Dann wird hier gefragt: “Militäreinsatz in Libyen mit deutscher Beteiligung?“ Denn wisse: “Unter dem Eindruck der jüngsten Terroranschläge von Paris und Brüssel rückt die Ausbreitung des selbsternannten Islamischen Staates (IS) auch in Libyen immer stärker in den Fokus der europäischen und nordamerikanischen Politik. Schon vor einiger Zeit warnte US-Außenminister John Kerry, man werde nicht tatenlos zusehen, wie der IS, der bereits 180 Kilometer der libyschen Mittelmeerküste kontrolliert, auch noch Zugriff auf die libyschen Ölfelder bekomme.“ Und Verteidigungsministerin Ursula Von der Leyen sagte der Bild-Zeitung gegenüber: „Deutschland wird sich nicht der Verantwortung entziehen können, dabei [bei der Stabilisierung Libyens] einen Beitrag zu leisten.“
Andernorts stand geschrieben: Ob Washington, Paris, London oder Rom, “überall der gleiche Gedanke: Nachdem der libysche Staat durch einen Krieg destabilisiert und zerstört wurde, können nun dessen Einzelteile mittels der ‘Internationalen Hilfsmission für Libyen‘ eingesammelt werden“.
Weiteres dazu hier.
Die “Sahel“-Zone zwischen der Elfenbeinküste, Libyen und dem Süd-Sudan wird kräftig militarisiert:
“Seit 2002 bilden US-Spezialkräfte – teilweise unterstützt vom KSK der Bundeswehr – hier verschiedene bewaffnete Gruppen in der ‘Terrorismusbekämpfung‘ aus. Die Europäische Union investierte Millionen in den Aufbau neuer Datenbanken und geheimdienstlicher Lagezentren.“ Durch die Intervention in Mali, die Frankreich 2014 initiierte, hat Paris “die dortige Mission zur Bekämpfung des Terrorismus auf die gesamte Region – Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger und den Tschad – ausgeweitet. Mittlerweile haben sowohl Frankreich als auch die USA in mehreren dieser Staaten Stützpunkte für Drohnen installiert. Zwar werden diese Maßnahmen meist mit einem diffusen Set von Bedrohungen begründet, die vom Schmuggel über illegale Migration bis hin zum Terrorismus reichen; tatsächlich haben die westlichen Staaten jedoch massive Interessen im Sahel und Westafrika, die auch weit über den Fischfang hinaus reichen.“
Welche das sein könnten, vermögen Sie – neben anderen Dingen – hier nachzuschauen.
Die Regierung der BRD kündigte diese Woche darüber hinaus “ein neues Abkommen zur Flüchtlingsabwehr mit Libyen an. In Tripolis sei vor wenigen Tagen eine ‘Einheitsregierung angekommen‘, erklärt Bundeskanzlerin Angela Merkel; man stehe nun vor der ‘Aufgabe‘, mit ihr eine Vereinbarung nach dem Modell des Abschiebepakts mit der Türkei zu schließen. In einem der libyschen Lager, in denen Flüchtlinge unter katastrophalen Bedingungen eingesperrt werden, sind vor wenigen Tagen vier Migranten bei einem Ausbruchsversuch von den Bewachern mit Maschinengewehren erschossen worden.“
Dafür wären Sie hier richtig.
Und auf Platz 1 schließen wir mit einem Buch, nachdem wir mit einem Buch – siehe oben – begonnen hatten. Dabei soll es sich um “Tragedy and Hope 101: The Illusion of Justice, Freedom, and Democracy“ handeln, geschrieben von Joe Plummer. Das Buch will den Versuch unternehmen, das Opus Magnum des US-Historikers Carroll Quigley namens “Tragedy and Hope: A History of the World in Our Time“ aufs Wesentliche herunterzubrechen. Wie ich finde, ein löbliches Unterfangen.
Ich kenne Plummers Buch nicht, muss ich sagen, bin aber durch ein Interview darauf aufmerksam geworden, das James Corbett mit dem Autoren führte, “Joe Plummer Teaches Tragedy and Hope 101“. Ich habe mir das Interview durchaus gerne angehört, namentlich hier. Des Weiteren können Sie sich hier die freiverfügbare HTML-Version von “Tragedy and Hope 101“ ansehen.
Zuletzt noch das Musikstück der Woche: AIR – Casanova 70.
In dem Sinne, ganz der Ihre,
Lars Schall.