Wie sich der Goldpreis im Zeichen der Demonetarisierung des Goldes während der Siebziger Jahre entwickelte und es zum Ölpreisschock von 1973/74 kam, war mehr als den Gesetzen von Angebot und Nachfrage geschuldet.
Als Ergänzung zu dieser Veröffentlichung siehe auch Das Goldpreismanagement in Zeiten der Finanzrepression (Teil Eins; Teil Zwei; Teil Drei).
Goldpreis-Management
Nach der Entkopplung des US-Dollars vom Gold, die im August 1971 bekanntgegeben und vollzogen wurde, galt es für die US-Regierung, hinter den Kulissen Schritte zur weiteren Demonetarisierung des Goldes zu unternehmen. Das geht zweifelsohne aus US-Regierungsdokumenten hervor, wie beispielsweise aus einem Memorandum, das vom 6. März 1974 datiert und von Sidney Weintraub, dem stellvertretenden Staatssekretär des US-Außenministeriums für internationale Finanzen und Entwicklung, an Paul Volcker, dem Staatssekretär des Finanzministeriums für Währungsfragen und zukünftigen Vorsitzenden der Federal Reserve, geschrieben wurde. „Der Großteil des … Memorandums ist eine Studie des Außenministeriums, die für Außenminister Henry Kissinger über die Möglichkeiten ,zur Förderung und Erleichterung der späteren Demonetarisierung des Goldes‘ durch Verhandlungen mit anderen Ländern, insbesondere in Europa, und durch internationale Abkommen, vorbereitet wurde.“ (1)
Im darauf folgenden April kam es zu einem Treffen im US-Außenministerium zwischen Henry Kissinger und Thomas O. Enders, der im Außenamt der USA für Wirtschaftsfragen zuständig war. In dem Treffen ging es um den wachsenden Wunsch unter einigen westeuropäischen Ländern, ihre Goldreserven nach oben neu zu bewerten – was die Rolle von Gold im internationalen Finanzsystem gestärkt und den Status des Dollars gemindert hätte.
Eine Abschrift des Treffens verrät, dass Kissinger die Frage aufwarf: „Warum ist es gegen unser Interesse, Gold im System zu haben?“, woraufhin Enders antwortete: „Es ist gegen unser Interesse, Gold im System zu haben, weil wenn es dort bliebe, würde das bedeuten, dass es regelmäßig evaluiert würde. Obwohl wir noch erhebliche Goldbestände haben – etwa $ 11 Milliarden –, ist ein größerer Teil des offiziellen Golds in der Welt in Westeuropa konzentriert. Dies gibt ihnen die beherrschende Stellung bei den Weltreserven und die beherrschenden Mittel zur Schaffung von Reserven. Wir haben versucht, davon wegzukommen in ein System, in dem wir kontrollieren können.“
Enders führte weiter aus, dass es eine Frage sei, wer international den größten Einfluss habe: „Wenn sie das Reserve-schaffende Instrument haben, indem sie die größte Menge an Gold haben und in der Lage sind, seinen Preis in regelmäßigen Abständen zu ändern, haben sie eine Position im Vergleich zur unseren von erheblicher Macht. Lange Zeit hatten wir eine Position im Vergleich zur ihrer von erheblicher Macht, weil wir Gold fast nach Belieben ändern konnten. Dies ist nicht mehr möglich – nicht mehr akzeptabel. Deshalb haben wir die Sonderziehungsrechte, die auch fair sind und einige Interessen der weniger entwickelten Länder berücksichtigen könnten und die die Macht weg von Europa nehmen. Und es ist rationaler in…“
Kissinger: „;Rationaler‘ definiert als mehr in unserem Interesse, oder was?“
Enders: „Rationaler im Sinne einer stärkeren Reaktion auf die weltweiten Bedürfnisse – aber auch in unserem Interesse.“ (2)
Ein ehemals geheimes Schreiben aus der Feder des damaligen Vorstandsvorsitzenden der Federal Reserve, Arthur Burns, das vom 3. Juni 1975 datiert und an den 38. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Gerald Ford, ging, beschäftigte sich mit den Querelen, für die Frankreich sorgte, indem es für sich das gute Recht in Anspruch nehmen wollte, im freien Markt so viel Gold zu kaufen, wie es ihm richtig erschien. Während der offizielle Buchpreis der Zentralbanken noch bei 42,22 US-Dollar pro Unze lag, bewegte sich der Marktpreis im Jahre 1975 bei einem Wert von 150 US-Dollar pro Unze. Burns betonte: „Die Art und Weise wie dieses Problem gelöst werden wird, könnte sich prägend auf die weltweite Finanzpolitik auswirken und deshalb auch unsere wirtschaftlichen und politischen Interessen über die nächste Generation beeinflussen. Generell stellt sich die Frage, ob Staaten die Freiheit haben sollen, ungehindert und zu Marktpreisen Gold von anderen Staaten oder auf dem Goldmarkt zu kaufen.“
Mit Blick auf Frankreich vermerkte er: „Länder wie Frankreich, die sich gegen eine Begrenzung ihrer Goldreserven ausgesprochen haben, wollen zweifellos über die Freiheit verfügen, auf dem freien Markt Gold zu kaufen, um so den Goldpreis zu stützen.“
Burns erklärte Ford (sowie in Kopie Alan Greenspan und Henry Kissinger): „Unter Notenbankern ist es ein offenes Geheimnis, dass Frankreich gemeinsam mit einigen anderen Ländern eine zukünftige Stabilisierung des Markpreises in einem bestimmten Preiskorridor anstrebt.“
Ford erfuhr von Burns, dass dieser sich mit Henry Kissinger darüber beraten habe, „ob es eine politische Gegenleistung gäbe, die wir von den Franzosen im Gegenzug für unsere Zustimmung zu deren Position in Sachen Gold verlangen könnten. Henry sagte mir jedoch, dass es momentan nichts dergleichen gäbe.“
Burns empfahl eine preisliche Obergrenze für Gold im Zentralbankenrahmen: „Die US-Notenbank ist der Auffassung, dass Obergrenzen für einzelne Staaten unabdingbar sind, und dass die Vereinigten Staaten keine neuen internationalen Vereinbarungen in Bezug auf den Goldmarkt eingehen sollten, es sei denn derartige Obergrenzen wären Teil dieser Vereinbarungen.“
Aus deutscher Sicht ist jene Text-Passage besonders interessant, in der Fed-Chef Burns dem US-Präsidenten Ford etwas über Bundeskanzler Helmut Schmidt mitteilte: „Ich habe ein geheimes Einverständnis in schriftlicher Form mit der Bundesbank, unter Beipflichtung von Herrn Schmidt, dass Deutschland kein Gold kaufen wird, weder vom Markt noch von einem anderen Staat, zu einem Preis über dem offiziellen Preis von $ 42,22 pro Unze.“
Fiel hier etwa insgeheim West-Deutschland seinem engsten Verbündeten Frankreich in den Rücken?
Sei’s drum. Gen Ende betonte Burns: „Alles in allem bin ich davon überzeugt, dass es momentan für uns am besten wäre, allen Regelungen Widerstand entgegenzusetzen, welche den Zentralbanken und Regierungen breiten Spielraum lassen würden, Gold zu Marktpreisen zu erwerben.” (3)
Im Januar 1976 erzielte der Interimsausschuss des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Kingston, Jamaika Einigung darüber, wie mit Gold in Währungsfragen umzugehen sei. Das sogenannte Jamaika-Abkommen, welches die USA unterzeichneten, „besiegelt das Ende fester Währungsparitäten und des Goldstandards“, womit auch die anderen westlichen Währungen (mit Ausnahme des Schweizer Franken) zu reinen Papierwährungen wurden. Das Ereignis der Einführung eines freien Wechselkurssystems bewirkte, dass der Dollar, wie gewünscht, abwertete. „Der Wertverlust, der zunächst noch den US-Exporten zugutekam, bewirkte aber bald nicht mehr das gewünschte Resultat. Die US-Defizite stiegen an, die erwartete Erholung blieb aus.“ (4)
Eine weitere Konsequenz war seither, dass die internationalen Währungen untereinander in einen Marktwettbewerb gerieten, „als ob sie Rohstoffe gewesen wären. Die Devisenmärkte wurden in riesige Casinos verwandelt, die von mächtigen Hedgefonds, multinationalen Banken und anderen Währungsspekulanten manipuliert werden konnten.“ (5) Für kleinere, weniger gut aufgestellte Länder hieß das, dass sie den besagten Marktteilnehmern zukünftig auf Gedeih und Verderb ausgesetzt waren, da jene sich in die Lage versetzt sahen, den Wert von Fremdwährungen drastisch verringern zu können, wenn sie nur wollten.
Ölpreis-Management
Besonders in Erinnerung geblieben ist die Zeit, welche wir gerade behandeln, für den Ölpreisschock von 1973/74. Und auch hier waren mehr als die Gesetze von Angebot und Nachfrage im Spiel – wie F. William Engdahl, gestützt auf entsprechende Dokumente, folgendermaßen einzuordnen weiß:
„(I)m Mai 1973 (traf sich) eine Gruppe von 84 Personen der Weltspitze von Finanzen und Politik auf einem abgelegenen Eiland. Es hieß Saltsjöbaden und gehörte der schwedischen Bankiersfamilie Wallenberg. Versammelt hatte sich dort Prinz Bernhards Bilderberg-Gruppe. Ein Amerikaner erörterte vor diesem Kreis ein ‚Szenario’, das von einem bevorstehenden Anstieg der Öleinnahmen der OPEC um 400 Prozent ausging. Das geheime Treffen der Bilderberg-Gruppe war nicht etwa zu dem Zweck nach Saltsjöbaden einberufen worden, um eine derartige Verteuerung der Weltenergieversorgung zu verhindern. Im Gegenteil, es bereitete den Ölpreisschock vor und erarbeitete Pläne, wie die erwartete Öl-Dollar-‚Flut’ am zweckmäßigsten gehandhabt werden sollte. Henry Kissinger sprach in diesem Zusammenhang vom ‚Petro-Dollar-Recycling’.“ (6)
Das mag man kurzerhand gerne als blanke „Verschwörungstheorie“ beiseiteschieben, gewiss. Allein, ausgerechnet Scheich Ahmed Zaki Yamani, der saudische Öl-Minister der damaligen Zeit, pflichtet Engdahl bei. In einem Gespräch, das er mit dem englischen Observer im Januar 2001 hatte, meinte Yamani: „,Ich bin mir 100 prozentig sicher, dass hinter dem Anstieg des Ölpreises die Amerikaner steckten. Die Ölfirmen waren damals in ernsthaften Schwierigkeiten, sie hatten viel Geld geliehen und sie brauchten den hohen Ölpreis zu ihrer Rettung.‘
Er sagt, er sei davon durch das Verhalten des Shahs von Persien überzeugt, der an einem entscheidenden Tag im Jahre 1974 von der Sicht der Saudis abrückte, dass ein Anstieg für die OPEC gefährlich sei, weil er sie von den USA entfremden würde, um sich für höhere Preise einzusetzen.
,König Faisal sandte mich zum Shah von Iran, der sagte: ,Warum sind Sie gegen die Anhebung des Ölpreises? Das ist es, was sie wollen? Fragen Sie Henry Kissinger – er ist derjenige, der einen höheren Preis will‘.‘
Yamani vertritt die Ansicht, Beweise für seine lang gehegte Überzeugung ergäben sich neuerdings aus dem Protokoll eines geheimen Treffens auf einer schwedischen Insel, bei dem britische und US-amerikanische Regierungsvertreter beschlossen, durch Manipulation eine 400 prozentige Steigerung des Ölpreises herbeizuführen.” (7)
Im gleichen Sinne äußerte sich Scheich Yamani in einem Interview mit CNN im Jahre 2010. Dort wurde er ebenfalls nach den Ereignissen von 1973/74 befragt und mit der Aussage von Henry Kissinger konfrontiert, dass das, was Saudi-Arabien und die OPEC dem Rest der Welt angetan hätten, eine politische Erpressung gewesen sei.
Yamani daraufhin: „Das ist eine sehr lange Geschichte und bei der Reaktion der Amerikaner auf die Ereignisse handelte es sich nicht um eine einmalige Reaktion, sondern eins folgte dem anderen. Das würde ein ganzes Buch füllen. Es war keine Erpressung. Es gibt ein Buch mit dem Titel A Century of War, das die Geschichte eines Treffens auf einer schwedischen Insel behandelt, an dem auch Henry Kissinger teilnahm, und auf dem beschlossen wurde, den Ölpreis 400fach zu erhöhen, 400%, und das ist ein sehr wichtiges Ereignis gewesen. Sie mussten – das war eine der Reaktionen der Amerikaner – den Ölfirmen dabei helfen, außerhalb der OPEC in Mexiko, in der Nordsee usw. zu investieren; und das würde ohne hohe Ölpreise nicht geschehen. So wurde die OPEC ihrer strategischen Macht beraubt, aber das ist eine andere Sache, und ich respektiere Henry Kissinger wirklich. Er ist ein wirklicher Planer und strategisch gesehen, ist er ein Mann, den man respektieren muss.“
Sodann wurde Yamani gefragt: „Sie behaupten also, die politische Erpressung lag nicht in dem Ölembargo der Araber, sondern die US-Ölindustrie wollte auf diese Weise die Preise hochtreiben?“
Seine Antwort: „Nicht wirklich viel, aber der Plan existierte und ich unterscheide zwischen beidem. Das Öl der Araber war gemeint und ich stand dahinter, nicht um die Wirtschaft zu schädigen, sondern nur, um die internationale Öffentlichkeit darauf zu lenken, dass es einen Konflikt zwischen den Palästinensern und Israel gibt, das war die einzige Sache, und wir waren gegen das, was danach kam. Geld ist leider sehr verlockend. Etliche in der OPEC lieben das Geld und das Geldverdienen, und deshalb haben sie den Preis so schnell wie möglich in die Höhe getrieben und sie haben den Preis dafür gezahlt.“ (8)
Um eine weitere Erklärung für diesen selten beachteten Sachverhalt zu bekommen, befragte ich F. William Engdahl, den Autor von A Century of War, hierzu persönlich innerhalb eines ausführlichen Interviews – angefangen mit dieser von mir getroffenen Feststellung: Seit den frühen 1970er Jahren wird der Dollar im Wesentlichen durch Öl gedeckt.
F. William Engdahl: Nun, das ist, wie ich es nannte. In meinem Buch Century of War spreche ich über den Petrodollar. Das ist etwas, das von einigen Autoren in der letzten Zeit missverstanden wird, sie denken, dass der Dollar noch heute ein Petrodollar sei. Öl ist der größte in Dollar gehandelte Rohstoff der Weltwirtschaft, ohne jede Frage, das ist sehr klar. Aber heute ist der Dollar, würde ich sagen, eine Währung, die nicht so sehr durch Erdölpreise gesichert wird, die in Dollar notiert werden, sondern mehr durch F-16-Kampfjets und Abrams-Panzer, mit anderen Worten: durch rohe militärische Macht der USA und der NATO. Das bricht hier immer mehr auf das Wesentliche der Macht seit Beginn der Bush-Administration herunter. Bush und Cheney wurden von den Eliten in Position gebracht, um den Samthandschuh abzuziehen und der Welt die eiserne Faust zu zeigen, weil mehr und mehr Dinge aus der Sicht einer amerikanischen Hegemonie oder einzigen Supermacht mit dem Aufstieg Chinas, Russlands und einigen anderen Dinge, die in der Europäischen Union vor sich gingen, außer Kontrolle gerieten.
LS: Sagen wir dann, dass der Dollar im Wesentlichen durch Öl gedeckt war.
F. William Engdahl: Ja, zurückgehend auf die Zeit nach 1973.
LS: Ich möchte mit Ihnen über ein wichtiges Ereignis in diesem Zusammenhang sprechen. Dies war die Ölkrise von 1973/74.
F. William Engdahl: Richtig.
LS: Sie fanden in Ihrem Buch Century of War heraus, dass dieses Ereignis politisch von einem Club beabsichtigt war, der sich 1973 auf einer schwedischen Insel traf. Können Sie bitte etwas Licht mit uns bei diesem Thema teilen?
F. William Engdahl: Gewiss, äußerst gerne. Ich besaß das faszinierende Vergnügen, persönlich von Scheich Zaki Yamani im September 2000 für sein jährliches Treffen außerhalb von London eingeladen worden zu sein. Er hat ein Energie-Zentrum in London gegründet, nachdem es Washington geschafft hatte, dass er als saudischer Minister für Energie während der umgekehrten Ölkrise von 1986 entlassen wurde, als Yamani gegen den Druck des US-Außenministeriums auf die saudische Monarchie war. Yamani lud mich ein, weil er das Century of War-Buch gelesen hatte – ein irakischer Freund hatte es ihm gegeben. Er rief mich zu einem Vortrag vor dieser Gruppe von Energie-Bankern aus der City of London und Öl-Leuten über das, was wirklich im Jahr 1973 passierte. Er führte ihn mit den Worten ein: „Dies ist die einzige Erzählung, die von dem existiert, was wirklich ’73 geschah, als ich der Vorsitzende der OPEC und der saudische Energieminister war. Ich durchlebte dies, und Herr Engdahl hat es zutreffend beschrieben.“
Was passierte ist folgendes: Es gab ein Treffen – und einige Leute werden es jetzt mit der Angst bekommen und sagen, das ist Verschwörungstheorie, aber ich bin im Besitz der eigentlich vertraulichen Dokumente, die ganz legal vor einigen Jahren in meinen Besitz durch Zufall in Paris kamen: das Protokoll des Treffens vom Mai 1973 der Bilderberg-Gruppe in Saltsjöbaden, Schweden. Ich habe die Teilnehmerliste vom Hoover Institute of War and Peace in Kalifornien und das Faksimile des amerikanischen Sekretärs des Bilderberg-Clubs über die Gäste, darunter Henry Kissinger von der amerikanischen Seite, die zu dieser Mai-Sitzung eingeladen worden waren. Und dort, wenn Sie die Kalkulation machen, hören Sie einen Vortrag und eine Diskussion, und das sind einige der mächtigsten Menschen in Europa und den Vereinigten Staaten – übrigens handverlesen von David Rockefeller. Die Leiter aller großen Ölkonzerne, die Sieben Schwestern, waren ebenfalls anwesend. Sie reden über das, was auf eine 400%-ige Steigerung des Preises für OPEC-Öl in der sehr nahen Zukunft hinausläuft. Natürlich geben sie keine Details, sondern sprechen im Abstrakten.
Die ganze Diskussion war nicht: „Wie können wir als einige der mächtigsten Vertreter der Industrienationen der Welt die arabischen OPEC-Länder davon überzeugen, die Ölpreise nicht so dramatisch zunehmen zu lassen?” Stattdessen sprachen sie darüber: „Was werden wir mit all den Petrodollars tun, die unweigerlich zu den Londoner und New Yorker Banken aus den arabischen OPEC-Öleinnahmen kommen werden?” Henry Kissinger, der den Begriff nach dem Ölschock in den Jahren 1973/74 prägte, sprach über das „Recycling von Petrodollars.“ Und in der Tat, was passierte war – und das kam direkt von einem Privatgespräch mit Scheich Yamani mit mir in seinem Haus im Jahr 2000, er sagte: „Ich wurde von meinem König, dem saudischen König, als vertrauenswürdiger Bote losgeschickt, um mit dem Schah von Iran zu sprechen und zu fragen, warum der Schah beim OPEC-Treffen im Oktober 1973 nach dem Jom-Kippur-Krieg so unerbittlich beim Durchsetzen eines derart großen OPEC-Preisanstiegs als einem dauerhaften Preis war.“ Und er sagte: „Der Schah wandte sich zu mir und sagte: ,Teilen Sie Seiner Exzellenz, dem König von Saudi-Arabien, mit, wenn er eine Antwort auf diese Frage haben will, muss er nach Washington gehen und Henry Kissinger fragen.’“ Mit anderen Worten, dies wurde dem Schah diktiert.
Dieser Öl-Schock kam also zwei Jahre nach dem freien Wechselkurs des Dollars, als der Dollar im Wesentlichen wie ein Stein fiel, weil die US-Wirtschaft große Brüche gegenüber der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zu zeigen begann, als die US-Industrie eine führende Weltklasse-Industrie war und die Goldreserven und alles andere in einer idealen Korrelation zueinander standen. Die US-Wirtschaft geriet in sehr, sehr schwere strukturelle Probleme in den frühen 1970er Jahren. Der Dollar fiel, und die französische und die deutsche Wirtschaft begannen wirklich zu boomen, wie auch die japanische Wirtschaft, und bestimmte Eliten, die mit den Geldzentrumsbanken in New York verbunden waren, beschlossen, so glaube ich, dass es Zeit für einen großen Schock war, um die Richtung der globalen Wirtschaft umzukehren, selbst zum Preis einer Rezession in der amerikanischen Wirtschaft – das bekümmerte sie nicht so sehr, solange sie die Kontrolle über die Geldflüsse besaßen.
1975 schickte Washington einen sehr hohen Beamten des Finanzministeriums nach Riad, der Riad im Wesentlichen sagte, dass die OPEC kein einziges Barrel Öl verkaufen dürfe, wenn diese nicht in Dollar notiert wären, da damals die deutsche Regierung, die französische Regierung und die Regierung von Japan alle an der Tür der OPEC anklopften und versprachen, ihre Qualitäts-Werkzeugmaschinen, die ausgezeichneten, hochwertigen deutschen Werkzeugmaschinen zu liefern, und den französischen oder japanischen Handel anboten, den die Länder des Nahen Ostens so sehr wollten, um ihre Volkswirtschaften aufzubauen. Aber sie forderten, dass das Öl in ihren eigenen Währungen verkauft werden müsse, damit sie weniger abhängig vom Dollar wären. An diesem Punkt intervenierte Washington und sagte: „Das ist ein Tabu. Öl darf nie außer in Dollar verkauft werden.“
LS: Warum war das von essentieller Bedeutung für die USA?
F. William Engdahl: Weil die Machtprojektion der USA seit 1945 in der Welt auf zwei Säulen ruhte. Eine Säule ist, dass die USA die überwältigende militärische Macht auf diesem Planeten haben. Heute geben sie mehr für militärische Ausrüstung, Personal und Machtprojektion aus als die nächsten 42 Länder der Welt, einschließlich Russland, China und ganz Europa zusammen! Die zweite Säule der US-Macht ist die Rolle des Dollars als Leitwährung der Welt. Beide besitzen kombinierte Synergien. Wenn jemand die Macht des „amerikanischen Jahrhunderts“, wie Henry Luce, der Eigentümer des Time-Magazins, es im Jahre 1941 nannte, verstehen will, dann müssen sie sich diese Doppel-Säulen ansehen und wie sie beide miteinander interagieren.
Der Ölpreis, der um 400 Prozent in den Jahren 1973/74 sprang, rettete den Dollar. Der Dollar schwebte auf einem Meer von Öl hinauf. Auch hier dürfen wir nicht vergessen, dass Nixon die Verbindung des Dollars zum Gold unilateral im August 1971 brach, und nach dieser Zeit stürzte er um rund 40 Prozent gegen die wichtigsten Handelswährungen wie die D-Mark und dem japanischen Yen ab. Was den Dollar rettete, was die Wall Street und die Macht des Dollars als eine finanzielle Sache, aber nicht die US-Wirtschaft in irgendeiner Weise rettete, war der 400%-ige OPEC-Preisschock. Das hielt das Wachstum in Europa an, zerschlug die Entwicklungsländer, die eine schnelle Wachstumsdynamik in den frühen 1970er Jahren genossen, und es bekräftigte die Machtverhältnisse wieder in die Richtung der Wall Street und des Dollar-Systems.
Wenn man sich also die ganze daraus ergebene Geschichte der lateinamerikanischen Schuldenkrise, der Dritten Welt-Schuldenkrise in den 1970er Jahren bis in die 1980er Jahre hinein anschaut, die auch Jugoslawien, Polen und einige andere Ostblock-Länder zerstörte, all dies hatte mit dem Recycling von Petrodollars durch die Eurodollar-Banken, US-Banken in London, britische Banken zu tun. Dies war das Herzstück des sogenannten Eurodollarmarktes damals, die City of London – auch ausgewählte Banken wie Deutsche Bank, UBS und ein paar japanische Banken waren als Juniorpartner dabei.
Aber die Hauptsache war: Die angloamerikanische Banken-Elite betrieb das Recycling der Überschuss-Dollars, die Saudi-Arabien, Kuwait, die Emirate und all die anderen OPEC-Länder, darunter Iran bis zum Sturz des Schahs, in Umlauf brachten. Übrigens ließ der Schah die gesamten Ölgewinne der iranischen Ölgesellschaft über eine einzige Bank laufen, und das war die Chase Manhattan Bank von David Rockefeller – interessante Tatsache der Geschichte. Somit war durch das Recycling von Petrodollars der Dollar an den Ölpreis und die Ölkonzerne gebunden, an die Sieben Schwestern, die amerikanischen und britischen Ölkonzerne, die wirklich den Ölpreis steuerten. Sie schoben es auf die arabischen Scheichs, aber die Kontrolle lag in New York und London.(9)
In der Tat, ganz wie Herr Engdahl ausführte: Alldieweil der beim Bilderberg-Treffen in Saltsjöbaden erwartete 400-prozentige Ölpreisanstieg, als er sich dann anlässlich des Jom-Kippur-Kriegs materialisierte, dafür sorgte, dass Inflation und Rezession durch die westlichen Industriestaaten fegten, wofür die arabische Welt Schelte bezog, wurde andernorts insgeheim exzellent Kasse gemacht: „1974 gingen der stellvertretende Staatssekretär im US-Finanzministerium Bennett und David Mulford von der Londoner Investmentbank White Weld & Co. daran, die notwendigen Mechanismen zur Beherrschung der überschüssigen Petrodollars der OPEC zu schaffen. Kissinger, Bennett und Mulford fädelten das geheime Finanzabkommen mit der SAMA ein, das auf kreative Weise die Banken der US Federal Reserve und die Bank von England von den hohen Ölpreisen der Jahre 1973-1974 profitieren ließ.” (10)
Als gesichert darf ferner gelten, dass sich die Wall Street besser denn je positioniert hatte, um den warmen Geldregen aus dem Mittleren Osten in Empfang zu nehmen. Beispiel Chase Manhattan: Bis 1970 besaß die Bank wenig Repräsentanz in der Region – abgesehen „von einer Büro-Niederlassung in Beirut, einem Joint Venture in Dubai“ und in ihrer Rolle „als wichtige Wertpapierverwahrstelle für die saudische Zentralbank, SAMA“. (11) 1971 kam eine Niederlassung in Bahrain dazu. „Im Gefolge dieses wachsenden Trends des US-Interesses an der Region vereinbarten die US-Regierung und die neu gebildete Regierung von Bahrain, einen dauerhaften Flottenstützpunkt“ an der Küste Bahrains aufzubauen. „Im Gleichschritt mit Rockefellers Expansion fand die gesamte Fünfte Flotte der US Navy ein neues Zuhause. Rockefeller war seit knapp zwei Jahrzehnten in Angelegenheiten im Mittleren Osten tätig gewesen. Er war einer der wenigen Amerikaner mit Zugang zu allen arabischen Führern in der Region. McCloy brannte ebenso auf die Region.“ (12) Während im Laufe des Jahres 1973 die Watergate-Affäre hohe Wellen schlug, die Richard Nixon in wachsendem Maße verschlang, war John McCloy „zunehmend auf seine Ölgesellschaftskunden, die ,Sieben Schwestern‘, und ihre Position in der Mischung aus Öl- und Geldpolitik konzentriert.“ (13)
Nomi Prins, die früher bei Chase Manhattan tätig war, schreibt, dass die Banker in der Region wie Haie umherschwirrten. „Sie rochen Geld, und sie gingen davon aus, dass politische Probleme gelöst werden würden, wenn und falls sie zutage träten.“ (14)
Die Probleme, die zutage traten, wuchsen stattdessen, als sie aufkamen, begünstigt von der verfehlten Diplomatie eines Henry Kissinger, (15) bis Ägypten und Syrien am 6. Oktober 1973 einen Überraschungsangriff auf Israel starteten. „240 ägyptische Flugzeuge überquerten … um 14 Uhr den Suezkanal und bombardierten die von Israel 1967 im Sechstagekrieg besetzte Sinai-Halbinsel. Parallel eröffneten 2000 ägyptische Geschütze vom Westufer des Kanals das Feuer. 53 Minuten lang hagelte der Kugelregen auf die israelischen Stellungen nieder und verwandelte die Bar-Lew-Linie, die lange als uneinnehmbarer Schutzwall galt, in ein Inferno. … Punkt 14 Uhr startete die syrische Armee … zeitgleich ihren Angriff“ auf den Golan-Höhen, „die die Israelis 1967 ebenfalls besetzt hatten.“ (16)
Damit begann am heiligsten jüdischen Feiertag, Jom Kippur, der insgesamt vierte arabisch-israelische Krieg seit 1948, der bis zum 25. Oktober 1973 anhalten sollte. „Im Zuge des Angriffs stoppten arabische Nationen ihre Öltransporte in die Vereinigten Staaten. Als Ergebnis dieses Embargos würden sich die Ölpreise bis Frühjahr 1974 vervierfachen.“ (17)
Zwei Tage, nachdem die Kämpfe auf der Sinai-Halbinsel und den Golan-Höhen begonnen hatten, trafen sich Vertreter des Big Oil mit OPEC-Repräsentanten, um mit ihnen über die Preise zu verhandeln. Ein Anwalt der Kanzlei Milbank – Tweed beaufsichtigte die Treffen. John McCloy, mit Milbank – Tweed eng verbunden, vertrat derweilen die Strategie des Big Oil bei US-Justizminister John Mitchell. Überdies schrieb er, „mit Vertretern der Arab American Oil Company zusammenarbeitend, einen Brief an Nixon und drängte ihn, sich nicht an die Seite Israels zu stellen. ,Die wirklichen Herausforderungen sind sowohl unsere Wirtschaft als auch unsere Sicherheit‘, sagte er. Drei Tage, nachdem er den Brief geschickt hatte, sandten Nixon und Kissinger militärische Lieferungen an Israel. Zwischen dem, was der Banker und der Präsident als vorteilhaft ansahen, waren deutlich Linien gezogen.
Während der Kampf im Sinai tobte, vertrat McCloy weiterhin die großen Ölinteressen. … Am 16. Oktober 1973, als sich die OPEC-Mitglieder in Kuwait City trafen und beschlossen, die Ölpreise um 70 Prozent zu erhöhen, waren McCloys Kunden Gewinnteilhaber mit den arabischen Ländern. Es war ein Sieg für sie. Der ,Vorsitzende des Establishments‘ war auf schwarzes Gold gestoßen. Und so würde es auch weiterhin sein. … Der globale Ölpreisschock präsentierte den US-Bankern die perfekte Gelegenheit, ihr internationales Geschäft zu stärken und die Einnahmen zu steigern. In der ersten Hälfte des Jahres 1974 vervierfachten sich die ausländischen Vermögenswerte der US-Geschäftsbanken von $ 8,5 Milliarden auf $ 34 Milliarden.“ (18) Die Einnahmen der US-Banken, die aus ölexportierenden Ländern des Mittleren Ostens kamen, wuchsen von 1973 bis 1974 um 600 Prozent auf 140 Milliarden US-Dollar an. (19) David Rockefeller ging derweilen mit der ägyptischen Nationalbank ein Joint Venture ein, um die Chase National Bank of Egypt zu gründen. Gleichzeitig verliehen die Beziehungen, die Chase zu SAMA und zur Zentralbank des Iran unterhielt, der Hausbank der Familie Rockefeller „außergewöhnlichen Zugang zu den Geldmitteln der Region.“ (20)
Die persönlichen Beziehungen, die David Rockefeller zum Shah von Persien unterhielt, führten 1975 dazu, dass Chase Manhattan ein weiteres Joint Venture unternahm, diesmal mit der iranischen Industrial Credit Bank, um die International Bank of Iran zu gründen. (21) Chase Manhattan wurde zur führenden Bank für die Gelder der National Iranian Oil Company. Indem die Ölpreise weiter steigen sollten, schwollen die iranischen Bankeinlagen bei Chase mächtig an. „Ein hoher Anteil des Gelds der iranischen Ölexporte floss durch die Finanzabteilung bei Chase – bis zu $ 60 Millionen pro Tag.“ (22) Die Investitionsgelder, die aus dem Mittleren Osten gen USA geschickt wurden, stiegen ebenfalls sprunghaft an: allein 1974 wurden circa $ 11 Milliarden direkt in Investments in den Vereinigten Staaten gelenkt. Die US-Waffenverkäufe verdoppelten sich 1974 auf einen Wert von $ 8.3 Milliarden; die Hälfte des Betrages wurde aus Teheran überwiesen. (23)
QUELLEN:
(1) Vgl. Chris Powell: „Über ein Memo des US-Außenministeriums zur Goldpreisdrückung“, veröffentlicht auf LarsSchall.com am 12. November 2013 unter: http://www.larsschall.com/2013/11/12/ueber-ein-memo-des-us-aussenministeriums-zur-goldpreisdrueckung/.
(2) Chris Powell: “State Dept. minutes confirm that whoever has the most gold makes the rules”, veröffentlicht auf GATA.org am 29. November 2013 unter: http://www.gata.org/node/13310.
(3) Lars Schall: „Woran sich Helmut Schmidt nicht erinnern kann“, veröffentlicht auf LarsSchall.com am 5. Juni 2012 unter: http://www.larsschall.com/2012/06/05/woran-sich-helmut-schmidt-nicht-erinnern-kann/.
(4) Vgl. „Die Dollar-Story“, veröffentlicht von Le Monde diplomatique am 11. März 2005 unter: http://www.monde-diplomatique.de/pm/2005/03/11.mondeText.artikel,a0003.idx,18
(5) Ellen Brown: „The Web of Debt”, Third Millennium Press, 2008, Seite 208.
(6) F. William Engdahl: „Mit der Ölwaffe zur Weltmacht“, a.a.O., Seite 180. Für eine jüngere Darstellung des Sachverhalts siehe F. William Engdahl: „Es klebt Blut an Euren Händen“, a.a.O., Seiten 76-85.
(7) Oliver Morgan / Faisal Islam: “Saudi dove in the oil slick”, erschienen im The Observer am 14. Januar 2001 unter: http://www.guardian.co.uk/business/2001/jan/14/globalrecession.oilandpetrol.
(8) Vgl. “Opec will play a different role in the future, says Sheikh Yamani“, veröffentlicht auf Business Intelligence Middle East am 17. Oktober 2010 unter: http://www.bime.com/main.php?id=48966&t=1&c=38&cg=4&mset=1011.
(9) Lars Schall: „Wir sind inmitten einer epochalen tektonischen Verschiebung“, Interview mit F. William Engdahl, veröffentlicht auf LarsSchall.com am März 2011 unter: http://www.larsschall.com/2011/03/27/wir-sind-inmitten-einer-epochalen-tektonischenverschiebung-%E2%80%93-teil-1/.
(10) William R. Clark: “Petrodollar Warfare”, New Society Publishers, 2005, Seite 21.
(11) Nomi Prins: “All the Presidents‘ Bankers: The Hidden Alliances that Drive American Power”, Nation Books, 2014, Seite 288.
(12) Ebd.
(13) Ebd., Seite 289.
(14) Ebd.
(15) Vgl. Robert Dallek: “The Kissinger Presidency”, veröffentlicht von Vanity Fair am 2. April 2007 unter: http://www.vanityfair.com/news/2007/05/kissinger200705, und Yigal Kipnis: “Yom Kippur, the unnecessary war?”, veröffentlicht von Los Angeles Times am 10. Oktober 2013 unter: http://www.latimes.com/opinion/op-ed/la-oe-kipnis-golda-meier-kissinger-20131010-story.html.
(16) Johanna Lutteroth: „Kugelhager am Versöhnungstag“, veröffentlicht von Spiegel Online am 1. Oktober2013 unter: http://www.spiegel.de/einestages/40-jahre-jom-kippur-krieg-angriff-von-syrien-und-aegypten-auf-israel-a-951278.html.
(15) Vgl. Nomi Prins: “All the Presidents‘ Bankers“, a.a.O., Seiten 289 – 290.
(16) Ebd., Seite 289.
(17) Ebd., Seite 290.
(18) Vgl. ebd., Seiten 290-291.
(19) Ebd., Seite 291.
(20) Vgl. ebd.
(21) Ebd.
(22) Vgl. ebd.
(23) Ebd.