Die Konzentration des Bankensystems in den Händen einer kleinen Anzahl von Großbanken führt zu finanzieller Instabilität und schwereren Finanzkrisen.
Von Lars Schall
Die Konzentration des Bankensystems in den Händen einer kleinen Anzahl von Großbanken führt zu finanzieller Instabilität und schwereren Finanzkrisen. Das ist einer Arbeit der Ökonomen Matthew Baron, Moritz Schularick und Kaspar Zimmermann zu entnehmen, die den Titel „Survival of the Biggest: Large Banks and Financial Crises“ trägt. Unter anderem bringen die Autoren vor: „(E)ntgegen der weit verbreiteten Meinung sind Bankensysteme, die von einigen wenigen Großbanken dominiert werden, nicht messbar sicherer als stärker fragmentierte Bankensysteme. Die Häufigkeit von Bankenkrisen ist in Bankensystemen, die von Großbanken dominiert werden, nicht geringer. Vielmehr sind die realwirtschaftlichen Folgen einer Krise in Bankensystemen, die von einigen wenigen Großbanken dominiert werden, gravierender.“
Die Autoren stellen fest, dass Großbanken „in der Regel im Vorfeld von Krisen mehr und nicht weniger Risiken eingehen als kleinere Banken, und große Banken erleiden größere Eigenkapitalverluste und schränken ihre Kreditvergabe nach Krisen stärker ein.“
Wenn es um das Retten von Banken im Laufe von Krisen geht, schreiben die Autoren, dass es „wesentlich wahrscheinlicher“ sei, „dass politische Entscheidungsträger die Top-5-Banken am Rande des Zusammenbruchs retten“. Außerdem „weisen große Banken in Krisen eine stabilere Finanzierungsdynamik auf, trotz größerer Eigenkapitalverluste.“ Das Ökonomen-Trio kommt zum Schluss, „dass unter den Banken, die ,am Rande des Scheiterns‘ stehen, Interventionen, die explizit darauf abzielen, ein Scheitern zu verhindern und das ursprüngliche Bankinstitut zu erhalten, bei den Top-5-Banken sehr häufig vorkommen, bei den Banken 6-20 (die stattdessen eher fusioniert oder abgewickelt werden) jedoch sehr viel seltener.“
Insgesamt scheitern „große Banken in Bankenkrisen wesentlich seltener als kleinere Banken. Kleinere Banken neigen auch dazu, nach einer Krise in hohem Maße von großen Banken übernommen zu werden. Dies hat zur Folge, dass der Marktanteil der Großbanken in Krisen tendenziell zunimmt, wodurch sie in Zukunft noch dominanter werden. Wir nennen dieses sich wiederholende Muster während Krisen das ,Überleben der Größten‘. Wir zeigen, dass die Nachwirkungen von Bankenkrisen für 40 % des gesamten Anstiegs des Vermögensanteils der Top-5-Banken in der Geschichte verantwortlich sein können.“
Die Arbeit finden Sie hier.
Wo wir schon bei den Großen und den Kleinen sind – interessant ist, dass das chinesische Bankensystem in den vergangenen Jahrzehnten den Weg ging: „Aus ganz wenig und groß, mache viel und klein.“
In einer Arbeit der Ökonomen Kun Duan, Plamen Ivanov und Richard Werner (namens „Deciphering the Chinese Economic Miracle: The Resolution of an Age-Old Economists’ Debate — and its Central Role in Rapid Economic Development“) wird vorgetragen:
„Chinas umfassende Reform, die Ende 1978 unter der Führung von Deng Xiaoping begann, konzentrierte sich auf eine strukturelle Umgestaltung des Bankensystems: Nachdem das Land in den frühen 1950er Jahren fast eine Monobankwirtschaft nach sowjetischem Vorbild hatte, in der die People’s Bank of China (PBoC) sowohl ein kommerzielles als auch ein politisches Mandat ausübte, handelte der neue Führer Deng Xiaoping auf der Grundlage der wichtigsten Erkenntnisse, die er aus seinen ausländischen Forschungen und früheren Erfahrungen gewonnen hatte, und entschied sich für eine Dezentralisierung des Bankensystems durch die Gründung Tausender von Banken. Damit übernahm er das preußische Subsidiaritätsprinzip der größtmöglichen Delegation und Dezentralisierung von Detailaufgaben auf die niedrigstmögliche Ebene, das sich in der Wirtschaft als ebenso produktiv erwiesen hatte wie in der Armee. Der Prozess begann in den 1980er Jahren mit dem neuen Rechtsstatus der Zentralbank im Jahr 1983 und der Gründung von vier staatlichen politischen Banken (PB), der Agricultural Bank of China (ABC), der China Construction Bank (CCB), der Bank of China (BOC) und der Industrial & Commercial Bank of China (ICBC), die sich jeweils auf einen bestimmten Kreditmarkt spezialisiert haben.
Im folgenden Jahrzehnt wurden die Dezentralisierungsbemühungen mit der Gründung von drei weiteren PB fortgesetzt – der China Development Bank (CDB), der Import and Export Bank of China (CEXIM) und der Agricultural Development Bank of China (ADBC). Gleichzeitig wurde ein Gesetz erlassen, um die ABC, die BOC, die CCB und die ICBC von spezialisierten, monopolistischen Kreditgebern, die ein hohes Maß an notleidenden Krediten (bis zu 30 Prozent) aufwiesen, in wettbewerbsfähige staatliche Geschäftsbanken (SOCBs) umzuwandeln. Um die NPL aus den Bilanzen der Banken zu entfernen, ohne den Steuerzahler zu belasten, stiftete die Zentralbank vier Vermögensverwaltungsgesellschaften, die die toxischen Vermögenswerte aufkauften. Durch den Verkauf der Vermögenswerte wurden die vier ursprünglichen PB wieder in eine gesunde Lage versetzt.
Um die Nation, insbesondere die befreiten Privatunternehmer und die belebten staatlichen Unternehmen, mit Bankkrediten zu versorgen, überwachte die Zentralregierung die Gründung Tausender städtischer und ländlicher Banken, um die regionale Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu stärken. Die Liste umfasst mehr als 100 regionale (,städtische Geschäftsbanken‘) und über tausend ländliche Geschäftsbanken, die jeweils eine Säule des chinesischen Bankensystems bilden. Öffentliche Schöpfer von Geld, die den wachsenden Finanzbedarf eines immer komplexeren Industriekomplexes bedienen, schossen wie Pilze aus dem Boden.
Im Laufe der letzten vier Jahrzehnte wurde das chinesische Bankensystem daher von einem Quasi-Monobankensystem in ein Vier-Säulen-System umgewandelt, das aus (1) staatlichen Geschäftsbanken (SOCBs), (2) Joint Stock Commercial Banks (JSCBs), (3) städtischen Geschäftsbanken (CCBs) und (4) ländlichen Geschäftsbanken (RCBs) besteht. Dennoch ist der Staat nach wie vor ein Hauptaktionär der meisten Bankunternehmen. An den fünf SOCBs hält der chinesische Staatsfonds einen erheblichen Anteil. Das Finanzministerium und andere staatliche Unternehmen halten ebenfalls Beteiligungen an den fünf SOCBs, die mehr als die Hälfte der Vermögenswerte des Landes halten. Der öffentliche Anteil an jeder dieser Banken liegt zwischen 60 und 90 Prozent. Bei den 3 neuen PB handelt es sich um hundertprozentige Staatsunternehmen. Die CCBs stehen unter öffentlicher Kontrolle, da die Zentralregierung bzw. die lokalen Regierungen Kontrollbeteiligungen halten. Folglich ernennt die KPCh als Mehrheitsaktionär des Bankensystems die Führungskräfte in all diesen für das Wirtschaftswachstum wichtigen kapitalistischen Institutionen. Somit kann die Mehrheit der chinesischen Banken als öffentliche Banken eingestuft werden.
Das chinesische Bankensystem, das mit seinem ,Vier-Säulen-System‘ das deutsche ,Drei-Säulen-Bankensystem‘ übertrifft, sollte ein vorrangiges Ziel für empirische Untersuchungen und Lehren für Entwicklungsländer sein. Es mangelt an Forschungsarbeiten zu diesem Thema, das bei den führenden internationalen Institutionen mit Sitz in Washington, die die Entwicklungsprozesse in der ganzen Welt lenken, nicht sehr beliebt zu sein scheint. Dies gilt auch für die politischen Instrumente, die von der Zentralbank eingesetzt werden, um sicherzustellen, dass Bankkredite das Wirtschaftswachstum fördern und nicht zu Vermögensblasen führen…“
Die Arbeit finden Sie hier.